Fisch und Fahrrad, Bank und Social Media

Was haben die meisten Deutschen gemeinsam? Sie haben ein Konto bei einer Bank. Und sie nutzen soziale Netzwerke. Beim einen oder anderen Entscheider in Banken könnte sich also ein gewagter Gedanke manifestieren: Warum nicht Social Media nutzen, um mit unserer Kernzielgruppe zu kommunizieren? Es vielleicht sogar besser, sympathischer, attraktiver machen als mancher Mitbewerber und damit den einen oder anderen vor allem jungen Kunden zum „Fan“ des eigenen Geldinstituts machen?

Diese Woche war ich zu Gast beim „Finance Future Forum“ in Frankfurt (s. Bild) und habe berichtet, wie und warum wir Social Media Guidelines eingeführt haben. Im Vorfeld hatte ich mich auf die Suche nach Banken im Social Web begeben – und war einigermaßen erstaunt, wie wenig sich da tut.

Social Media? Neumodisches Zeugs!

Der oben geschilderte Gedanke scheint manchen Banken noch nicht gekommen zu sein oder, auch nicht besser, er kam, wurde aber wieder verworfen. „Social Media? Neumodisches Zeugs, passt nicht zu unserer Premium-Marke …“ – so oder ähnlich stelle ich mir die Gedankengänge vor (und tue damit den Verantwortlichen in manchen Banken sicher furchtbar unrecht – sorry!). Das führt dann zu Urteilen von Experten wie diesem hier:

Obwohl Social Media in aller Munde ist, haben einige Banken die Wichtigkeit noch nicht erkannt. Deshalb gilt es für Banken jetzt, dies nachzuholen und allmählich Präsenz im Social Web zu entwickeln.

Dem kann man zustimmen. Nur das Wörtchen „allmählich“ würde ich schleunigst streichen. Das Jahr 2011 neigt sich seinem Ende zu und nicht wenige Banken wollen sich „allmählich“ mit den ehemals neuen Medien beschäftigen? Gute Güte!

Positive Überraschung: die Sparkasse

Dass es auch anders geht beweist – Überraschung! – die gute alte und oft unterschätzte Sparkasse, wie auch in Frankfurt bei einem munteren Vortrag deutlich wurde. Die Zeiten, in denen man die Sparkasse als altmodisch und uncool belächelt hat (ich erinnere nur an den wunderbaren Film Schtonk von Helmut Dietl, nie wurde das Wort „Sparkasse“ so herrlich herablassend und vernichtend ausgesprochen wie hier!), sind spätestens seit der Finanzkrise vorbei.

Heute sind tatsächlich fast 100 Sparkassen auf Facebook präsent, eine (in „Fans“ gemessen) erfolgreiche ist etwa die Sparkasse Köln-Bonn mit fast 5.000 „Fans“. Und wenn man sich die Seite ansieht, versteht man auch den Erfolg: gute Themenauswahl, schöne Aktionen, locker und unterhaltsam präsentiert, relativ viel Feedback und Interaktion. Die einzelnen Sparkassen haben weitgehend freie Hand, wie im Frankfurter Vortrag erklärt wurde, die Zentrale unterstützt mit Rat und Tat (zum Beispiel in Form von CI-Vorgaben).

Weit entfernt vom ehemals angestaubten Sparkassen-Image sind auch Aktionen wie „Giro sucht Hero„. Das für mich Entscheidende: Die Kampagne war nicht nur nett und viral, sie wurde auch professionell auf allen relevanten sozialen Kanälen gespielt – und war vor allem erfolgreich: Nicht nur weil soundsoviele tausend Klicks und Likes generiert wurden (eine wie wir wissen fragwürdige Währung). Sondern weil die Bereitschaft, den Anbieter des Girokontos zu Gunsten der Sparkasse zu wechseln, in der relevanten Zielgruppe nach der Kampagne um über 20 Prozent höher war als davor.

Commerzbank: Schweigen im Social Web

Und wie schaut es bei den vielen deutschen Privatbanken aus? Finster. Immerhin bei der Deutschen Bank tut sich etwas – man hat inzwischen eine Art Social Media Newsroom und beispielsweise eine deutschsprachige Facebook-Seite. Dort werden auch nicht nur Pressemeldungen gepostet, man redet mit den Nutzern und geht etwa auf kritische Beiträge geschickt und umsichtig ein. Aber die Seite hat keine 10.000 „Fans“, also nicht einmal doppelt so viele wie die Sparkasse Köln-Bonn. Wie viele Privatkunden hat die Deutsche Bank gleich nochmal? Ach ja, über 10 Millionen …

Commerzbank und Social Media? Das ist wie Fisch und Fahrrad. Keine Kunden-Kommunikation auf Facebook (nur ein Karriere- und eine etwas rätselhafte Optionsschein-Seite). Aus Gründen, die sich mir nicht erschließen, scheint die Commerzbank die sozialen Medien generell nur als Mitarbeiter-Gewinnungs-Instrument misszuverstehen, wie auf einer entsprechenden Seite deutlich wird. Auch online-affinen Kunden wie mir (seit Jahren Kunde der comdirect bank) wird keinerlei Angebot in den sozialen Medien unterbreitet. Aber da bin ich nicht allein: 11 Millionen deutsche Privatkunden werden in den sozialen Medien von ihrer Commerzbank angeschwiegen.

Die HypoVereinsbank ist der Commerzbank dagegen um Lichtjahre voraus und pflegt eine eigene Facebook-Seite – mit homöopathischen 500 „Fans“. Damit hat die HVB mehr Geschäftsstellen in Deutschland als Fans auf Facebook.

Banken tun sich schwer mit Social Media

Das Ganze scheint aber wirklich kein deutsches, sondern ein Branchen-Problem zu sein: „Banken tun sich schwer mit Social Media“, hat die NZZ heute geschrieben. Fazit:

Die Analyse der beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse oder des größten hiesigen Vermögensverwalters Julius Bär zeigt, dass deren Social-Media-Aktivitäten noch dürftig sind (…). Wieso zögern die hiesigen Banken die neuen Kommunikationskanäle zu besetzen, obwohl sie über große, gut bezahlte Kommunikationsabteilungen verfügen? (…) Die Institute sind gewohnt, die Kommunikation, die nach außen dringt, strikt zu kontrollieren. Das dezentrale Element von Social Media, das jeden Mitarbeiter zu einem potenziellen Massenmedium macht, weckt Ängste. Bankintern sind denn auch oftmals Dienste wie Twitter oder Facebook gesperrt. Die Banken fürchten sich wohl vor dem Verlust der Kontrolle …

Mein Fazit: Liebe Banken: Habt keine Angst vor uns, euren Kunden! Wir sind gar nicht so schlimm wie ihr denkt.

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13 Gedanken zu “Fisch und Fahrrad, Bank und Social Media

  1. Hat dieser Tage nicht jemand auf Twitter gefragt, was sich die Kunden von einer Bank in den Sozialen Netzwerken wünschen? Ich erinnere mich an viele Antworten mit dem gleichen Tenor: „Nichts! Ich will nicht mit meiner Bank twittern!“
    Die Unwissenheit, was ich von meiner Bank in sozialen Netzwerken haben könnte ist also groß.
    Aber mit kreativen Konzepten würde man ja Bedürfnisse auf Kundenseite wecken und befriedigen können. Funktioniert ja bei anderen Produkten auch :-)

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  2. Und wo ist hier die Fidor Bank AG München ??? (www.fidor.de).
    Siehe hierzu auch unter [Link gelöscht weil Ziel nicht mehr existiert, Anm. Admin]
    Die Fidor ist in meinen Augen die erste, richtige Social-Media-Bank. Auf Facebook jetzt am 24.11.2011 um 02:29 Uhr mit 1865 Fans. Hinzu kommen die Fans des Vorstandsvorsitzenden Matthias Kröner mit 508 Freunden auf Facebook und 1888 Followern auf Twitter.

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    • Ich freue mich über weitere Beispiele, gute wie schlechte. Ich bin sicher, es gibt auch viele fortschrittliche (vor allem kleinere) Banken. Mein erster Blick galt vor allem den großen, aber ich kann das Thema ja mal fortsetzen …

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    • Danke an Thomas Hillebrand für den Hinweis auf uns.

      Auch ein Zeichen unserer social media vernetzung.

      „Die Großen“, das ist in diesen Tagen ja ein relativer Begriff. Denn groß worin oder wobei. Was es braucht, sind neue, innovative und unbelastete Ansätze. Was neu ist kann per definitionem nicht groß sein. Um erfolgreich im web 2.0 (eher unsere Welt als die der social media) zu sein, muss man „transparent“ sein können und wollen. Wir alle können uns gerne die Frage stellen, inwiefern wir vermuten, dass die herkömmlichen Anbieter hierzu wirklich bereit sind. Abgesehen davon: Ein Facebook Profil ist noch lange keine social media Strategie, genauso wenig, wie eine iPhone APP keine Mobile Internet Strategie macht. Gerne wird übersehen, dass es eine erfolgreiche Integration der web 2.0 DNA in das Produkt selbst braucht, um wirklich web 2.0- oder social media-fit zu sein. Beispiele sind alle peer-to-peer- oder crowd-Ansätze. Auch dazu können wir uns gerne fragen, ob die „Großen“ das wollen oder dazu technisch in der Lage sind.

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  3. Im Bewusstsein mich sicherlich unbeliebt zu machen: Ich lehne jegliches Marketing über soziale Netzwerke ab. Auch wenn viele Menschen (zu) viel Privates offenbaren und somit Angriffspunkte für Geschäftemacher geben, glaube ich, dass der allergrösste Teil der Nutzer sozialer Netzwerke das ganze als Möglichkeit sieht mit Freunden und Bekannten in privaten Kontakt zu kommen oder zu bleiben. Ehrlich gesagt: Ich möchte da nicht (auch noch) belästigt werden. Sicher – die meisten geben ihre Zustimmung durch drücken eines „like“-Buttons oder der Bestätigung einer Freundschaftsanzeige, ob die Konsequenzen jeden so bewusst sind wage ich zu bezweifeln. Mir jedenfalls bedeutet es recht wenig, ob irgendwelche D-Prominenten der Hero vom Giro sind (Ausser dass ich mich darüber ärgere, dass diese Werbung sich sprachlich an Menschen richtet, die üblicherweise beim Reden ohne Präpositionen auskommen – aber was soll’s – sollen sie alle Sparkasse gehen).
    Das Medium beeinflusst eben auch stark die Qualität der Botschaft (hierzu eine Buchempfehlung: Neil Postman, Wir Amüsieren Uns Zu Tode)

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    • Na ja … Ist ja ein freies Land, also soll sich doch jeder selbst entscheiden, ob er mit einer Marke auf Facebook & Co. zu tun haben will oder nicht. Bei uns sind das über 5.000 Menschen, manche sind Fans, manche Kritiker. Die haben jedenfalls nicht alle aus Versehen auf „Gefällt mir“ geklickt … Man sollte den Leuten zumindest ein Angebot (!) machen, sich in sozialen Medien auszutauschen, das kann man dann annehmen oder nicht, jeder wie er will …

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      • Ja, ein freies Land, bei dem fast jeder seine Bank frei wählen kann. Die Social-Media-Aktivitäten der Sparkassen sind bestimmt kein Grund das Geschäftsverhältnis zu beenden, aber eine Bank würde bei mir nicht gerade Extrapunkte, wenn sie sich in Facebook, xyVZ o.ä. rumtreibt. (Da es sich bei Twitter ja immer noch um einen Microbloggingdienst handelt, sei das außen vor.)

        Ich bin von den meisten Werbeaktionen, die über Produktinformationen hinausgehen, bei Banken nicht sehr angetan. Banken haben einen gewissen Stellenwert und Platz in meinem Leben und der liegt in einer gänzlich anderen Ecke als Konsum.

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  4. Ich glaube, dass wenn man sich das Nutzerverhalten auf Facebook von Mitarbeitern in den verschiedenen Branchen analysieren würde, stieße man auch hier auf interessante Unterschiede. Zumindest ich habe die Erfahrung gemacht, dass Freunde die im Banking sind, nur relativ wenig oder gar mit Decknamen auf Facebook präsent sind. Die Gründe hierfür sind nur zu erahnen.

    Ich gehe davon aus, dass das Private nicht mit dem Geschäftlichen in Einklang gebracht werden kann. Das ist meiner Meinung nach sehr schade. Wer möchte sich denn schon jeden Tag auf der Arbeit verstellen müssen? Mich würde das traurig und depressiv machen. So wünsche ich allen Bankern einfach nur viel Glück im Umgang mit Social Media und dem was noch kommen wird. Wer sich nicht verstecken muss, ist klar im Vorteil! Das gilt natürlich auch für die genannten Finanzunternehmen in diesem Artikel!

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  5. Guter Beitrag, aber in einem Punkt ein bisschen einseitig – für mich sind die Sparkassen erst richtig in der Social Media Welt angekommen, wenn sie partizipative Formen der regionalen Kundenbeteiligung (Crowdfunding und Social Lending von Projekten am Ort) konsequent in ihr Portfolio integrieren, dann sieht man, ob es ihnen ernst ist mit der „finanziellen Basisdemokratie 2.0“.

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    • twittern alleine ist eben keine social media strategie – auch keine web 2.0 strategie… das muss wenn dann schon auch in den produkten und services aufgegriffen werden – so wie meister Lochmaier das auch beschreibt.

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