In der Watchever-Hölle

Ja, ja, Netflix ist da. Dazu hat ja wirklich jede Medienseite und jeder zweite Blog was geschrieben. Für mich hat das Thema nur deshalb plötzlich Relevanz entwickelt, weil Watchever, das ich seit einer Weile erleide konsumiere, es tatsächlich fertig gebracht hat, mich einen Tag vor dem Netflix-Start rauszuschmeißen. Das ist schon einigermaßen mutig und zeugt von einem gesunden Vertrauen in die Kraft der Kundenbindung …

Der Grund für meinen Rausschmiss: Ich hatte meine Kreditkarten-Daten nicht aktualisiert. Nein, nix „Selbst schuld!“. Ich wollte meine Kreditkarten-Daten aktualisieren. Ist ja auch nicht so kompliziert. Es sei denn, man versucht es mit dem iPad bei Watchever. Warum mit dem iPad, warum nicht am PC? Erstens weil ich im Urlaub war. Zweitens weil wir im 21. Jahrhundert, also im Zeitalter der Endgerätevielfalt leben. Und drittens: Was ist denn das für eine Frage?

In der Watchever-Welt hat jeder Mensch einen PC

Bei Watchever ist man jedenfalls der Meinung, dass jeder Kunde einen PC oder ein Notebook haben muss. Denn Kreditkarten-Daten aktualisieren geht am iPad nicht. Es. Geht. Nicht. Gar nicht.

In einer Welt jenseits der Watchever-Logik gebe es dafür theoretisch zwei Möglichkeiten: Man aktualisiert seine Daten in der iPad-App von Watchever. Die gibt es, dort gibt es auch einen Verwaltungsbereich, aber die Möglichkeit, Daten zu aktualisieren, ist dort deaktiviert. Der Gott des Streamings weiß warum, ich weiß es nicht. Oder aber man geht einfach in den Safari-Browser auf dem iPad, öffnet dort die Watchever-Website und aktualisiert im dortigen Verwaltungsbereich seine Daten. Geht aber nicht, ätsch, denn die Watchever-Strategen haben beschlossen, dass ein iPad-Nutzer nicht auf die normale Website kommen darf, sondern via Nutzerentmündigungstechnologie Browserweiche auf eine spezielle iPad-Website zwangsumgeleitet wird, und da gibt es, ihr ahnt es schon, die Funktion nicht. Kannste machen nix.

Textbaustein-Müll

Vom Watchever-Support bekomme ich auf meine Anfrage hin was? Natürlich Textbaustein-Müll, der mit meinem Problem so viel zu tun hat wie der 1. FC Nürnberg mit dem baldigen Wiederaufstieg in die 1. Liga. Als lästig-hartnäckiger Problemkunde bestand ich aber so lange auf einer passenden Antwort, bis ich eine hatte. Sie lautete: Geht am iPad nicht. Wenn man partout keinen PC nutzen will, wird folgender Workaround empfohlen: Einfach kündigen/abmelden und wieder neu registrieren. Ernsthaft.

Und das ist ja nur ein kleiner Ausschnitt aus der Watchever-Hölle. Der Versuch, über die Playstation 3 Watchever auf den Fernseher zu bekommen, war monatelang ein Trauerspiel, im Vergleich zu dieser PS3-App war Windows 2000 ein Muster an Stabilität und Performance. Oder dieses komische Prinzip, Serien erst anzubieten, dann spontan und monatelang aus dem Programm zu nehmen, und sie dann wieder anzubieten. Zuletzt haben sie mich damit zum Weinen gebracht, als ich mitten in der 4. Staffel von Lost steckte. Das ist auch nicht besser als RTL2, die ja ein Meister darin waren, Sendeplätze kurzfristig und unangekündigt zu verschieben, damit man auch ganz bestimmt die Hälfte der Lieblingsserie verpasst. (Vermutlich sind sie immer noch Meister darin, aber natürlich schaut heute kein Mensch mehr Serien auf RTL2, daher ist das egal.) Oder das Empfehlungssystem von Watchever, das davon ausgeht, dass alle Familienmitglieder, die über einen Account Watchever nutzen, die gleichen Interessen haben. Daher empfiehlt mir Watchever dauernd, ich möge unbedingt noch Asterix und Kleopatra und Spy Kids 2 anschauen, das passe total gut zu meinen Interessen.

Videostreaming ist kaputt

Man könnte also mit Fug und Recht sagen: Videostreaming ist kaputt. Danke für nichts – Netflix, Apple, Amazon, Google, Sky und Telekom.

Kann man aber doch nicht. Denn die Alternative heißt: deutsche Fernsehsender. Und die sind schlimmer als jede Streaming-Hölle. Mein Konsum dieser Sender liegt inzwischen nahe bei Null. Der Content ist eine einzige gigantische Zumutung. Beim Warten aufs Champions League Spiel im ZDF habe ich aus Versehen 5 Minuten Küstenwache gesehen. Oh. Mein. Gott. Und das ist vermutlich Premium-Content im Vergleich zu dem ganzen Müll, der sonst noch im gebührenfinanzierten und privaten Rundfunk versendet wird. Und zwar im Rahmen eines starren Sendeschemas, das unbeirrt davon ausgeht, dass ich auch noch in naher und ferner Zukunft meinen Fernsehabend um 20.15 Uhr zu beginnen gedenke.

Daher gehört Streaming natürlich die Zukunft, und man kann nur hoffen, dass die Anbieter bald die Strategie ändern. Zurzeit geht es nur um eines: Marktanteile gewinnen. Kunden ranschaffen um jeden Preis. Nach dem gleichen Prinzip hat Amazon vor Jahren den Online-Buchhandelsmarkt erobert: 5-Euro-Gutscheine und Lockangebote raushauen, als gebe es kein morgen. Hauptsache die Kunden melden sich bei dir an und nicht bei einer anderen Plattform. Über Kundenbindung denken wir nach, wenn wir Zeit dafür haben.

Liebes Watchever, liebe Anbieter: Die Zeit ist gekommen! Sorgt bitte dafür, dass eure Technik funktioniert, dass die Server nicht zusammenbrechen, weil ihr so erfolgreich Neukunden gewinnt, dass eure Websites und Apps bedienbar sind, dass ihr zuverlässig gute Inhalte anbietet.

Wenn ihr das schafft, werden wir ganz dicke Freunde.

Bildnachweis: King-of-Herrings via photopin cc

20 Gedanken zu “In der Watchever-Hölle

  1. Entschuldige, *kicher*, ich konnte nicht anders. Ich weiß das ist nicht lustig, aber ich kann nicht anders.

    Ich streame über Amazon und das geht eigentlich ganz gut. Ich muss ja auch nicht immer alles gleich und sofort sehen.

    Ich hoffe, es gibt bald eine Lösung für dich.

    Lg Mel

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      • Ach so. Ist mir noch gar nicht richtig aufgefallen, aber jetzt wo du es sagst.
        Die Leitung ist immer extrem langsam, wenn man über Amazon schaut. Stimmt schon.
        So genau hatte ich mich damit aber nicht beschäftigt. Bei Amazon bin ich auch mehr zufällig. Das kam einfach irgendwann. War Prime Mitglied und dann haben die das so erweitert. Ist halt so ganz praktisch. Offline wäre aber auch nett.

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  2. „Bei Watchever ist man jedenfalls der Meinung, dass jeder Kunde einen PC oder ein Notebook haben muss.“
    Nicht nur dort… Leider nicht nur dort… :-(

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  3. Total genial geschrieben, ich danke dir für diese Beschreibung, wenn sie auch nicht so witzig war. Ich halte mich bis jetzt an Amazon, und die Technik funktioniert wie verrückt :-) guuuuut, jetzt möchte ich es nur noch an meinen chromecast streamen dürfen ;-)

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  4. Habe mich köstlich über den Text amüsiert. Und das als jemand, der eigentlich fast kein TV sieht. Mir ist mittlerweile ziemlich egal, was sich da abspielt (Ausnahme: werbefreie Fußballspiele und manche Dokumentationen) – egal ob im statischen Sendeschema oder on demand. Das frühere Warten auf den Fernsehabend oder die Lieblingsserie hatte doch schon was. Wenn ich überlege, dass ich mich den ganzen Tag auf Lieblingsserien gefreut habe. Dieser Zauber ist heute durch dieses Jetzt. Haben. Will. dahin …

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    • Ach, ich finde, den Zauber gibt’s immer noch. Bei der letzten Staffel Breaking Bad habe ich tatsächlich sehnsüchtig auf den Veröffentlichungstermin bei Watchever gewartet – die Folgen wurden dort jeweils kurz nach der US-Ausstrahlung angeboten – und dann brachen auch regelmäßig die Server zusammen, weil ich nicht der einzige war ;-) Aber dann finde ich es schon sehr angenehm und einzig zeitgemäß, mir die Folge, die Serie oder den Film dann anzuschauen, wenn ich will (und nicht dann, wann sich irgendein für die Sendeplanung verantwortlicher Horst Müller das ausgedacht hat).

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  5. Sehr schöner Artikel!
    Leider ist Watchever meiner Erfahrung nach noch das kleinste Übel. Gut, die Endgeräte benutze ich auch parallel, so dass sich das iPad-Problem nicht ergibt. Die PS3-App war tatsächlich lange Zeit lachhaft buggy, ist aber inzwischen zum Großteil korrigiert. Und die Bedienung ist einfach um Längen besser als bei anderen. Amazon finde ich grauenhaft; auf dem PC muss ich mich durch die Shop-Seite hangeln, in der PS3-App findet man so gut wie nix (ich sag nur OV-Versionen). Und das Angebot finde ich bis auf ein paar neuere Filme und die eigenproduzierten Serien auch eher schlechter. Bestes Beispiel (im Vergleich zur Watchever-Rechte-Politik): 2 and a Half Men darf ich die ersten 3 Staffeln nur Deutsch gucken, danach keine mehr, die zehnte aber dann D+E. Verstehe wer will.

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    • Ich bin vor allem auf Netflix gespannt als Watchever-Alternative. Da die ja ausgiebe Erfahrungen in den USA und anderen Ländern haben, müssten zumindest Funktionalität, Bedienung & Usability gut sein. Das Content-Angebot hängt natürlich sehr vom jeweiligen Land ab. Jedenfalls gönne ich mir da demnächst mal den kostenlosen Probemonat, und dann sehen wir weiter …

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  6. Tja und bei Netflix ist man der Meinung, man müsste alle anderen Endgeräte besitzen um vernünftige Qualität zu bekommen.

    VDSL und extrem starke Rechner? Egal.

    Also wieder zurück zur Normalität.

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  7. Schlimmer ist, dass in Deutschland Streaming auf lange Zeit nicht richtig funktionieren wird. Warum? Weil es in Deutschland eine unglaubliche Lobby-Arbeit gibt und unglaublich viel Angst vor Umsatzeinbußen oder sonst was wegen der neuen Technologie.
    Die aktuellen Filme werden im Streaming nicht angeboten bzw. nur durch Zukauf. Meist für einen horrenden Preis. Und dann werden in Deutschland dir Rechte für Filme und Serien ja meist nur auf begrenzte Zeit vergeben. D.h. heute im Angebot, morgen nicht mehr.
    Über die teils seltsame Geräteauswahl der Anbieter verliere ich lieber kein Wort.

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  8. Habe heute versucht, Sky zu bekommen. Die erwarten aber, dass ich entweder einen Kabelanschluss oder einen Satellitenempfänger habe. Hab ich aber nicht. Auch keine Antenne. Ich hab nur Internet. So kanns gehen. Bin ich denn der Einzige Rundfunkverweigerer?
    Zugegeben, mein Vermieter hat sowohl Anschlüsse zur Sat-Schüssel als auch Kabel in meinem Wohnzimmer und vermutlich sogar in weiteren Zimmern installiert. Ich will aber nicht noch ein oder zwei Fernbedienungen auf dem Tisch liegen haben, dann wäre bald kein Platz mehr für eine Kerze oder Weinglas auf dem Tisch.

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      • Ich habe auch eine Logi Harmony. Im Keller. Vergraben in einer Schublade bei den anderen sinnlosen Schätzen. Ich werde mit dem Teil einfach nicht Warm. Dabei bin ich kein Tec-Verweigerer, habe Informatik studiert und verdiene meine Brötchen als Softwarebäcker. Aber das Teil – widerliches Konzept….nach drei Anläufen die Nerven verloren und entsorgt.
        Denke, du hast inzwischen Netflix-Erfahrungen, so wie ich? Da geht nichts drüber, oder? Nur das Offline Feature fehlt – man kann halt nicht alles haben.

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  9. Jeder, der sich über die „starren Sendeschemas“ aufregt, scheint die Entwicklung jeglicher Aufnahmegeräte irgendwie verpasst zu haben. Ich habe noch nie nachvollziehen können, warum ständig alle am Jammern sind, dass der Tatort um 20:15 anfängt und dass „alle guten Filme immer Nachts“ laufen. So what? Einen Videorekoder zu programmieren sollte selbst der größte Vollidiot noch hinbekommen. Und heute ist die Technik ja so viel weiter. Man kann aufnehmen UND gleichzeigt das gucken, was man gerade aufnimmt. Genial, oder? Da lässt sich auch die lästige Werbung vorspulen…

    Ansonsten ist die Streamingwelt einfach nur kaputt und unausgegoren. Viele TVs werden erst gar nicht unterstützt, braucht man also wieder Zusatzgeräte. Aber ob da alles läuft, was man sich so aboniert hat weiß auch niemand.
    Und das Angebot? Lieblingsserie A gibt’s bei Streaminganbieter Z, dafür gibt’s Serie B dort nicht. Die gibt’s bei Anbieter Y, der aber A nicht im Angebot hat. Was macht man jetzt? Beides Abonieren? Und wenn Y und Z beschließen, die Serien doch wieder aus dem Angebot zu kicken? Pech gehabt.
    Also, da kann ich auch gleich auf die DVD-Veröffentlichung warten, das ist stressfreier und kommt mich am Ende auch noch günstiger. UND mit DVD habe ich nicht das Problem, dass plötzlich die Leitung versagt oder der Stream ruckelt. Maxdome funktioniert oftmals am Wochenende einfach nicht. Meine Leitung ist schnell genug, aber die Kapazitäten von Maxdome reichen offenbar nicht aus.

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