Die gute Fee im Sparda-Wunderland

Der Grad zwischen Inszenierung und Authentizität, zwischen viralem Sog und exorbitanter Peinlichkeit ist schmal im Social Web. Das kann man leider wieder einmal an einem aktuellen Beispiel sehen …

Diesmal hat es die Sparda Bank (deren Kunde ich bin) „erwischt“ beim gut gemeinten Versuch, ein Recruiting-Video zu drehen. Wer diesen Blog öfter liest, weiß, dass es mir nicht darum geht, besserwisserisch und schadenfroh auf die Kommunikations-Fehler anderer hinzuweisen – wir alle schießen mal einen Bock. Aber das hier ist schon ein starkes Stück im Social Web des fortgeschrittenen Jahres 2012:

Aus gegebenem Anlass muss ich nochmal auf meinen Blog-Beitrag Social Media: Zwischen Authentizität und Stilisierung hinweisen. Da hab ich doch schon alles gesagt. Damals ging es um die rappenden BMW-Praktikanten und die Frage, warum dieses Video so schrecklich ist:

Der eigentliche Grund ist die Überstilisierung. (…) Hier ist nichts authentisch, alles Klischee. Der Umstand, dass “normale Menschen” plötzlich anfangen zu singen und so tun, als wäre es das Normalste der Welt, wird nur in wenigen medialen Kontexten vom Publikum akzeptiert – lasst euch das von einem Freund der italienischen Oper gesagt sein.

Jetzt also nochmal in Kurzfassung, ein für allemal: BITTE NICHT SINGEN!, liebe Unternehmen! Ja, macht tolle, hippe, virale Videos, einverstanden. Aber wenn euch jemand vorschlägt: Hey, wäre es nicht cool, wenn wir im Video unsere Mitarbeiter auch noch singen lassen: Sagt NEIN!!! UND SCHREIBT EUCH DAS HINTER DIE OHREN, DAMIT ICH DAS NICHT NOCH DREIMAL BLOGGEN MUSS!!!!!

Seid statt dessen authentisch. Nehmt euch ein Beispiel an anderen Unternehmen wie Krones, die ihre Mitarbeiter ebenfalls in Videos inszenieren, aber clever und sympathisch, so professionell, dass man die Professionalität der Inszenierung gar nicht bemerkt, sondern das Unternehmen einfach nur gut findet.

20 Gedanken zu “Die gute Fee im Sparda-Wunderland

  1. Du solltest nicht unerwähnt lassen, dass der Beitrag im Rahmen eines Azubi-Awards der Frankfurt School of Finance & Management entstand, der a) Zielsetzung einen Film über den Beruf Bankkaufmann/Bankkauffrau zu drehen und zu beweisen, dass er weder Spießer noch Langweilertum ist und b) der Beitrag mit den meistn YouTube Abrufzahlen gewinnt.

    Insofern haben die Mädels, denen die Wirkung sicher ganz zuerst bewusst war, einen guten Strike gezogen: Die Abrufzahlen sind explodiert. Klar: Singen ist fast immer albern. Aber ich denke: Da war schon hierfür Kalköl drin. Ich würde jetzt auch nicht unbedingt mitwippen und es bis zum Ende ansehen. Aber: Von einem Imageschaden/PR-Desaster ganz weit entfernt.Ich finde ihn saubere Leistung.

    Leider wurde sowhl der Beitrag von der Sparda Bank in Rücksicht auf die Auszubildenden wg. den ausufernd beleidigenden Kommentaren (wie immer z.T. derbstes Cybermobbing) gekappt. Bestimmt nicht im Sinne der ladies. Denn die konnten damit ganz souverän umgehen. Leider wurde auch gleich der ganze Wettbewerb gekappt.

    Like

    • Klaus, so etwas muss dann aber auch mit dem Film mit kommuniziert werden, in einem Intro oder wie auch immer. Man muss das einordnen. So kommt der Film aber als „echte“, gewollte, offzielle Sparda-Kommunikation daher. Und dann halte ich das schon für einen GAU, denn weder inhaltlich noch formell kann eine Bank sich ernsthaft so präsentieren wollen.

      Like

      • Darin stimme ich Dir zu: Hätte vlt. zur Vermeidung erwähnt werden sollen. Zielgruppe in der Ansprache bleiben dennoch 13,14,15 Jährige denke mehr die Mädels , die sich für den Beruf interessieren sollen. Man muss da mal die Resonanz abfragen. Also weniger bei den passionierten Netzmobbern dieser Altersgruppe.

        Und ich bleibe dabei: Wirklich weit weg von GAU oder Desaster. Man sollte da schon immer mal ein wenig die Kirche im Dorf lassen. Albern? Vlt. ein wenig. Peinlich oder billig? Sicher nicht. Mutig von den Mädels? Auf jeden Fall.

        Du bloggst übrigens eine republizierte Kopie des Videos, welches vom Urheber gelöscht wurde. Aber das weißt da;-)

        Like

      • @Christian Buggisch, das sehe ich auch so. Das kommt als 100% authentische Sparda-Kommunikation rüber. Und damit leider nicht wirklich professionell. „Bitte nicht singen“ – je mehr Spots dieser Art ich sehe, desto stärker bin ich auch dafür. Und bitte, bitte keinen Rap mehr. Es passt einfach nicht.

        Beste Grüße, Helge Weinberg

        Like

  2. Ich wusste natürlich nicht, dass der Beitrag im Rahmen eines Azubi-Awards der Frankfurt School of Finance & Management entstand. Muss schon sagen, sehr peinlich. Aber o.k. wer Haus aus Stein braucht. Ich dachte bisher, die enorm hohen Bankgebühren – 10,- € für den monatlichen Abruf von ca. 10-12 Buchungen bei der DB werden für die nächtliche Beleuchtung der Banken verbraucht. Aber nein, lebenslanges Lernen erforderlich.

    Like

  3. Ich find‘ Bollywood Produktionen auch zum Brechen, an Peinlichkeit schwer zu überbieten, völlig sinnfrei und bar jeden Geschmacks. Aber eine Milliarde Inder scheinen sich nichts lieber als das angucken zu wollen…

    Like

  4. … den Hinweis auf das positive Gegenbeispiel von Krones kann ich nicht ganz nachvollziehen. Unter dem Link trällern jedenfalls drei Azubis von dern „Krones-Azubi-Band“ ebenso belanglos wie textunverständlich vor sich hin. War unter diesem Linkziel womöglich mal was anderes zu finden gewesen?

    Like

    • qed. So unterschiedlich mag glücklicherweise Geschmack sein;-)

      Christian Buggisch >>
      sondern das Unternehmen einfach nur gut findet.
      >>

      naja. Das wäre jetzt mal zu weit gegriffen.
      Aber auch hier: ok gemacht bzw. wems gefällt.

      Like

    • Danke für die Links! Ich find beide ok und gut. Den einen auf mich vlt. ansprechender, wobei ich jetzt mal ganz bewusst meinen Fav aussen vor lasse

      Wir werden uns immer wieder beim Geschmack treffen. Der eine findets dies nervig, den anderen spricht es an. Nirgends wird sich eine Polarisierung mehr bei Musik und Gesang treffen.

      Toleranz und Respekt für Gezeigtes (es steckt meist Kreativität und eine Menge Arbeit drin) sollte man auf jeden Fall immer bei dem Thema haben, wenn man nicht wieder nur 1nullige Corporatesongs hören/sehen möchte.

      Like

  5. … unerträglich, – habe die volle Länge nicht geschafft.

    Mich stört auch die politische/gesellschaftliche Aussage: Bänker sind keine abstrakte, geldgeile Spezies, sondern in jedem von uns steckt ein Bänker bzw. jeder kann einer sein !
    Klar, – Finanzlagen anbieten, die unsere Welt an die Wand fahren und hier rund da zum Totalverlust führen, nur um die Boni der Wallstreet zu gewährleisten, – das kann wirklich jeder !!! Mach´einfach mit, – reih´Dich ein, werde unser Agent zum Wohle des heiligen Schneeballsystems…

    Es gibt keine „persönliche/individuelle Bankberatung“, oder nur in der Ausnahme. Die Regel ist strukturvertriebartiger „Produktverkauf“ ohne Sinn und Verstand.

    Like

  6. Das geht gar nicht. Aber die Werbefirma, die das an den Kunden verkauft hat, hat meiner Meinung nach eine Auszeichnung verdient :)

    Like

  7. […] Im Vordergrund das Publikum, der mittelfränkische Siemens-Mitarbeiter. Im Hintergrund eine Bühne mit Performance. Die Diskrepanz zwischen Hyperaktivität auf der Bühne und Ratlosigkeit im Publikum ist frappierend. Irgendwie will der Funke nicht so recht überspringen. Kein Wunder, denn der Head of Fancy Global Marketing hat beschlossen, zwölf Menschen auf der Bühne in bunte Ganzkörper-Kondome zu stecken und wie Spermien auf der Suche nach der Eizelle aufgeregt hin und her hüpfen zu lassen. Gegenüber den bunten Menschen haben Spermien einen gewaltigen Vorteil: Sie halten die Klappe. Die bunten Menschen hingegen, die ein wenig auch an appetitlose Teletubbbies auf Speed erinnern, singen. Und singen fürs Marketing ist ja immer schwierig, hab ich vor drei Jahren schon geschrieben. […]

    Like

Und jetzt sag deine Meinung:

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..