Corporate Social Media – hier spricht das Original!

Soziale Medien haben in der Unternehmenskommunikation bereits erhebliche Veränderungen herbeigeführt. Zwei zentrale Aspekte dabei sind: Kommunikation auf Augenhöhe und Authentizität. Das ist einerseits eine Revolution. Und andererseits auch wieder nicht …

Wie war das nochmal früher? So vor zehn, fünfzehn Jahren? Da gab es den Pressesprecher, der das „Frontend“ des Unternehmens zur Öffentlichkeit dargestellt hat. Es gab Meldungen und Verlautbarungen, Nachrichten und Stellungnahmen, außerdem natürlich Werbung, Anzeigen, bunte Prospekte und Marketing-Geblubber. Und es gab vor allem kaum einen Rückkanal, auf dem man als Nutzer, Interessent oder Kunde auf diese Äußerungen hätte reagieren können. Man konnte einen Brief ans Unternehmen schreiben, der vielleicht gelesen und noch vielleichter beantwortet wurde – Öffentlichkeitswirksamkeit null.

Kein Mensch will mit einem Hochhaus sprechen

Warum hätte sich in dieser Kommunikationslandschaft ein Verantwortlicher im Unternehmen die Frage stellen sollen, ob die Unternehmenskommunikation „authentisch“ sei? Und ob man mit seinen Kunden „auf Augenhöhe“ kommuniziere? Die Institution sprach, der Kunde durfte zuhören. Oder, siehe mein Artikelbild: Das Hochhaus sprach zum Menschen. Der Mensch konnte nicht mit dem Hochhaus sprechen. Ende der Geschichte.

Doch dann kam dieses Social Media Dings, anfangs in Unternehmen belächelt, heute viel diskutiert, gelegentlich angekommen und nicht selten nach wie vor eher als Bedrohung denn als Chance wahrgenommen.  Denn auf einmal kann der Mensch auch mit dem Hochhaus sprechen, und viele hören dabei zu. Besser gesagt: Er könnte, er will aber nicht. Wer will schon mit einem Hochhaus sprechen?

Gespräche von Mensch zu Mensch

Die simple Tatsache, dass mit den sozialen Medien ein öffentlichkeitswirksamer Rückkanal entstanden ist, zwingt Unternehmen also dazu, die Art und Weise, wie sie kommunizieren, zu verändern. (Es sei denn, sie wollen so nicht kommunizieren, was ich für keine besonders gute Idee halte, außer für Unternehmen, die künftig auch keine Kunden haben wollen.) Wer auf Augenhöhe kommunizieren will, muss darf sein Hochhaus verlassen und Gespräche von Mensch zu Mensch führen. Telekom hilft auf Twitter? Nein, einzelne Telekom-Mitarbeiter helfen, und ich weiß wie sie heißen und aussehen. Die Bahn redet mit mir auf Facebook? Nein, Individuen, die bei der Bahn arbeiten, beantworten meine Fragen. DATEV bloggt, um mal den Bogen zu meinem Arbeitgeber und beruflichen Beschäftigungsfeld zu schlagen? Nein, natürlich nicht, Hochhäuser können nicht bloggen, einige meiner Mitarbeiter und ich bloggen für DATEV.

Nur weil Unternehmen bloggen, twittern und facebooken, heißt das aber noch lange nicht, dass sie auf Augenhöhe kommunizieren. Denn Augenhöhe bedeutet: den Gegenüber ernst nehmen, an seinen Fragen und Gedanken wirklich interessiert sein, ihn wertschätzen. (Und es bedeutet nicht: immer seiner Meinung sein, ihm dauernd Recht geben, nie streiten.)  Es gibt auch in sozialen Medien jede Menge Schein-Kommunikation, die Augenhöhe nur vortäuscht, die Interesse am Gegenüber bestenfalls heuchelt, in Wahrheit aber nur Botschaften in die Welt posaunt, ohne das geringste Interesse an den Reaktionen zu haben. (Ich verweise da nochmal auf die „Und ihr so“-Fragen in in diesem schönen Vortrag, auf die ich hier schon mal verwiesen habe.) (Und übrigens ist das natürlich kein Phänomen, das mit Social Media in die Welt gekommen ist, oder wart ihr noch nie auf einer Party im Gespräch mit jemandem, dem ihr bald angemerkt hat, dass er zwar viel über sich redet, aber keinerlei Interesse an euch hat?)

Authentizität = grandiose Kakophonie?

Sobald sich ein Unternehmen dazu durchgerungen hat, echten Dialog auf Augenhöhe zu führen, stellt sich die schwierige Frage, wer nun was und wie kommuniziert. Klar ist: Wer es mit der Augenhöhe ernst mein, der wird authentisch sein müssen dürfen. Echt. Schein und Sein in Einklang. Keine Fassade, keine Show, keine Kommunikations-Roboter, sondern Originale. O-Töne im wahrsten Sinn des Wortes. Und warum ist das schwierig? Weil, um beim Beispiel DATEV zu bleiben, die unkoordinierten authentischen O-Töne der rund 6.000 Mitarbeiter eine grandiose Kakophonie ergäben. Es hatte und hat ja seinen guten Grund, dass es Pressesprecher gab und gibt, die mit einer Stimme für ihr Unternehmen gesprochen haben. Corporate Social Media bedeutet keinesfalls das Ende der integrierten, möglichst widerspruchsfreien Unternehmenskommunikation!

Wenn Menschen für Unternehmen in sozialen Medien authentisch kommunizieren, bedeutet das daher nichts anders als dass sie in ihrer Rolle als Mitarbeiter authentisch kommunizieren. Und das ist kein Widerspruch in sich. Ich muss nicht schizophren sein, um hier in meinem privaten Blog andere Akzente zu setzen als im DATEV-Blog, wenn ich dort im Auftrag meines Arbeitgebers kommuniziere. Dort gelten Themenplanungen, Sprachregelungen, Kommunikationsvorgaben und Guidelines, die im privaten Blog naturgemäß keine Rolle spielen. Das beschädigt die Echtheit der professionellen Kommunikation keineswegs, im Gegenteil, es ist Teil dieser Echtheit. Einem Unternehmen, das behauptet, alle Mitarbeiter dürfen im Namen des Unternehmens reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, würde ich nicht über den Weg trauen. Ich würde vermuten, dass es mir ein X für ein U vormacht und Authentizität nur vorspielt.

Social Media = Revolution der Kommunikation?

All das bedeutet zweifellos, ich wiederhole mich, eine erhebliche Veränderung der Unternehmenskommunikation. Aber wird das Rad durch Social Media in Unternehmen wirklich neu erfunden?

Denken wir mal kurz an einen Außendienstler, der sich nicht nur als Vertriebler, sondern als kundenverantwortlicher Mitarbeiter versteht. Er macht seit Jahren nichts anderes als das, worum wir Unternehmenskommunikatoren nun ringen. Er verlässt das Hochhaus, geht zum Kunden, redet mit ihm und nimmt ihn dabei ernst, was ihm nur gelingt, wenn er nicht als sprechende Unternehmenspuppe, sondern als „echter“ Mensch und Mitarbeiter auftritt.

Ähnliche Fragen innerhalb des Hochhauses

Nur am Rande bemerkt und demnächst mal zu vertiefen: Für Social Media im internen Unternehmenseinsatz dürfte ähnliches gelten wie oben für die externe Kommunikation beschrieben. Nur weil wir uns innerhalb des Hochhauses befinden, heißt das nicht, dass alle auf Augenhöhe und authentisch miteinander reden. Solange in hierarchischen Systemen Wissen als Macht angesehen wird und das Weitergeben oder Zurückhalten von Informationen der Festigung der Hierarchie dient, solange in solchen Systemen nicht wenige Beteiligte eher unechte Rollen spielen als sie selbst zu sein, gibt es auch hier erheblichen Veränderungsbedarf …

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Bildnachweis: Rainer Sturm, Stephan N. / pixelio.de

9 Gedanken zu “Corporate Social Media – hier spricht das Original!

  1. Lesenswerter Beitrag, Glückwunsch!
    Wenn ich noch einen Punkt ergänzen darf: Ich teile die Ansicht, dass ein twitternder Mitarbeiter nicht die Neuerfindung des Rades ist. Neu am Social Media Kommunikations-Mix ist, dass die One-Voice-Policy in externer Hinsicht vorbei ist. Intern kann man immer noch auf Q & A´s zurückgreifen, um eine Kakophonie einzudämmen. Der Außendienst-Mitarbeiter wird meistens loyal sein und die Sicht des Unternehmens einbringen.

    Neu ist aber, dass viele Leute (mit Fabs oder Followern) das Gesagte eines Pressesprechers kommentieren können. Diese Menschen, z.B. Blogger, haben oft andere Standards als professionalisierte Meinungsbildner früher (z.B. Journalisten). Heutige Meinungsbildner sind zum Teil auch von einem Problem und Thema selbst „betroffen“, Journalisten waren professionaliserte Beonachter,

    Viel Spaß bei der weiteren Diskussion!

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  2. Ich glaube viele Unternehmen haben noch nicht das richtige „Gefühl“ im Umgang mit den Usern! Aber ich bin mir sicher, da wird sich in der Zukunft noch einiges bewegen. Vor allem kleinere Unternehmen sehen noch nicht die Chancen, die mit Social Media, möglich sind!

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