Ein bisschen Hornmist zum Geburtstag

Diesen Sonntag wäre also Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, 150 Jahre alt geworden. Sein merkwürdig verschwurbeltes Weltbild müsste eigentlich niemanden mehr interessieren. Und doch feiern seine „Lehren“ fröhliche Urständ: weltweit an 1.000 Waldorfschulen zum Beispiel. Oder in der so genannten „biologisch-dynamischen Landwirtschaft“. Werfen wir zu Ehren des Geburtstagskinds mal einen Blick auf Letztere …

Die biologisch-dynamische Landwirtschaft (die übrigens etwas anderes ist als die ökologische Landwirtschaft) hat einen Namen, ja eine Marke: Demeter. Schaut man auf die hübsche orangefarbene Webseite von Demeter, landet man in einer Friede-Freude-Eierkuchen-Wellness-und-Wohlfühlwelt, auf der so Sätze stehen wie:

Die Demeter-Pflanzen entwickeln sich (…) im Einklang mit der Natur.

Oder:

Demeter bietet Lebensmittel, die Körper, Seele und Geist nähren.

Oder, mal etwas ausführlicher:

Demeter-Bauern (…)  haben nicht allein die konkreten materiellen Substanzen, die physischen Kräfte der Natur, im Blick, sondern auch die gestaltenden Kräfte des Kosmos. Sensible Naturbeobachtungen schulen und beeinflussen die tägliche Arbeit. Im Bemühen um einen ganzheitlichen Ansatz und ein spirituelles Verständnis entwickeln die Demeter-Bauern auch eigene Strategien, mit Ressourcen umzugehen. Deshalb gibt es hier viele Vorreiter in Sachen alternative Energien und nachwachsende Rohstoffe.

Das klingt ja total nachhaltig und ganzheitlich! In der Tradition verwurzelt und doch modern! Auffällig ist nur, wie diskret man sich im Rahmen der Webseite auf den Spiritus rector der bio-dynamischen Landwirtschaft, Rudolf Steiner, beruft. Statt mit dem Pfund seiner Autorität zu wuchern, heißt es fast kleinlaut bei Demeter: „Den Impuls von Steiner durchdringen und weiterentwickeln“. Warum so bescheiden?

Im Kuhorganismus herumkriechen

Vielleicht liegt es daran, dass dieser Impuls heutzutage doch nicht mehr ganz ernst zu nehmen ist, wie uns ein Blick in die Quellen verrät. Denn wie heißt es so schön in Steiners 4. Vortrag zu „Kräften und Substanzen, die in das Geistige hereingehen: die Düngungsfrage„, ohne die es heute kein Demeter gäbe:

Haben Sie schon einmal nachgedacht, warum die Kühe Hörner haben (…)? Die Kuh hat Hörner, um in sich hineinzusenden dasjenige, was astralisch-ätherisch gestalten soll, was da vordringen soll beim Hineinstreben bis in den Verdauungsorganismus, so dass viel Arbeit entsteht gerade durch die Strahlung, die von Hörnern und Klauen ausgeht, im Verdauungsorganismus. (…) Etwas Lebenstrahlendes, und sogar Astralisch-Strahlendes haben Sie im Horn. Es ist schon so. Würden Sie im lebendigen Kuhorganismus herumkriechen können, so würden Sie, wenn Sie drin wären im Bauch der Kuh, das riechen, wie von den Hörnern aus das Astralisch-Lebendige nach innen strömt.

Und was hat das Horn der Kuh mit der biologisch-dynamischen Landwirtschaft des 21. Jahrhunderts zu tun? Sehr viel! „Hornmist“ ist ein wichtiges Präparat der Bio-Dynamiker und funktioniert so: Man nehme eine Handvoll frischen Kuhmist, stopfe ihn in ein hohles Kuhhorn, und vergrabe es im Boden. Nach einer Weile gräbt man es wieder aus, schmeißt den Kuhmist aus dem Horn in einen Eimer Wasser, rührt ordentlich um und versprüht das Ganze als Quasi-Dünger über seinem Acker.

Möge die Macht des Kuhhorns mit uns sein!

Ihr glaubt, ich will euch auf den Arm nehmen? Nein, ganz ehrlich, so machen die das. Und sie können sich auch dabei ganz konkret auf Rudolf Steiner berufen, der in seinem Düngungsfragen-Vortrag schreibt:

Sehen Sie, dadurch dass wir nun das Kuhhorn mit seinem Mistinhalt eingegraben haben, dadurch konservieren wir im Kuhhorn drinnen die Kräfte, die das Kuhhorn gewohnt war, in der Kuh selber auszuüben, nämlich rückzustrahlen dasjenige, was Belebendes und Astralisches ist.

Tja, so war er, der Rudolf Steiner, unser heutiges Geburtstagskind. 1924 hatte übrigens Kurt Tucholsky das zweifelhafte Vergnügen einem Vortrag Steiners beizuwohnen. Sein Kommentar hinterher:

Wenns mulmig wurde, rettete sich Steiner in diese unendlichen Kopula, über die schon Schopenhauer so wettern konnte: das Fühlen, das Denken, das Wollen – das ‚Seelisch-Geistige‘, das Sein. Je größer der Begriff, desto kleiner bekanntlich sein Inhalt – und er hantierte mit Riesenbegriffen. (…) Die Zuhörer schliefen reihenweise ein; dass sie nicht an Langeweile zugrunde gingen, lag wohl an den wohltätigen Folgen weißer Magie.

Na denn, gute Nacht.

Bildnachweis: Rainer Sturm / www.pixelio.de

11 Gedanken zu “Ein bisschen Hornmist zum Geburtstag

  1. „150 Jahre Rudolf Steiner – „Aber ich hab’ doch nichts davon gewusst!“

    (…) „Töne wie aus einer undichten Gummizelle!“

    „Töne wie aus einer undichten Gummizelle!“ sagt Harry Rowohlt über Rudolf Steiner. (…)

    Ist Rudolf Steiner psychisch krank? Wenn ja, wie lässt sich das feststellen? Wie wäre es damit, Steiner zu lesen? Unten ein link zu einem Vortrag Steiners, der unzweifelhaft rassistisch ist. Aber spannender als diese Feststellung ist die Frage, wie Steiner sein Programm „Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse“ begründet:

    Warum ist das so, Zitat Steiner: „Auf der einen Seite hat man die schwarze Rasse, die am meisten irdisch ist. Wenn sie nach Westen geht, stirbt sie aus. Man hat die gelbe Rasse, die mitten zwischen Erde und Weltenall ist. Wenn sie nach Osten geht, wird sie braun, gliedert sich zu viel dem Weltenall an, stirbt aus.“

    Besuchen Sie Steiner in seiner „Gummizelle“, seien Sie Zeuge von Steiners „Kampf zwischen Vorderhirn und Hinterhirn im Kopf“. Und sagen Sie bitte nicht mehr: „Aber ich hab’ doch nichts davon gewusst!“

    link zu: Rudolf Steiner, „Vom Leben des Menschen und der Erde – Über das Wesen des Christentums“, GA 349, Dritter Vortrag, Dornach, 3. März 1923“

    …………………………………………………………………………

    Der Original-Artikel der Ruhrbarone – mit allen links – hier:

    http://www.ruhrbarone.de/150-jahre-rudolf-steiner-–-„aber-ich-hab’-doch-nichts-davon-gewusst“/

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  2. Auf die Art, Christian, lässt sich jede Denkrichtung, Grundauffassung, Philosophie usw. „vergackeieren“. Ein Sachkommentar macht deshalb wenig Sinn – insbesondere wenn der notorische und krampfhafte Anthrogegner Lichte sich schon geäußert hat. Haben Sie denn trotzdem etwas VERSTANDEN? Jedenfalls würden Demeter-Betriebe nicht derartige Erfolge haben, wenn Sie die Quellen nicht auch ernst nehmen würden – gewiss: „Den Impuls von Steiner durchdringen und weiterentwickeln“. Bescheiden oder nicht, das ist doch genau die richtige Haltung

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  3. „Waldorflehrer werden! – am „Seminar für Waldorfpädagogik Berlin“

    Unser Gastautor Andreas Lichte war als Experte zur Waldorfschule beim Deutschlandradio Kultur zu Gast. In der „Zeitreisen“-Sendung „Die bessere Schule oder esoterischer Irrglaube?“ am 23.2.2011 berichtete er auch von seinen Erfahrungen während seiner Ausbildung zum Waldorflehrer am „Seminar für Waldorfpädagogik Berlin“. Hier eine Extended Version. (…)“

    weiter: http://www.ruhrbarone.de/waldorflehrer-werden-–-am-„seminar-fur-waldorfpadagogik-berlin“/

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  4. […] Harter Stoff für Bio-Fans, aber lesenswert. Bio-Produkte schmecken nicht besser, sind nicht gesünder, werden ebenfalls reichlich mit Giften bearbeitet, sind unnatürlich und verschwenden Ressourcen. Und Bio ist rückwärtsgewandt, frei von Innovation und nicht selten von magischem Denken begleitet – dass man bei Demeter auch im 21. Jahrhundert noch mit Mist gefüllte Kuhhörner vergräbt und ihnen irgendwelche Astralkräfte zuschwurbelt, kann man irgendwie schrullig finden oder – besser – als Aberglaube komplett ablehnen. Ich schrieb schon mal darüber. […]

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