Beschneidung und Indoktrination

Die ganze Republik diskutiert über die männliche Vorhaut bzw. deren Entfernung. Die zentrale Frage dabei lautet: Wiegt die Religionsfreiheit schwerer als das Recht von Kindern auf körperliche Unversehrtheit? Und, wo wir schon dabei sind: Was ist mit deren geistiger Unversehrtheit? Ein Gastbeitrag von Markus Deserno*

Am 7. Mai dieses Jahres hat das Landgericht Köln rechtskräftig festgestellt (Az. 151 Ns 169/11), dass die religiöse Beschneidung kleiner Jungen den Tatbestand der einfachen Körperverletzung erfüllt. Der von der Staatsanwaltschaft Köln angeklagte Arzt wurde zwar freigesprochen, da er sich angesichts der bis dahin unklaren Rechtslage in einem „unvermeidbaren Verbotsirrtum“ befand, doch Pandoras Büchse war nun offen: Das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit wiegt schwerer als das Recht der Eltern auf freie Religionsausübung, zumal der Eingriff dauerhaft und irreparabel sei, und es den Eltern zuzumuten sei zu warten, bis das Kind alt genug ist, um sich selbst zu entscheiden, so das Gericht. Der Präsident der Bundesärztekammer, Ulrich Montgomery, hält dieses Urteil für „unbefriedigend“ und „gefährlich“, rät aber im Zuge dieser neuen Rechtsprechung Ärzten davon ab, religiös begründete Beschneidungen vorzunehmen.

Spannende Rechtsgüterabwägungen

Praktisch jeder Rechtsfall, in dem nicht „Gut gegen Böse“ verhandelt wird, endet in einer Rechtsgüterabwägung. Selbstverständlich können verschiedene Rechte miteinander in Konflikt geraten, und dann muss entschieden werden, welches wichtiger ist oder welche Partei größeren Schutz bedarf. Das Recht, meine Faust auszustrecken, endet an der Nase meines Gegenüber. In einem vollbesetzten Theater aus Spaß „Feuer!“ zu schreien, ist nicht durch die freie Meinungsäußerung gedeckt.

Aber nicht immer ist es so einfach. Darf man zum Beispiel einen geständigen Entführer foltern (oder ihm Folter zumindest androhen), damit er den Aufenthaltsort seines noch nicht aufgefundenen Opfers preisgibt, das möglicherweise gerade in irgendeiner Baracke verhungert? Schwierige Rechtsgüterabwägungen sind spannend, denn sie erlauben einen tiefen Einblick in das moralische Empfinden der beteiligten Personen und legen das Ethikverständnis einer Gesellschaft oder ihrer Politiker offen.

Seltene überkonfessionelle Einigkeit

Erwartungsgemäß haben sich die Religionen zuerst zu Wort gemeldet, allerdings mit einer selten gesehenen überkonfessionellen Einigkeit. Proteste seitens muslimischer und jüdischer Verbände sind verständlich, sind sie doch direkt betroffen. Dennoch schießen einige Kritiker mit maßlos großem Kaliber, so z.B. die Konferenz Europäischer Rabbiner, die das Urteil „als schwersten Angriff auf jüdisches Leben in Deutschland seit dem Holocaust“ bezeichnet.

Dass sich auch die katholische Kirche einmischt, mag zunächst verwundern. Der Vorsitzende der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz, Bischof Heinrich Mussinghoff, äußerte sich so: „Das Urteil des Kölner Landgerichts zur Beschneidung von Jungen ist äußerst befremdlich, weil es der grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit der Eltern und ihrem Erziehungsrecht in keiner Weise gerecht wird. Der Gegensatz zwischen dem Grundrecht auf Religionsfreiheit und dem Wohl des Kindes, den die Richter konstruieren, vermag in diesem Fall nicht zu überzeugen.“

Kinder gehören nicht ihren Eltern

Das Gericht hat die Seite des objektiv Schwächeren, nämlich des wehrlosen Kindes, gestärkt, und damit einmal mehr bekräftigt, dass Kinder nicht ihren Eltern gehören. Die völlig einseitigen und teils polemisch überzogenen Reaktionen aus den Religionsgemeinschaften, die einzig die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern betonen, werden deshalb z.B. von der Deutschen Kinderhilfe zu Recht und mit Sorge kritisiert.

Was die Verteidiger der Religionsfreiheit darüber hinaus aber auch geflissentlich übersehen ist, dass eine Beschneidung ja nicht nur das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit verletzt, sondern obendrein auch dessen ureigene Religionsfreiheit. Ich habe das Recht, mir meine Religion auszusuchen, aber darf ich auch die Religion meines Kindes aussuchen? Ist das per Erziehungsauftrag abdedeckt und legitimiert? Machen wir uns nichts vor: Auch dies ist de facto „dauerhaft und irreparabel“. Ein Muslim kann z.B. die Gretchenfrage nicht plötzlich anders beantworten, denn auf Grundlage von Hadithen (Überlieferungen zum Leben Mohammeds) und Idschmāʿ (herrschende Meinung unter islamischen Religionsgelehrten) ist ein Abfall vom Islam mit der Todesstrafe zu ahnden (oder kann zumindest zivil- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen).

Aufklärung vs. orthodoxe Lebenswirklichkeit

Dass wir in Deutschland über solch drastische Implikationen metaphysischer Fragen eher schmunzeln, ist dem erfolgreichen Kampf säkularer Ideen seit der Aufklärung gegen erbitterte Widerstände seitens der Religionen (hier zumeist der christlichen Tradition) zu verdanken – aber es macht uns auch blind gegenüber der gefühlten Lebenswirklichkeit orthodoxer Gläubiger.

Nur am Rande sei deshalb bemerkt, dass wir uns aus genau diesem Grund auch nicht vorstellen können, dass tief empfundene Religiosität einen Muslimen dazu treiben kann, ein Flugzeug in einen Wolkenkratzer zu steuern, und dass uns deswegen die Theorie der westlichen ökonomischen Unterdrückung der muslimischen Länder viel plausibler erscheint – trotz der Tatsache, dass die meisten Muslime wohl eher von ihren eigenen Machthabern unterdrückt werden, und dass sämtliche Täter der Anschläge vom 11. September 2001 zur Oberschicht gehörten.

Es geht um die Existenz der Religionen

Wenn Bischof Mussinghoff das Recht der Eltern, ihre Kinder im Rahmen der ihnen eigenen Religion und deren Ritualen zu erziehen, als wichtigeres Gut verteidigt, dann trifft er damit genau den Kern der Debatte. Letztlich geht es nicht um ein Stückchen Haut (das laut WHO etwa 30% der männlichen Weltbevölkerung fehlt, und dessen Entfernung eine Reihe medizinischer Vorteile hat, gerade in Zeiten von AIDS). Es geht auch nicht um die Frage, wie weit Toleranz vor religiösen Ritualen gehen muss, auch wenn solch eine Debatte in Zeiten zunehmender Polarisierung immer unausweichlicher und nötiger wird.

Ich denke, es geht den Religionsvertretern um nichts weniger als um ihre Existenz (was wohl auch erklärt, warum führende Politiker sich so schnell auf Ihre Seite gestellt haben). Wenn die herrschende Rechtssprechung sich tatsächlich dahingehend entscheidet, die körperliche Unversehrtheit der Kinder über die Religionsfreiheit der Eltern zu stellen, dann, so schweigt Mussinghoff vielsagend zwischen den Zeilen, könnte dasselbe ja irgendwann auch für die geistige Unversehrtheit gelten.

Im Klartext: Kinder sind ja nicht nur körperlich wehrlos, sondern auch intellektuell. Dass Kinder praktisch ausnahmslos die Religion der unmittelbaren Gemeinschaft annehmen, in der sie heranwachsen, hat einen viel größeren Einfluss auf den Fortbestand einer Religion als die Überzeugungskraft aller ihrer heiligen Bücher zusammen, und folglich kämpfen alle Religionen um möglichst frühen, ungestörten, und allumfassenden Zugriff auf Kinder. Dass dies untergraben werden könnte, ist das Schreckgespenst, das derzeit alle Religionen zur unheiligen Allianz treibt.

Evidenzfreie Einseitigkeit

Nun kann aber auch ein säkularer Gesetzgeber empirisch zur Kenntnis nehmen, dass metaphysische Fragen für gläubige Menschen immense praktische Konsequenzen in diesem oder dem nächsten Leben haben. Im Lichte dieser Beobachtung muss es demnach unweigerlich befremdlich erscheinen, wenn Religionsvertreter heranwachsenden jungen Menschen bei der vermeintlich wichtigsten metaphysischen Entscheidung ihres Lebens mitnichten helfen.

Statt sie mit den wesentlichen religiösen Ideen der Menschheit bekannt zu machen, damit sie auf Basis einer umfangreichen Faktenlage die beste Entscheidung für sich treffen können (wie es z.B. der Philosoph Daniel Dennett fordert), indoktrinieren erziehen sie die Kinder ausnahmslos in der ihnen eigenen Religion, und wollen diese evidenzfreie Einseitigkeit als Grundrecht der Eltern verteidigen und notfalls einklagen.

Alle Seiten ohne Werturteil

In den USA (aber nicht nur dort) fordern Kreationisten (aber nicht nur solche) seit geraumer Zeit, im Biologieunterricht neben der Evolutionslehre auch die Schöpfungsgeschichte zu behandeln, da es – so das Argument – ernsthafte Kontroversen in dieser Frage gibt, die man den Kindern nicht vorenthalten dürfe, und deswegen sei es nur fair, beide Seiten ohne Werturteil zu präsentieren.

Dass Kreationisten irgendetwas in der Hand haben, das einer wissenschaftlichen Theorie der Entstehung der Arten auch nur entfernt nahekommt, ist ein penetrant verbreiteter Mythos; und der Biologieunterricht ist dort wohl auch nur ein Notnagel, denn in den USA gibt es (beachtlicherweise!) keinen Religionsunterricht an staatlichen Schulen. Aber warum nicht erst mal im eigenen Wirkungsbereich Fairness walten lassen? Wie lange muss ich warten, bis Deutsche Bischöfe z.B. vorschlagen, dass im katholischen Religionsunterricht auch Luther angemessen repräsentiert wird? Oder Mohammed? Oder Shiva?

Doch das ist eine andere Geschichte, und soll ein andermal erzählt werden.

*Markus Deserno ist Professor für Physik an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh (und ein guter alter Freund von mir).

Bildnachweis: Carlo Schrodt / pixelio.de

18 Gedanken zu “Beschneidung und Indoktrination

  1. … Respekt, – ein Physiker mit einer enormen Differenziertheit in Kultur- und Religionsfragen.
    Ich dachte, ihr habt alle(!) Fragen über das „Gottesteilchen“ nun endlich geklärt ;-)

    xxxHoffe, dass geht bei Dir als Humor durchxxxxxxxxxxxxxxxx

    Inhaltlich kann ich kaum noch etwas ergänzen, außer vielleicht einen Aspekt, der bestimmt auch andere Rechtsfragen stellt: Wenn „Gewohnheitsrechte ohne Kläger bleiben“ … und nach tausenden von Jahren dann plötzlich doch noch Kläger auftauchen.

    Das nun auch die Katholischen nervös werden, wußte ich gar nicht. Das zeigt aber, dass die Frage viel grundsätzlicher ist, die in medialer Oberflächlichkeit oft als „jüdisch/moslemische Frage“ adressiert wird. Und genau das hat sich jetzt schon gerächt: Der Bundestag wird demnächst klar stellen, dass die Beschneidung auch im jüdischen Glaubenskontext erlaubt bleibt. Politisch kann es kann es gar nicht anders sein, was erste Äußerungen auch schon nahe legen. Das ist deshalb schade, weil die Debatte so vielschichtig ist wie der Beitrag oben und nun bald aus dem Fokus verschwinden wird …

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  2. Sorry, aber ich kann die Einschätzung der „enormen Differenziertheit“ nicht teilen. Mich stört neben intellektuell-polemischen Schwächen auch so manche Fehlinterpretation.

    „Wiegt die Religionsfreiheit schwerer als das Recht von Kindern auf körperliche Unversehrtheit?“

    Religionsfreiheit umfasst nicht nur Freiheit von Religion(n), sondern auch Freiheit zu Religion(en). Das Landgericht sowie die vorherrschende Rezeption in Blogs sowie in Zeitungen hebt vornehmlich auf „Freiheit von Religion(en)“ ab und damit auf die sogenannte negative Religionsfreiheit. Die Frage, die sich stellt ist, hat ein muslimisches oder jüdisches Kind ein Recht auf die eigene Religionsfreiheit und zwar sowohl „von“ als auch „zu“.

    „Tatbestand der einfachen Körperverletzung“

    Darüber hatte das Landgericht nicht zu entscheiden, sondern darüber, ob es eine strafbare Körperverletzung ist.

    „Schwierige Rechtsgüterabwägungen sind spannend, denn sie erlauben einen tiefen Einblick in das moralische Empfinden der beteiligten Personen und legen das Ethikverständnis einer Gesellschaft oder ihrer Politiker offen.“

    Schade, dass hier die moralische Keule dazu kommt. Damit verliert der an vielen Stellen eigentlich ganz gute Artikel deutlich an Qualität.

    „maßlos großem Kaliber“

    So groß ist das Kaliber denn nicht, wenn man weiß, dass das Beschneidungsverbot nach jüdischer Lesart bereits einer der Gründe für den Bar Kochba Aufstand im zweiten Jahrhundert war (auch wenn es wissenschaftlich umstritten ist). Man muss aber nicht soweit zurückgehen: gesetzlich verfügte Beschneidungsverbote gingen oft Hand in Hand mit antijüdischen Einstellungen. Auch wenn diese sicher in der derzeitigen Debatte bei den wenigsten das Motiv ist: Die jüdische Geschichte ist untrennbar damit verbunden und wird sozusagen aus dem eigenen religionshistorischen Gedächtnis „abgerufen“. Das erklärt sicher auch die Reaktionen seitens der jüdischen Religionsvertreter. Ob es übrigens „maßlos“ ist, ist dann doch eher eine persönliche Einschätzung und würdigt die Reaktionen der Religionsvertreter meiner Ansicht nach über Gebühr herab.

    „grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit der Eltern und ihrem Erziehungsrecht in keiner Weise gerecht “

    Damit hat er absolut Recht, denn das Landgericht hat in seiner Rechtsgüterabwägung vor allem auf Freiheit von Religion(en) abgestellt und dieser nicht das Recht des Kindes auf Freiheit zu Religion entgegengesetzt.

    “ Ich habe das Recht, mir meine Religion auszusuchen, aber darf ich auch die Religion meines Kindes aussuchen? Ist das per Erziehungsauftrag abdedeckt und legitimiert? … Auch dies ist de facto ”dauerhaft und irreparabel”.

    Zu „dauerhaft“ und der Religionswahl für das Kind seitens der Eltern: Ich hoffe, der Verfasser der Zeilen ist dann vor allem auch gegen die Taufe. Entgegen landläufiger Meinung kann man das Christentum nach vollzogener Taufe ebenfalls nicht verlassen, sondern nur die Kirche, die die Taufe vollzogen hat. Jude oder Muslim wird man hingegen durch Geburt. Die Beschneidung ist ein Übergangsritus, kein Eingangsritus.

    „Idschmā‘ (herrschende Meinung unter islamischen Religionsgelehrten) ist ein Abfall vom Islam mit der Todesstrafe zu ahnden (oder kann zumindest zivil- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen).“

    Idschma ist nicht die herrschende Meinung, sondern bezeichnet einen „Konsens der relevanten Rechtsgelehrten“. Dieser Konsens kann sich auch auf eine Gruppe ‚relevanter‘ Rechtsgelehrter beziehen. Die Frage, was das genau bedeutet, sowie wie er zustandekommt ist in den islamischen Rechtsschulen sehr umstritten, inkl der Frage, welches denn „die relevanten“ Rechtsgelehrten sind. Schade übrigens, dass hier nicht die Meinungen von Rechtsgelehrten aus der Reformbewegung auftauchen, da gibt es durchaus auch einen Konsens.

    „Dass wir in Deutschland eher schmunzeln“

    Ich fände es ja besser, wenn man nur von sich sprechen würde, als hier ganz Deutschland einzubeziehen.

    „Aufklärung vs. Orthodoxe Lebenswirklichkeit“

    Schade, dass hier statt sich mit der Lebenswirklichkeit auseinandergesetzt wird, die Anschläge vom September 2011 herangezogen werden. Dass der Aufklärung Selbstmordattentate als orthodoxe Lebenswirklichkeit entgegen gesetzt werden, finde ich denn schon etwas arg gewagt.

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    • Dieser Kommentar ist fast länger als der Artikel… Aber dafür sehr deutlich.

      Ich bin mehr ein ausstehender Beobachter dieser Diskussion, auch wenn ich das Gerichtsurteil für „okay“ halte.

      Ich finde es sehr interessant, wie viele verschiedene Meinungen sich aufgrund der selben Tatsachen, Gesetzte bilden. Denn das Recht auf körperliche Unversertheit ist unantastbar. Ich kann gar nicht verstehen, warum man dieses Thema solange und breit diskutieren muss.

      Aber das ist halt wieder so…

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  3. Danke Ako, ich finde auch, die Dinge müssen noch genauer angesehen werden und gerade das erklärt dann auch, weshalb die drei abrahamistischen Religionen hier so einmütig sind.

    Gen 17,10 ff meint dazu:

    10Das ist mein Bund zwischen mir und euch samt deinen Nachkommen, den ihr halten sollt: Alles, was männlich ist unter euch, muss beschnitten werden.

    11Am Fleisch eurer Vorhaut müsst ihr euch beschneiden lassen. Das soll geschehen zum Zeichen des Bundes zwischen mir und euch.

    12Alle männlichen Kinder bei euch müssen, sobald sie acht Tage alt sind, beschnitten werden in jeder eurer Generationen, seien sie im Haus geboren oder um Geld von irgendeinem Fremden erworben, der nicht von dir abstammt.

    13Beschnitten muss sein der in deinem Haus Geborene und der um Geld Erworbene. So soll mein Bund, dessen Zeichen ihr an eurem Fleisch tragt, ein ewiger Bund sein.

    14Ein Unbeschnittener, eine männliche Person, die am Fleisch ihrer Vorhaut nicht beschnitten ist, soll aus ihrem Stammesverband ausgemerzt werden. Er hat meinen Bund gebrochen.

    Die Aufklärung setzt hier also ihre Argumentation letztlich an. Bis zur Mündigkeit darf nicht einem Unmündigen die Vorhaut beschnitten werden. Also nur Mündige dürfen den Bund mit Gott eingehen. Die im Haus Geborenen – da steht kein Alter – und die für Geld Erworbenen, das sind die Sklaven – die hat man offenbar inzwischen abgeschafft.
    Vielleicht kann man ja mit dem Gott verhandeln – bei den acht Tagen – die sind ja nur symbolisch gemeint – wie die acht Tage der Schöpfung. Was sind schon acht Tage bei Gott – 18 Jahre vielleicht bei den Menschen. Das müsste doch mit der Kunst der Thora-Auslegung zu regeln sein.

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    • Liebe(r) Aiko,

      Die Unbeholfenheit mit der religiöse Apologetik versucht Elefanten wegzuzaubern fasziniert mich jedesmal aufs Neue. Ist es nicht erstaunlich, wie detailverliebt Gott die genauen Einzelheiten eines rituellen Blutsopferbundes festlegt, während er im Vorbeigehen die Existenz und das Weiterbestehen von Sklaverei implizit duldet? Es sind grelle Inkongruenzen dieser Art die mich daran zweifeln lassen, ob die Bibel wirklich das beste jemals zum Thema Moralität verfasste Buch ist. Doch das ist ebenfalls eine andere Frage…

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  4. @Ako: Mir wird nicht klar, worauf du eigentlich hinaus willst. Du kritisierst zwar den Beitrag, nennst aber keine Alternativen. Also: Was ist deine Position? Alles so lassen, wie es ist? Das würde ich dann für eine intellektuelle Schwäche halten, die du anderen vorwirfst (oder eher: unterstellst). Und noch ein Hinweis: Das ist ein Blog, kein Lexikon. Selbstverständlich gibt es hier persönliche Einschätzungen zu lesen. Wenn du etwas anderes erwartest („… ist dann doch eher eine persönliche Einschätzung …“), bist du hier falsch.

    @Aiko: Auweia.

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  5. … Leider gibt es keinerlei Anlass zur Hoffnung, dass unsere Politiker sich auch nur annähernd seriös und differenziert mit der Angelegenheit beschäftigen. Statt dessen Reflexe wohin man schaut. Der Regierungssprecher: „Die Beschneidung aus religiösen Gründen, wie sie etwa im Judentum praktiziert wird, müsse straffrei bleiben.“ Besonders rätselhaft äußert sich mal wieder Familienministerin Schröder: Sie ist „der Überzeugung, dass verantwortungsvoll durchgeführte Beschneidungen von Jungen, die dem Kindeswohl Rechnung tragen, in Deutschland möglich sein müssen“. Wie eine religiös motivierte Beschneidung dem Kindeswohl Rechnung trägt, bleibt ihr Geheimnis. (Zitate hier: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeskanzlerin-merkel-warnt-vor-beschneidungsverbot-a-844671.html) Aber ehrlich, wer hat anderes erwartet?

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  6. @Christian:

    Diese Reflexe kommen leider von allen Seiten, umso wichtiger finde ich, dass klar ist, wovon man redet. Letztlich gehört das für mich zur Rechtsgüterabwägung dazu. Darum ging es mir auch in meinem Kommentar. Intellektuelle Schwäche habe ich nun nicht auf der persönlichen Ebene, gleichwohl finde ich den Artikel nun einmal an den aufgezeigten Stellen nun einmal schwach.

    Ich denke übrigens, dass keine wie auch immer geartete gesetzliche Vorgabe eine Lösung sein wird. Die Religionsgeschichte zeigt, dass sich Religionen und Rituale im Laufe der Geschichte ändern, z.B. durch Neuinterpretationen, jedoch nicht durch gesetzliche Vorschriften und natürlich nicht, indem man – wie die gläubigen Menschen (wie derzeit auf den meisten Kanälen zu lesen) beschimpft.

    Was mich persönlich ärgert, ist das weitgehende Schweigen derjenigen, die sich wissenschaftlich mit den angesprochenen Religionen beschäftigen. Hier hätte ich mir einige Klarstellungen über interreligiöse Zusammenhänge und Symbolwirkungen gewünscht, aber die müssen anscheinend erstmal eine Arbeitsgruppe gründen oder so etwas.

    @Aiko:

    Ich habe leider den Kommentar nicht verstanden. Die Altersangabe steht ja nun klar drin, ob es da Interpretationsspielraum gibt, müssen die Religionsgelehrten – in dem Fall die jüdischen – entscheiden und ausdiskutieren.

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  7. Petition gegen rituelle Beschneidung
    20. Juli 2012

    Text der Petition

    Der Deutsche Bundestag möge beschließen, Personensorgeberechtigten jede rituelle, medizinisch nicht indizierte Beschneidung eines Jungen (Zirkumzision) oder eines Mädchens (nach der Typisierung der World Health Organisation die FGM vom Typ I, II, III, IV) im Hinblick auf die Verwirklichung der körperlichen Unversehrtheit des Kindes oder Jugendlichen bis zu dessen Volljährigkeit zu untersagen. Um dem Individuum die Option auf ein Leben mit unversehrten Genitalien und mit der Option auf eine selbstgeschriebene Biographie zu ermöglichen, insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung, ob eine lebenslange Sexualität mit oder ohne Präputium (Junge) oder Klitorisvorhaut (Mädchen) verwirklicht wird, möge der Bundestag beschließen, in das Bürgerliche Gesetzbuch Buch 4 Familienrecht Abschnitt 2 Verwandtschaft Titel 5 Elterliche Fürsorge § 1631 Inhalt und Grenzen der Personensorge einzufügen:

    § 1631d
    Verbot der rituellen Genitalmutilation

    Die Eltern können nicht in eine rituelle, medizinisch nicht indizierte Beschneidung ihres Sohnes (Zirkumzision) oder ihrer Tochter (nach der Typisierung der World Health Organisation die FGM vom Typ I, II, III, IV) einwilligen. Auch das Kind selbst kann nicht in die Beschneidung einwilligen. § 1909 findet keine Anwendung.

    http://eifelginster.wordpress.com/2012/07/21/297/

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  8. Ein höchstnotwendiger Artikel,
    denn er stellt das Erziehungsrecht auf den Prüfstand.
    Gibt das Erziehungsrecht den Eltern das Recht,
    ihrem Kinde ohne Not eine Zehe abschneiden zu lassen.
    Ich meine: nein.
    So, wenn die Zehe nicht, dann die Vorhaut schon gar nicht.
    Das Wegschneiden der Vorhaut ist ein
    Einschnitt in den empfindlichsten Teil des Menschen,
    nämlich seine Sexualität, und das körperlich, seelisch und geistig,
    siehe
    http://www.beschneidung-von-jungen.de/home/betroffene/beschneidungsbetroffene/nur-eine-ganz-normale-beschneidung.html
    Meiner Meinung nach gehört das Wegschneiden der Vorhaut verboten,
    ausgenommen es liegt ein schwerwiegender gesundheitlicher Grund vor.
    Wenn eine Religion das Wegschneiden eines Körperteils bei Kindern fordert,
    so gehört diese Religion auf den Prüfstand, siehe
    http://home.pages.at/goedhe/GOD_Deutsch/Zukunft/2069FaqD/2069FaqD_Erzieh.html#Religion
    Auch die Überlegungen im Artikel
    zur geistigen Unversehrtheit des Kindes sind höchstnotwendig.
    Kinder in eine religiöse Gedankenwelt hineinzuzwingen,
    ist eine geistige Verstümmelung,
    die manchmal auch seelische Qual hervorruft.
    Ein ‚Stellvertreter Gottes‘ hat uns Kindern die ‚ewige Strafe in der Hölle‘
    unziemlich drastisch ins Gehirn eingeprägt.
    Als Kind hat mir die Möglichkeit, zu ewigem Leiden verdammt werden zu können, sehr aufs Gemüt gedrückt – ich erinnere mich heute noch daran –
    – wahrscheinlich habe ich als Kind die Ungeheuerlichkeit ewigen Leidens
    besser begriffen als der ReligionsLehrer als Erwachsener.
    Ich habe einige Jahre gebraucht, diesen Albtraum loszuwerden
    und mir selbst klarzumachen, dass ein so ungeheuerlich wahnsinnig überzogenes Strafmaß nur
    das Gehirn eines Wahnsinnigen erfinden kann –
    oder das Gehirn eines Machtgierigen, siehe
    http://members.aon.at/goedheinz/GOD_Deutsch/Zukunft/2069Buch/2069D_13.html#Religion%20und%20Weltanschauung

    Nicht nur der Körper,
    auch Seele und Geist des Kindes müssen geschützt werden:
    ich trete daher ein für einen Ethik-Unterricht,
    in dem ein Konfessionsloser die wichtigsten Welt-Ethiken
    den Kindern zur Diskussion stellt.
    Der Eintritt in eine Religionsgemeinschaft darf
    nicht die Entscheidung der Eltern, sondern muss eine
    willentliche Entscheidung des mündigen Menschen sein.

    PS.: Leider kann ich als Österreicher die obige Petition nicht unterschreiben!

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  9. In meinem Beitrag vom 31. Juli 2012 trete ich für ein
    ‚Verbot der Beschneidung von Kindern‘ ein.
    Ich habe dabei einen Einwand übersehen:
    Bei einem Verbot könnten sehr religiöse Eltern
    ihre Kinder im Hinterzimmer von einem Quacksalber beschneiden lassen –
    was für die Kinder möglicherweise noch schlimmer wäre.
    Als möglichen Ausweg ist mir bis jetzt nur eine ‚mittelalterliche‘ Idee eingefallen.
    Neben dem Verbot noch die Möglichkeit eines „Gottes-Gerichtes“ –
    – ein „Gottes-Gericht“ können religiöse Menschen ja kaum ablehnen -:
    z.B. der Vater würfelt mit einem gezinkten Würfel,
    bei 1 wird das Kind beschnitten, sonst nicht.
    Der Würfel ist so gezinkt, dass 1 nicht möglich ist –
    einen religiösen Menschen dürfte das nicht stören,
    denn für Gott ist ja nichts unmöglich.
    Ich bin mir zu 99.99% sicher, dass dann kein Kind beschnitten wird
    und die religiösen Eltern können sich und den anderen sagen, dass Gott es so gewollt hat.
    Das ganze könnte so ablaufen wie früher der „Eid vor dem Kruzifix“.
    Verrückt ? Ja, aber das wird man, wenn man eine Lösung für religiöse Taditionen sucht.
    Besser wäre natürlich, wenn die religiösen Führer überzeugt werden könnten, von der Beschneidung der Kinder abzurücken,
    aber das ist wahrscheinlich nicht möglich.

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  10. Es ist wirklich interessant, wie sehr sich bei dem Thema aufgeregt wird, während andere „Kinder-Themen“ wie Kinder-Arbeit bei der Kakao-oder Orangenernte, krankmachende Weichmacher in fast jedem Spielzeug oder Mästung vieler kleiner Kinder mit dauerhafter, auch psychischer Schädigigung, immer schnell wieder unter den Tisch gekehrt werden.
    Was ist denn übrigens das für eine Utopie: „Ethikunterricht durch Konfessionslose“, dann sollten aber auch Chemiker nicht Physik unterrichten und – Spaß beiseite, aber eine ehrliche Auseinandersetzung mit aktuellen und geschichtlichen gesellschaftlichen, moralischen und religiösen Themen ist auch den Angehörigen einer Religion möglich, die sind nicht alle erzkonservative Katholiken uns Islamisten! Das wäre umgekehrter Dogmatismus.
    Hier scheint der Umgang mit den Religionen und den Kirchen etwas verkrampft, daher:
    Bleibt bitte Open-Minded!
    P.S.: Meine Tochter hat übrigens bei den ersten Impfungen, die gleich am ersten Lebenstag anfangen, furchtbar geschrieen und danach tagelang auf jedem Wickeltisch gebrüllt!
    P.P.S.: Es gibt wenige erfahrene Frauen, die Beschneidung schlecht finden, mal nachgefragt?;)

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