Der Tag, an dem mein Blog explodierte

Normalerweise geht es ja ruhig und gemütlich zu in diesem kleinen Blog. Ich schreibe ein paar Gedanken auf, ein paar Leute lesen das. Aber dann kam der 15. Juli …

Natürlich ging es um Fußball, welches andere Thema hätte solche Wellen schlagen können? Ich habe in diesem Blog noch nie über Fußball geschrieben (mit einer Ausnahme: einer kleinen Phantasie zur Frage, welche Länder nach Katar wohl die WM austragen dürfen; 2050 zum Beispiel ist definitiv der Vatikan dran!). Aber nach dem gewonnen Weltmeistertitel hatte ich das Bedürfnis, kurz aufzuschreiben, warum mir die WM im Allgemeinen und das Auftreten bzw. die Haltung der deutschen Mannschaft im Besonderen recht gut gefallen haben.

So weit so harmlos. Der Beitrag wurde am letzten Dienstag Nachmittag und Abend durchaus ein paarhundert Mal geklickt bzw. gelesen, gefühlt etwas öfter als der normale Durchschnitts-Beitrag hier im Blog. Ausreißer nach oben gibt es natürlich immer mal wieder, und sie freuen den Blogger. Zuletzt zum Beispiel mein Artikel über das böse, böse Amazon, der zunächst auf gut 400 Aufrufe kam, dann auf dem Bildblog verlinkt wurde und durch diesen starken Backlink und die folgende Verbreitung über soziale Medien in Summe auf über 4.000 Aufrufe kam.

Aber Amazon ist halt nicht Fußball.

Blog-StatistikAls ich mich am 15. Juli abends aus der Online-Welt ausklinkte und meinem Offline-Leben widmetet, war im Blog jedenfalls alles normal. Als ich am 16. Juli vormittags wieder online war, war nichts mehr normal. Schon am Dienstag Abend hatte der WM-Beitrag bis Mitternacht über 15.000 Aufrufe eingesammelt. Am Mittwoch Vormittag waren wir bei 60.000 Aufrufen. Bis Mittwoch Abend wurden es über 170.000. Und inzwischen sind wir in Summe bei über 200.000 Aufrufen. Das entspricht im normalen Betrieb den Aufrufen des gesamten Blogs in ca. zwei Jahren.

Was, verdammte Hacke, war da passiert?

Um es kurz zu machen: Es gab eine glückliche Verkettung von verschiedenen Ereignissen:

Erstens: Kurz bevor ich meinen Beitrag publizierte, führten ein paar deutsche Spieler beim Berliner Fan-Spektakel den „Gaucho Tanz“ auf, mit dem sie sich in handfester Stadion-Tradition ein wenig über die unterlegenen Argentinier lustig machten.

Zweitens: Diese kaum der Erwähnung werten 30 Sekunden wurden von Spiegel Online, FAZ und taz in selten hysterischen Artikeln verarbeitet. Tenor: „Mit einer üblen Persiflage auf ihren Finalgegner verspielen die deutschen Weltmeister das Image der weltoffenen, toleranten Nation“ (FAZ).

Drittens: Die deutschen Fußballfans rieben sich verwundert die Augen, googelten schnell, was eigentlich ein „Gaucho“ ist, und posteten die Artikel in den sozialen Netzwerken, in der Regel mit unzweideutigen Kommentaren, was sie von dieser Feuilleton-Sicht auf die WM halten: gar nichts. Einige Kritiker gaben zu bedenken, dass dieser Auftritt der Spieler vielleicht nicht ganz glücklich war.

Mein Blog-Beitrag auf RivvaViertens: Auch ich beteiligte mich an einigen Diskussionen zu diesem Thema auf Facebook. In einer der Diskussionen ließ ich auch den Link auf meinen Blog-Beitrag fallen, weil er ja nun mal meine Sicht auf die Dinge wiedergab, wenngleich ich beim Schreiben noch nichts von dieser Gaucho-Geschichte ahnen konnte.

Fünftens: Einer, der sich kräftig über die Gaucho-Debatte aufregte, war Carsten Drees von Mobilegeeks. Dort schrieb er den Kommentar Die “Gaucho-Affäre” – Da ist er wieder, der hässliche Deutsche. Und weil er meinen Blog-Beitrag, über den er in der Facebook-Diskussion gestolpert war, gut fand, empfahl und verlinkte er ihn am Ende seines Kommentars.

Sechstens: Nun hat Mobilegeeks zweifellos eine bemerkenswerte Reichweite, aber an diesem Tag und bei diesem Artikel konnten auch die Geeks ihren Augen kaum trauen, denn auch dort explodierten die Aufrufzahlen. Grund dafür: Der sehr gut vernetzte Fernsehmoderator und Sportkommentator Frank Buschmann hatte den Beitrag auf Facebook empfohlen. (Zu dieser Trafficexplosion und wie sie zustande kam, gibt es auch einen interessanten Artikel bei onlinemarketing.de.)

Und schon waren alle Steine im Wasser, die genug Seegang erzeugten, dass die Wellen auch noch bei mir im kleinen Blog deutlich zu spüren waren.

Fazit: Reichweite in sozialen Medien hat manchmal mit Qualität, manchmal mit Strategie und manchmal mit Glück zu tun :-)

PS: Genau genommen ist das auch ein schönes Beispiel dafür, was Prof. Peter Kruse in seiner großartigen Rede vor der Enquete Kommision „Internet und digitale Gesellschaft“ im Deutschen Bundestag als systemtheoretische Besonderheit von Social Media beschrieben hat: hohe Vernetzungsdichte, hohe Spontanaktivität, kreisende Erregungen:

7 Gedanken zu “Der Tag, an dem mein Blog explodierte

  1. Ja – Fußball ist ein määääächtiger Besuchermagnet!
    Ich hatte auch mal das Glück bei der Bildersuche bei Google beim Suchwort „BVB“ direkt auf Platz 1 zu sein. Dies hielt mehrere Wochen an. Während dieser Zeit hatte der BVB auch noch einige wichtige Spiele gegen Bayern und in der Champions-League. Da ging was ab auf meinem Blog.
    Ich hatte das damals auch veröffentlicht:
    http://wp.me/p31PTR-1B7

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  2. Hey Christian,

    ich persönlich bin sehr froh, dass du diesen Artikel geschrieben hast (auch wenn ich mir mit meinen Kommentaren mal wieder nicht nur Freunde machte und das obwohl ich neu war), dadurch hab ich dich überhaupt erst gefunden. Mal davon abgesehen, fand ich den echt toll und ich hoffe, du hast durch diesen Boom noch etwas mehr Leser bekommen.

    Lg Mel

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  3. Was nen unfassbarer Erfolg, Christian. saugeil!
    Da muss ich mich mit meinem Special Interest Blog mächtig strecken – aber die aufgezeigten Mechanismen sind die gleichen. Lang lebe die Viralität (also zumindest die online – Grippe und Co meine ich hier definitiv nicht)!!
    ;)

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