Einundzwanzigkommaeins Kilometer

Ich staune ja immer, wenn Menschen in Laufzeitschriften oder anderswo schildern, dass sie ihren ersten Halbmarathon, Marathon oder was auch immer „genossen“ haben. Das kann ich von mir nicht behaupten. Dazu war es viel zu anstrengend. Und zu nass. Aber der Reihe nach …

Seit ungefähr 15 Jahren hatte ich die Absicht, einen Halbmarathon zu laufen. Das heißt natürlich auch, dass ich dieses Projekt 14 Jahre lang nicht ernsthaft betrieben habe. In diesen 14 Jahren bin ich immer ein bisschen gelaufen, mal mehr, mal weniger fit, gelegentlich mit Knieproblemen, man wird ja nicht jünger … und selten mehr als 10 Kilometer. Da war irgendwie immer Schluss.

Vor etwa einem Jahr habe ich dann begonnen, das Ziel Halbmarathon etwas ernsthafter anzuvisieren, wenngleich ich mir lange nicht vorstellen konnte, 21 Kilometer zu laufen (also am Stück, schneller als ein Spaziergänger und ohne einen Schwächeanfall zu erleiden). Ich bin in den letzten zwölf Monaten rund 100 Stunden durch die Gegend gelaufen, habe Fotos von meiner Laufrunde gebloggt und konnte die Distanz nach und nach steigern. Der Deal mit mir selbst war: Wenn du 18 Kilometer schaffst, meldest du dich zu deinem erste Halbmarathon an.

Gestern war es dann so weit: Der Seenlandmarathon rund um den Brombachsee in Mittelfranken. Sehr malerisch, schöne Aussichten, die einen von der Tatsache ablenken, dass man furchtbar weit laufen muss. So weit die Theorie. In der Praxis begann es 15 Minuten vor dem Start zu regnen und hörte die folgenden Stunden nicht mehr auf. Und es hat nicht nur geregnet, es hat GEREGNET!

Ab Kilometer 5 war alles durchnässt außer den Füßen. Gute Laufschuhe, muss ich sagen.

Bei Kilometer 8 sang Andreas Bourani auf meiner Playlist „Ein Hoch auf uns“. Das war etwas voreilig, es war ja noch nicht mal die Hälfte geschafft. Er sang aber auch „Im Regen stehn wir niemals allein …“ Damit hatte er Recht, immerhin waren über 1.000 Läufer auf der Strecke.

Ab Kilometer 12 war alles durchnässt einschließlich der Füße. Die restliche Strecke fühlte sich an als hätte ich Planschbecken statt Schuhen an den Füßen.

Bei Kilometer 16 half mir Brooke Fraser auf meiner Playlist durch ein kleines Formtief. Sie sang „Something in the water“, und ich muss sagen, auch sie hatte Recht. Da war was im Wasser. Ich. Ich war im Wasser.

Ab Kilometer 19 war das alles völlig egal, denn ich hatte meine alte 18-Kilometer-Marke geknackt und war mir sicher, dass ich in einem Stück das Ziel erreichen werde.

Und so war es denn auch. Ich war nass, aber glücklich. Kurz darauf kam meine Frau im Ziel an, ebenfalls nass, ebenfalls glücklich. Und wenn auch nicht der komplette Lauf ein Genuss war: Der Moment, in dem man über die Ziellinie läuft, ist schon einigermaßen unbezahlbar …

6 Gedanken zu “Einundzwanzigkommaeins Kilometer

  1. Ich finde auch, dass „Genuss“ das falsche Wort für diese Plagerei ist.

    Als ich meinen ersten Halbmarathon lief, dachte ich mir währenddessen „so eine blöde Idee“. Danach dachte ich mir „nie wieder“. Danach konnte ich zwei Tage vor Humpeln nicht laufen und kaum Treppen steigen, aber das war dann doch auch ein Gefühl, etwas geschafft zu haben, an meine Grenzen gegangen zu sein. Überraschung und Stolz über das Geschaffte.

    Und so lief ich dann doch immer mal wieder einen Halbmarathon, manchmal alle zwei Jahre, manchmal zweimal im Jahr. Nach einer längeren Pause will ich Ende dieses Monats in Montenegro laufen. Und für März 2015 habe ich mich schon für einen lange gehegten Traum angemeldet: Den Jerusalem-Halbmarathon.

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  2. […] Apropos Sportler: Die Vorstellung, 3,8 Km zu schwimmen, dann 180 Km mit dem Rad zu fahren und dann noch einen Marathon zu laufen, ist für mich völlig surreal. Die sportliche Leistung der Profis und Freizeit-Sportler in Roth ist unglaublich. Auch das könnte einen auf Distanz zur ganzen Veranstaltung gehen lassen (“die Verrückten da!”), tut es aber nicht. Denn auch Triathleten sind nur Menschen. Die Siegerin Yvonne van Vlerken war bei Marathon-Kilometer 32 – also mehr oder weniger kurz vorm Ziel – am Ende ihrer Kräfte und musste Gehpausen einlegen (bevor ihr die Zuschauer zuriefen: “Vonsy, du darfst hier nicht gehen!” – da ist sie weiter gelaufen …). Das kennt auch jeder normalsterbliche Hobby-Sportler, der versucht, ein Ziel zu erreichen, und sei es nur, erstmals im Leben 21 Km zu laufen. […]

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  3. […] (Es gibt natürlich 100 andere Gründe, ein bisschen Sport zu machen: zum Beispiel weil es Spaß macht (zumindest wenn man eine gewisse Initial-Quälerei mal überwunden hat). Weil man beim Joggen gut nachdenken und schöne Fotos machen kann. Und natürlich weil es ein sensationelles Gefühl ist, ein Ziel zu erreichen, das man lange für unerreichbar gehalten hat.) […]

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