Über nachweisbare Wirkung, magisches Denken und grenzenlose Homöopathie

In letzter Zeit haben sich ein paar Texte rund um Homöopathie, Schmonzes und Gedöns in meinem Feedreader gesammelt, die ich lesens-, bemerkens-, und hier im Blog erwähnenswert fand. Also bitteschön …

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In einem ausführlichen Interview auf Spiegel Online äußert sich Edzard Ernst („führender kritischer Erforscher sanfter Methoden, von Akupunktur bis Homöopathie“) zu alternativen Heilmethoden. Darin bestätigt er vieles, was wir ohnehin schon wissen (und manche nie wissen möchten, weil sie lieber das Gegenteil glauben wollen), etwa die Wirkungslosigkeit der Homöopathie:

Es gibt inzwischen etwa 200 klinische Studien zur Homöopathie, die den Standards der evidenzbasierten Medizin so einigermaßen entsprechen: Patienten mit den gleichen Beschwerden wurden einer Behandlung zugelost und entweder mit Homöopathie oder mit einem Placebomedikament behandelt. Die besten dieser Studien zeigen: Die Kügelchen wirken nicht besser als Placebos.

Ist ja auch klar, weil in den ganzen Globuli nichts, aber auch gar nichts enthalten ist, was wirken könnte. Das habe ich ja am Beispiel von Arnica C30 schon mal erläutert.

Globuli - sanft und frei von Wirkung
Globuli – sanft und frei von Wirkung
Ernst äußert sich aber auch zur so genannten Schulmedizin durchaus kritisch. Zum einen sei diese Medizin auch nicht immer evidenzbasiert, sondern gelegentlich eher eminenzbasiert (wenn’s der Chefarzt sagt, muss es die Wahrheit sein). Zum anderen seien die ausführliche Anamnese und der intensive, empathische Kontakt vom Arzt zum Patienten die entscheidenden Therapeutika der Homöopathen, an deren Wirksamkeit auch gar kein Zweifel besteht und die in der konventionellen Medizin oft zu kurz kommen.

Ansonsten sollten alle, die sich mit dem Gedanken tragen, zum Chiropraktiker zu gehen, Schüßler-Salze zu konsumieren oder eine Bach-Blüten-Therapie zu starten, das Interview lesen. Oder einfach weiter glauben, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt.

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Apropos Schulmedizin: Enno Park schreibt in einem Blogbeitrag zu Recht, dass es eigentlich ziemlich kurios ist, dass ausgerechnet die Homöopathen versuchen, die evidenzbasierte Medizin durch den Begriff „Schulmedizin“ abzuwerten:

Das lustige am Begriff “Schulmedizin” ist, dass er behauptet, dass Mediziner nur blind das tun, was ihnen ein Lehrer mal erzählt hat, obwohl die Medizin der permanenten wissenschaftlichen Revision unterliegt. Lustig ist das deshalb, weil eigentlich Homöopathie & Co. eine Schulmedizin sind, die sich blind auf das stützt, was ein Lehrer wie Samuel Hahnemann mal postuliert hat, und jede Kritik an ihren Grundlagen vehement ablehnt. Ein sehr schöner Brainfuck, den die Esos sich da ausgedacht haben.

Auch sonst beschreibt er den ganzen HokusHomöospokus sehr treffend und unterhaltsam, weshalb ihr seinen Beitrag lesen solltet. Sein Fazit (bezogen aufs rituelle Schütteln, mit denen der Homöopath angeblich Informationen vom Wirkstoff aufs Wasser überträgt): „Es handelt sich um eine Form von Magie, weshalb es auch völlig korrekt ist, die Homöopathie der Esoterik zuzurechnen. Derlei magisches Denken ist reine Glaubenssache.“

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Samuel Hahnemann
Wer hat’s erfunden? Samuel Hahnemann, künftiges Studienobjekt der Homöo-Akademie
Trotz oder gerade wegen ihrer Wirkungslosigkeit gibt sich die Homöopathie gerne seriös. Zum Beispiel indem sie in Kooperation mit der Steinbeis-Hochschule Berlin eine „Homöo-Akademie“ mit einem neuen Bachelorstudiengang ins Leben ruft, wie die ZEIT berichtet. Ich wage mir überhaupt nicht vorzustellen, was da unterrichtet wird und wofür jemand dort einen akademischen (!) Abschluss bekommen wird.

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In diesen Kontext passt sehr schön, dass sich auch die Homöopathie der Globalisierung stellt, indem sie die „Ärzte ohne Grenzen“ nachahmt und – kein Witz – unter dem Label „Homöopathen ohne Grenzen“ in Krisenregionen dieser Erde vorstoßen will. Das kann man geschäftstüchtig finden oder zynisch oder beides, vor allem wenn man in der FAZ liest, dass „auf einschlägigen Internetseiten der Vereinigung „Homeopathy for Health in Africa“ behauptet wird, man könne Aids und Malaria mittels Homöopathie heilen“. So weit geht Anke Engelke im folgenden (im GWUP-Blog gefundenen) Video nicht, sie behandelt als Homöopathin ohne Grenzen nur die Opfer von Verkehrsunfällen ;-)

PS: Völlig zu Recht haben die Homöopathen ohne Grenzen nun das „Goldene Brett 2013“ verliehen bekommen.

Bildnachweis: Dr. Leonora Schwarz, luise, filorosso.eu – Manfred Gerber / pixelio.de

16 Gedanken zu “Über nachweisbare Wirkung, magisches Denken und grenzenlose Homöopathie

  1. „Trotz oder gerade wegen ihrer Wirkungslosigkeit gibt sich die Homöopathie gerne seriös. Zum Beispiel indem sie in Kooperation mit der Steinbeis-Hochschule Berlin eine “Homöo-Akademie” mit einem neuen Bachelorstudiengang ins Leben ruft, wie die ZEIT berichtet. Ich wage mir überhaupt nicht vorzustellen, was da unterrichtet wird und wofür jemand dort einen akademischen (!) Abschluss bekommen wird.“

    Diesen Abschnitt habe ich mit besonderem Interesse gelesen und dabei kam mir der Gedanke, da war doch noch was mit der Esoterik. Wenn man jetzt einfach den Begriff Homöopathie gegen den Begriff Theologie ersetzt, kommt folgendes dabei heraus:

    „Trotz oder gerade wegen ihrer Wirkungslosigkeit gibt sich die Theologie gerne seriös. Zum Beispiel indem sie in Kooperation mit der Steinbeis-Hochschule Berlin eine “Theologische-Akademie” mit einem neuen Bachelorstudiengang ins Leben ruft, wie die ZEIT berichtet. Ich wage mir überhaupt nicht vorzustellen, was da unterrichtet wird und wofür jemand dort einen akademischen (!) Abschluss bekommen wird.“

    Klingt seltsam? Stimmt. Genau!

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  2. … sensationell, Christian – so deutlich traue ich mich das kaum noch auszusprechen, weil die Anzahl der „Homöopathen“ in meinem Bekanntenkreis seit Jahren wider Willen zunimmt. Immer beliebter: Er hat einen gut bezahlten Job und sie wird Heilpraktikerin, wenn das zu Hause bzw. der Garten allein sie nicht (mehr) zu erfüllen vermag. Früher haben die Damen dann Blumenläden oder Maniküre-Studios eröffnet, aber die sind zumindest in Berlin heute überwiegend in vietnamesischen Händen. Und: Heilpraktiker mit Feng-Shui-Kompetenz sind natürlich besonders gesucht bei den Verzweifelten & Mittelschlauen … ;-)

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  3. Trotz alledem verstehe ich dieses ständige Homöopathie-Gebashe nicht. Es ist ja nicht so, dass Menschen, die Homöopthie nutzen, diese Argumente noch nie gehört hätten und erstmal aufgeklärt werden müssten. Warum ist man also nicht tolerant und lässt jedem das, „woran er glaubt“???

    Ich bin selbst so um die 30 per einmaliger Kügelchen-Gabe von Beschwerden „geheilt“ worden, die mich 15 Jahre belästigt hatten. Und ich hab nicht mal dran geglaubt, sondern war nur offen, alles auszuprobieren – so nach dem Motto; wenns nicht hilft, wirds auch nicht schaden, ist ja nix drin! Dann war ich einigermaßen verblüfft, dass ich mein kleines Leiden niemals wieder erlebte…

    Ja, ich vermute auch, dass die „ganze Packung“, die Beschäftigung mit den Patienten über Stunden in dieser ausführlichen Befragung das ist, was heilende Effekte hat. Nenn es Magie – aber wo bitte bekomme ich die denn sonst, um davon zu partizipieren? Beim normalen Arzt mit seinem 5-Minuten-Gespräch gewiss nicht! (Es war übrigens ein Dr. med. / Internist, der mir mit den Kügelchen gekommen war…)

    Insofern scheint mir das Homöopathie-Beschimpfen eine Art Lobbyismus für die Standardmedizin zu sein: es soll einfach jeder Euro in der Standardmedizin und bei BigPharma landen….

    Was ich sage, gilt für mich hierzulande und für Bundesbürger, die an jeder Ecke ausreichend informiert werden und wissen, was sie tun. Ein hiesiger Homöopath weiß auch in der Regel, wann es angesagt ist, Standardmedizin zu nutzen – erst recht jene Ärzte, die aus der „Schulmedizin“ kommen und das so nebenbei machen.

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    • Letztlich stellst du die Frage, ob Aufklärung nötig ist oder nicht. Du gehst davon aus, dass ganz Deutschland aufgeklärt ist, aber leider ist das Gegenteil der Fall. 40 Prozent sehen in einem vierblättrigen Kleeblatt ein positives Vorzeichen, genauso viele halten den Anblick einer Sternschnuppe für bedeutungsvoll. Knapp 60 Prozent der Deutschen haben schon homöopathische Mittel genommen, 3000 Apotheker und über 6000 Ärzte nennen sich inzwischen Homöopathen. Und natürlich wird damit viel Geld verdient, auch dazu gibt es jede Menge Statistiken. Du nennst das Lobbyismus und Gebashe, ich nenne das notwendige Aufklärung.

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      • [blockquote]40 Prozent sehen in einem vierblättrigen Kleeblatt ein positives Vorzeichen, genauso viele halten den Anblick einer Sternschnuppe für bedeutungsvoll. [/blockquote]

        Nun mal langsam bitte. Verwechselt da jemand Aberglaube/magisches Denken mit Symbolik (Kleeblatt) oder mit schlichter Begeisterung über relativ rare Naturphänomene (Sternschnuppe)? Übrigens ist eine Sternschnuppe, wie Du natürlich weißt, gar keine Sternschnuppe, denn es sind ja keine Sterne unterwegs in diesem Verband. Aber Du nennst es eben – symbolisch – so. Warum? Weil unsere natürlichen Sprachen ohne Symbolik nicht funktionieren (würden). Sehr bildhaft beschreibt das Jonathan Swift in der Reise nach Laputa.

        Natürlich gibt es Unterscheidungen zwischen den genannten Mengen. Ein 4er Kleeblatt wurde zum Glückssymbol, weil solche Kleeblätter klar in der Minderheit sind. Eine Sternschnuppe ist etwas, was a) selten kommt und b) üblicherweise von kurzer Dauer ist; deshalb werden damit besondere Bedeutungen assoziiert.

        Das ist auch der große Unterschied zwischen den traditionellen Symbolen (die einst Aberglauben gewesen sein mögen – aber auch praktischen Hintergrund besessen haben, wie zum Beispiel der Knigge) und modernen Mythen, wie etwa der Homöopathie. An den schwarzen Kater, Kleeblatt & Co. glaubt keiner mehr ernst (aber wie viele von uns haben, oder einmal hatten, irgendwelche Maskottchen? hm?) – das können wir lachend abtun, denn wir _wissen_, dass hier keine Kausalität bestehen kann.

        Bei der Homöopathie ist das größte Problem folgendes: die meisten Leute _wissen_ gar nicht, was für’s Tier das ist. Das Problem beginnt schon viel früher, etwa bei dem ganzen Pseudowissen, Stichwort „Hummel könne nicht fliegen“. Verwirrung, Tohuwabohu, alles mit wissenschaftlichen Anstrich ohne Sinn und Verstand. Relativitätstheorie soll demnach besagen, das alles relativ sein, und Quantenphysik ist keine Orthopädie, sondern irgend etwas, na ja, so wie Transzendenz (fragen Sie einen Eso nach der Bedeutung des letztgenannten Wortes. Sie bekommen bestenfalls logorröe-ähnliches Gestammel als Antwort).

        Es ist also die Frage der Definition. Denn allzu viele Leute halten nach wie vor Homöopathie für „so eine Art santfe Naturmedizin, so mit Pflanzen und so, und ganzheitlich zudem auch noch“. Also auch hier Symbolik, aber eine ganz veresote und nur der Verwirrung dienende. Da wird ganz gezielt mit Begriffsverwirrung gearbeitet, dazu mit tu quoque, ad personam und gefärbter Sprache – teilweise aus fragwürdigem Fundus, etwa in Braun („Schulmedizin“). Dass die Homöopathie prinzipbedingt das Gegenteil des Ganzheitlichen darstellt und keine „Naturmedizin“ ist, weiß wohl kaum einer der genannten 60%.

        Denn wüssten die Leute das, sie würden sich den Blödsinn nie antun.

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    • Klar kann jede/r machen was er will, man hat auch das Recht, einen Krebs nicht operieren zu lassen, Misteln, Pilze und andere unwirksame Mittel einzusetzen neben Homöopathie, um dann daran zu sterben.
      Alles eine frei Entscheidung und Dank Placeboeffekt bei milderen Erkrankungen manchmal auch von Erfolg gekrönt. Aber sollte ein Arzt ein nachweislich nicht über den Placeboeffekt wirkendes Mittel verschreiben oder ein Apotheker dies empfehlen. Sollte man wirklich HOPs auf Menschen in Krisengebiete loslassen – und das alles per Scheinwissenschaft auch noch adeln?

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    • @Claudia: Ich bin in einem ähnlichen Alter von einer ganz lästigen langjährigen Beschwerde geheilt worden, weil sich ein erfahrener Arzt für ein paar Minuten in mich hineinversetzt hat und mir dann instinktiv den richtigen Tipp gab. Ich bin Ingenieur, also war es eine logische biochemische Erklärung – und als ich das Gegenmittel kannte, habe ich es nie wieder nutzen müssen. Was Dir geholfen hat, war (meiner Meinung nach) ein Arzt, der Dich richtig eingeschätzt hat.

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