Landstraße, Jogger und Autofahrer: drei Regeln

Jogger und Autofahrer – das ist eine spannende Kombination. Kann gut gehen, muss aber nicht. Vor allem wenn man sich auf Landstraßen begegnet …

Präambel: Jogger sind eigentlich ganz friedliche und nette Menschen. Sie mögen frische Luft und Bewegung an derselben. Dabei kann es gelegentlich vorkommen, dass sie dieselben Wege nutzen wie Autofahrer. Sie tun das nicht aus böser Absicht, sondern weil es halt manchmal nicht anders geht. Wenn also ein Jogger deinen Weg kreuzt, lieber Autofahrer, dann hat er dir nicht aufgelauert, er tut das nicht, um dich zu überraschen, zu ärgern oder gar deine zügige Fortbewegung von A nach B zu behindern. Es hat sich einfach so ergeben.

In aller Regel versuchen Jogger übrigens den Kontakt mit Autofahrern zu meiden, indem sie Wald-, Geh- oder andere autofreie Wege nutzen. Nur gelegentlich ist das nicht möglich, und dann wird es schwierig, vor allem auf Landstraßen ohne Seitenstreifen. Auch dort, liebe Autofahrer, dürfen Fußgänger fußgehen und Jogger joggen. Das ist erlaubt. Ehrlich.

Dies alles vorausgesetzt ergeben sich für den Fall des Kontakts von Autofahrern mit Joggern auf Landstraßen drei einfache Regeln:

1. Zehn Zentimeter reichen nicht

Auto vs. Jogger - Regel 1: Abstand haltenIn der Regel läuft ein Jogger auf der linken Straßenseite, das heißt von euch Autofahrern aus gesehen, kommt er euch auf eurer rechten Seite entgegen. Er tut das, damit er euch rechtzeitig sehen und dann so nah wie möglich am Rand laufen kann. Das bedeutet nicht, dass ihr auch so nah wie möglich am Rand fahren solltet. Statt dessen solltet ihr – ihr ahnt es schon – Abstand halten. Je mehr desto besser. Zehn Zentimeter reichen nicht, liebe Autofahrer (und liebe Fahrerin eines roten Golfs, die mir neulich fast den Arm mit ihrem VERFLUCHTEN Außenspiegel amputiert hätte). Kleine Merkhilfe: Wenn der Jogger wütende Bewegungen mit der Faust macht oder ihr im Rückspiegel seht, dass er euch einen bestimmten Finger zeigt, nachdem ihr an ihm vorbei seid, dann war der Abstand zu gering. Er tut das nicht, weil er ein böser Mensch ist (siehe Präambel), sondern weil er wirklich verärgert ist, dass ihr sein Leben bedroht habt.

2. Keiner springt gern in den Acker

Auto vs. Jogger - Regel 2: Wenns eng wird bremsenNoch komplizierter und herausfordernder wird die Situation für euch, wenn es keinen Platz zum Abstand halten gibt, zum Beispiel weil euch nicht nur der Jogger, sondern auch noch ein weiteres Auto entgegenkommt. Huiuiui! Jetzt heißt es schnell nachdenken, allen Mut zusammennehmen – und bremsen. Nicht den Abstand verringern, weil euch das andere Auto ja wenig Platz lässt, sondern bremsen. Langsamer werden, bis ihr wieder Platz habt. Manchmal auch stehen bleiben, bis Jogger und/oder Autos vorbei sind. Eine ganz schöne Zumutung, ich weiß. Aber denkt an die Präambel, der Jogger meint es nicht böse, er kann sich nur nicht in Luft auflösen. Er hat übrigens auch keine Lust, sich mit einem Hechtsprung in den nächsten Acker zu retten, weil ihr meint, ungebremst weiterbrettern zu müssen. Und wenn ihr ihn bei dieser Gelegenheit anhupt, weil er für euren Geschmack nicht schnell genug springt, macht das die Sache nicht wirklich besser.

3. Die Nacht nicht zum Tag machen

Auto vs. Jogger - Regel 3: AbblendenManchmal laufen Jogger auch bei Dunkelheit. Auch das machen sie nicht aus Heimtücke, sondern weil es im Winter schon recht früh dunkel wird und sie nach der Arbeit zwangsläufig im Dunkeln laufen müssen. Das Blöde an der Dunkelheit ist die Abwesenheit von Licht. Daher haben eure Autos Lampen, die ihr einschalten könnt, um besser zu sehen. Und wenn es besonders dunkel ist, schaltet ihr halt das Fernlicht ein. Eine feine Sache eigentlich, aber wie so oft im Leben gibt es Vor- und Nachteile. Der Nachteil am Fernlicht ist: Es blendet. Deshalb ärgert ihr euch zu Recht, wenn ein entgegenkommendes Auto das Fernlicht nicht ausmacht. Und deshalb habt ihr Autofahrer euch mehr oder weniger darauf geeinigt, euch nicht gegenseitig zu blenden. So, und jetzt kommt’s: Nur weil ein Jogger kein Fernlicht hat, mit dem er euch blenden könnte, heißt das nicht, dass ihr ihm eure 3 Milliarden Lux ungeniert in die Augen brennen müsst, VERDAMMTE HACKE! Es ist ja schön, wenn ihr euch die Straße gut ausleuchtet, aber für den Jogger ist das wie wenn das Raumschiff Enterprise auf Warp geht und in eine Supernova fliegt. Ohne Schutzschild.

Das war’s schon. Abstand halten, bremsen, abblenden. So einfach kann friedliche Koexistenz sein.

PS für die Freunde von Recht und Gesetz: Es gilt §25 StVO, denn auch Jogger sind (schnellere) Fußgänger. Meine Regeln 1 bis 3 gibt’s verdichtet sogar als Frage in der Führerscheinprüfung.

Bildnachweis: Marco Barnebeck (Telemarco) / pixelio.de

10 Gedanken zu “Landstraße, Jogger und Autofahrer: drei Regeln

  1. Ich fühle mich als Jogger auch sicherer, wenn ein Autofahrer ein bißchen vom Gas runtergeht oder schon weit vor dem Zusammentreffen in die Straßenmitte ausweicht, soweit der Verkehr das erlaubt. Das ist ein nettes Zeichen, daß er/sie mich bemerkt hat.

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  2. Dem kann ich mich nur anschließen und ergänzen, dass die gleichen Regeln – vor allem der Abstand – auch für Radfahrer gelten. Da habe ich auch schon so manches erlebt mit den lieben Autofahrern.

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  3. Lieber Christian, zugegeben, beim Thema Abblenden musste ich echt schmunzeln. Aber im Ernst: vor ca. zweieinhalb Jahren erfuhr ich, dass ein lieber Freund bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt war. Ich war fassungslos. Er war Fahrlehrer, ein begnadeter Motorradfahrer, mein Vorbild, was die Sicherheit und das Verhalten im Verkehr betraf. Und das letzte, was ich erwartet hätte war, dass er im Straßenverkehr durch einen Verkehrsunfall aus dem Leben gerissen wird. Noch schlimmer: er hinterließ zwei kleine Söhne und eine Frau und seinen Betrieb, den er Zeit seines Lebens geführt hatte. Neben dem Verlust des Vaters, eines geliebten Menschen, waren diese Herausforderungen eine große Belastung für die Familie. Als ich erfuhr, was genau passiert war überkam mich ein unheiliger Zorn – auf den betreffenden Freund! Was war passiert? Er hatte irgendwann angefangen, ein Faible für besonders langsame Fahrzeuge zu entwickeln. Einmal eine Enfield und irgendwann eine Ape. Als er mit der Ape zu einem Ape-Treffen von München nach Mönchengladbach auf ein Treffen fuhr, bekam er einen Preis für die weiteste Anreise. Auf dem Heimweg passierte es. Er wurde auf der Autobahn auf der rechten Spur von einem herannahenden Mercedes Benz mit ca. 160 km/h von der Autobahn geschossen. Wer es nicht weiß: eine Piaggio Ape Calessino ist ein Dreirad und hat eine Höchstgeschwindigkeit von ca. 65 km/h, und ja die Mindestgeschwindigkeit auf Autobahnen beträgt 60 km/h, der durfte dort fahren. Ich war deshalb so wütend, weil ich dachte: scheiße, du warst absolut im Recht, und trotzdem bist du jetzt tot, und deine Söhne müssen ohne Vater aufwachsen.
    Ich kann Dir nur sagen: Du hast absolut recht, mit dem was Du sagst, nur Du wirst mit Deinem Appell den Idioten nicht erreichen, der Dich von der Landstraße räumt. Deshalb: vermeide Landstraßen, besorg Dir eine 10.000 Watt Stirnlampe und plane Deine Jogging Routen abseits von Landstraßen. Die Wahrscheinlichkeit, im Wald von einem Wolf zerfleischt oder von einem umstürzenden Baum erschlagen zu werden, dürfte praktisch null sein. Wenn Dich der rote Golf heute nicht erwischt hat, dann vielleicht morgen ein Mercedes Benz mit 160 km/h. Am Ende hättest Du recht behalten, aber Du wärst vielleicht auch tot. Und das hilft Dir und Deiner Familie dann leider nicht mehr ;-).
    In diesem Sinne, alles Gute!

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  4. … die Kisten von heute vermitteln gefühlte Souveränität in jeder Lage. Leider können immer weniger von uns wirklich Auto_fahren. Dazu das ganze Phone-Gefummel.
    Tja, – wenn Du also so gefährlich joggst, frag lieber mal Deine Krankenkasse, ob sie ggf. auch für solche „Landstraßenexpeditionen“ vollumfänglich aufkommt ;-)

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  5. Gut geschriebener Artikel. Gut gefallen hat mir dein folgender Abschnitt „Es ist ja schön, wenn ihr euch die Straße gut ausleuchtet, aber für den Jogger ist das wie wenn das Raumschiff Enterprise auf Warp geht und in eine Supernova fliegt. Ohne Schutzschild.“- Großartig.
    Falls dich die unterschiedlichen Autofahrertypen interessieren? Hier vorbeischauen ;) http://maenner-kram.de/wissen/autofahrer-typen-uebersicht/

    Danke und bis bald

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  6. Klasse beschrieben.
    Ich bin eben noch vom laufen gekommen bei dem heute ausnahmsweise bis auf zwei Fahrzeuge alle abgeblendet und Abstand gehalten haben was ich immer mit Daumen hoch Danke .Allerdings wurde ich auch letzte Woche von einem Autofahrer in der Form genötigt in dem er zurück gefahren kam und sich schräg vor mich stellte und fragte was ich für ein Problem hätte .Das ganze war ihm wohl nachher eher peinlich nachdem ich ihm einige Regel dazu sagte und er weiter fuhr .
    Nochmal klasse Beitrag, danke NB

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  7. […] Es ist faszinierend zu sehen, wie wenig Verständnis manche Autofahrer für Rennradfahrer haben, die es wagen, dieselbe Straße zu benutzen wie sie. Dass man mit viel zu geringem Abstand überholt wird, ist fast schon normal. Ein kleiner Schlenker zum falschen Zeitpunkt, und das war‘s. Doch der deutsche Autofahrer versteht das nicht. (Er versteht ja auch nicht, wie er sich verhalten soll, wenn er Joggern begegnet, aber das hatten wir hier schon mal.) […]

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