Instagram: Märchenstunde im Bayerischen Rundfunk

Aus rätselhaft-nostalgischen Gründen glaube ich, Informationen in öffentlich-rechtlichen Sendern sollten einigermaßen ausgewogen sein. Dass das eher naiv und wirklichkeitsfremd ist, beweist immer wieder der Bayerische Rundfunk mit seinem „Computermagazin“. Wer hier mithört, lernt: Social Media sind gefährlicher Unfug …

Vor allem wenn man Social Media mit der Brille des Datenschützers betrachtet, die sich die BR-Redakteure besonders gerne aufsetzen. Diese Brille färbt die Welt schwarz und weiß: Datenschutz ist gut, alles andere böse.

Wie, ist Datenschutz etwa nicht gut? Doch, natürlich. Total sinnvoll, wenn er mit Augenmaß und Pragmatismus betrieben wird. Doch Datenschutz kann auch zu weit gehen, er kann Innovationen hemmen, Nutzer nerven oder bevormunden, Teil einer politischen Agenda sein. Datenschutz per se ist weder gut noch böse, er ist ein interessanter Aspekt in einer zunehmend digitalen Welt.

Das sieht man in der Computermagazin-Redaktion des BR freilich anders. Ein Beispiel: der jüngste Bericht* über das Wachstum der Foto-Plattform Instagram, eine meiner Lieblings-Apps, weshalb ich beim Bericht auch genau hingehört habe.

Partyfotos und Bikinibilder? Schrecklich!

Im Computermagazin findet man Social Media generell ein bisschen doof, kindisch und überflüssig. Folgerichtig beginnt der Instagram-Beitrag mit O-Tönen von Teenagern, die solche Foto-Plattformen „mega“ finden und leicht hysterisch kichern, weil man ihnen ein Mikrophon unter die Nase hält.

Nach einer kurzen Erklärung, wie Instagram funktioniert, tut das Computermagazin das, was es am liebsten macht: Es beschäftigt sich mit den Risiken, die diese kleine App mit sich bringt. Oder besser gesagt: damit, was man für Risiken hält:

Wer in der App stöbert, findet schnell auch ganz private Aufnahmen. Partyfotos oder Bikinibilder aus dem Urlaub.

Während ich noch darüber sinniere, was an Partyfotos und Bikinibildern so ungewöhnlich oder bemerkenswert ist, gibt mir das Magazin Interpretationshilfe, indem es – Überraschung! – eine Datenschützerin zu Wort kommen lässt, die „von solchen Posts abrät, da die Bilder schnell in falsche Hände geraten könnten.“

Raunen von der Gefahr

Welche Hände das sein könnten, erfährt man nicht. Wer ein Interesse an Bikinibildern von irgendjemandem haben könnte, was genau er damit machen und wem das wie schaden könnte: Man weiß es nicht. Nachfrage an die Datenschützerin: Fehlanzeige. Es wird nur raunend das Bild einer diffusen Gefahr heraufbeschworen.

Nebenbei zeigt sich dann, dass der Beitrag nicht nur tendenziös, sondern auch schlecht recherchiert ist. Die Behauptung, man müsse sich registrieren, um die Bilder von anderen Nutzern anschauen zu können, ist schlicht falsch. Im Web könnt ihr mit nur einem Klick und ganz ohne Registrierung meine Instagram-Bilder anschauen.

Zur Märchenstunde wird die Sendung dann vollends, wenn es um Rechte an den Bildern geht: Der Nutzer müsse lernen,

dass er sämtliche Rechte an diesen Bildern abgibt, also, er darf sie mitnutzen, die Bilder, die er einstellt, aber er gibt Instagram und seinen Partnern ein sehr, sehr weitreichendes und ein zeitlich und örtlich nicht begrenztes Nutzungsrecht.

Und dann kommt die Hexe und frisst den Nutzer auf! Nein, im Ernst: Man gibt natürlich nicht „sämtliche Rechte“ an Instagram ab, das geht auch gar nicht. Sein Urheberrecht zum Beispiel kann man gar nicht abgeben, das hat sich nur noch nicht bis in die Redaktion des BR herumgesprochen. Das Urheberrecht auch an meinen Instagram-Bildern behalte ich bis 70 Jahre nach meinem Tod. Wenn mich morgen der Blitz trifft also bis ins Jahr 2085.

It’s the internet, stupid!

Was man tun kann: anderen Nutzungsrechte an seinen Fotos einräumen. Das tut man aktiv und nicht passiv. Es ist also kein schwerer Schlag des Schicksals, dass man Nutzungsrechte an Instagram abtreten muss, sondern eine Entscheidung des Nutzers, das zu tun. Nur: Wozu in aller Welt braucht Instagram diese Nutzungsrechte? Ganz einfach: um die Bilder anzuzeigen. Um das zu tun, wofür die App da ist und weshalb der Nutzer sie nutzt. Deshalb zum Beispiel auch das „örtlich nicht begrenzte Nutzungsrecht“ – it’s the internet, stupid! Oder sollen vielleicht nur Nutzer im Umkreis von 5 Kilometern das Bild angezeigt bekommen?

Und was ist mit den Partnern, die diese Nutzungsrechte auch noch bekommen? Lauert wenigstens hier ein ordentlicher Skandal? Leider nein. Der Partner ist zum Beispiel Facebook, das Bilder in der Timeline des Nutzers anzeigt, wenn der Nutzer die Apps miteinander verknüpft hat – übrigens eine der großen Stärken von Instagram: das einfache und reibungslose Teilen von Bildern auch in anderen Netzwerken.

Und so fällt die Drohkulisse „Nutzerrechte“ wie ein Kartenhaus in sich zusammen – vorausgesetzt man recherchiert ein bisschen und möchte halbwegs objektiv berichten.

Mit der Datenschutz-Keule die App erschlagen

Aber kehren wir nochmal zum Datenschutz zurück, der Keule, mit der man im Bayerischen Rundfunk auch die letzte kleine App totschlägt. Denn was passiert mit den Nutzerdaten?

Instagram kann Fotos und andere Nutzerdaten wie Name oder Geschlecht an andere Unternehmen weitergeben. Damit wird zum Beispiel die Werbung in der Fotoapp personalisiert. (…) Instagram weiß auch, wo der Nutzer sich gerade aufhält und kann diese Info an andere Firmen weitergeben.

Instagram kann auch kleinen Kindern ihre Halloween-Süßigkeiten wegnehmen oder die Weltherrschaft anstreben. Tut es aber (wahrscheinlich) nicht. Dass Datenschützer gerne den Teufel an die Wand malen und in Worst Case-Szenarien schwelgen, habe ich kürzlich schon mal ausgeführt. Dass Redaktionen diese Sichtweise 1:1 übernehmen, finde ich rätselhaft.

Das Märchen, dass soziale Netzwerke Nutzerdaten an Dritte verscherbeln, ist übrigens asbach-uralt, wird aber durch ständige Wiederholung nicht richtiger. Passt aber natürlich super ins finstere Weltbild der Computermagazin-Redaktion. Folgerichtig orakelt der Moderator am Ende des Beitrags:

Bemerkenswert: Man stellt seine Bilder ins Netz und kann nicht mehr steuern, was damit passiert. Man gibt sogar die Rechte an seinen eigenen Fotos zumindest teilweise ab. Und diese Kröte schlucken Hunderte Millionen Nutzer.

Es geht auch anders …

Nein. Bemerkenswert ist, dass der Bayerische Rundfunk nicht in der Lage oder willens ist zu verstehen, dass 400 Millionen Nutzer Instagram gerne nutzen. Nicht weil sie naive Idioten sind, denen die Erleuchtung des Datenschutzes einfach noch nicht zuteil wurde, sondern weil sie finden, dass die App mehr Vor- als Nachteile mit sich bringt.

Aber eher fährt ein Fisch Fahrrad als dass im Computermagazin des BR mal ausgewogen über soziale Medien berichtet wird – ohne oberlehrerhaftes Gehabe und herablassende Belehrungen.

Dass es auch anders geht, zeigt zum Beispiel regelmäßig die Sendung Breitband im Deutschlandradio. Oder jüngst die Süddeutsche Zeitung, die kritisch, aber auch neugierig über eine Selfie-Ausstellung berichtet:

Die Ausstellung dokumentiert die schier überwältigende Flut an Selfies, die man hier thematisch gegliedert tapetenweise an die Wand gebracht hat: Stinkefinger, Fußfotos, Webcam-Posen. (…) Mit den Positionen, die die Düsseldorfer Ausstellung dokumentiert, sind mehr Fragen zum digitalen Ich gestellt als beantwortet. Das ist gut so. Denn während die Welt anscheinend in Exhibitionisten und Voyeure zerfällt, in der unersättliche Blicke auf milliardenfache Ich-Belege treffen, wird doch diese eine Instanz immer fragwürdiger: Kann ein derart überinszeniertes Ich noch „ich“ zu sich sagen?

Am Computermagazin des BR habe ich mich übrigens schon mal abgearbeitet. Damals gab es eine Märchenstunde zum Thema Quantified Self.

*Ausgabe vom 25.10.2015, ab 05:57, im Web oder direkt die mp3

21 Gedanken zu “Instagram: Märchenstunde im Bayerischen Rundfunk

  1. Wobei es schon einen defacto-Registrierzwang gibt. Versuch mal ohne Anmeldung etwas zu finden, geht nämlich nicht. Bei YT oder Flickr kann ich ohne Anmeldung alles anschauen, bei Instagram bin ich nur geduldeter Gast. Lediglich von Usern verlinkte Fotos kann ich sehen.

    Von daher erklären sich wohl auch die 400 Millionen „Nutzer“, die eher Registrierungen sind. Aber das ist nicht Neues, so rechnet sich jeder Anbieter seine Nutzerzahlen schön.

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    • Für die App-Nutzung muss man sich ja in jedem Fall registrieren, und das dürfte doch 95% der Nutzung ausmachen. Im Computermagazin war nur explizit davon die Rede, dass man auch am PC nur registriert etwas sehen kann, und das stimmt halt nicht …

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      • Klar geht das über irgendwelche Umwege, die man als Blogger kennt. Auch kann man durch manuelles Anpassen der URL in den Fotos stöbern und kommt dann auch zu einem Suchfeld. Aber das ist ja nicht der Sinn der Sache und der Großteil der Internetnutzer ist da wohl auch überfordert. Die Besucher werden schon bewusst dazu gedrängt einen Account anzulegen. Von daher kann man schon von einem gewissen Registrierungszwang sprechen.

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  2. „Social media“, vulgo: Facebook
    …ist KEIN Kindergarten? keine Datenkrake? kein Steuerhinterzieher?
    Sondern natürlich was ganz tolles, schickes, modernes?
    So wie Modern T…, sorry: Nordic Walking?

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  3. Laufen nicht gefuehlt 77,3% der Sendugen im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk darauf hinaus vor Medien die nicht quasi-steuerfinanzierter ÖR sind zu warnen? Kabelfernsehen, Internet-alles unkontrollierter Entertainment-Schmus den man eigentlich nicht braucht-BR schauen und hören und man weiss, was wichtig ist ;)!

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  4. Hmm, du unterstellst dem BR schlechte Recherche und hast selbst nicht korrekt recherchiert (Urheberrecht, DeFacto-Registrierzwang).
    Und du behauptest, 1400x ganz bewusst das Nutzungsrecht an deinen Bildern an Instagram und zugehörige Unternehmen (wie Facebook) übertragen zu haben?!
    Denn du hast ja mal (vor Jahren) auf „Einverstanden“ geklickt:
    „gewährst du Instagram hiermit eine nicht-exklusive, vollständig bezahlte und gebührenfreie, übertragbare, unterlizenzierbare, weltweite Lizenz für die Nutzung der Inhalte, die du auf dem oder durch den Dienst postest…“

    Deine Argumentation klingt eher nach normalem Benutzer: ‚Das ist hier kostenlos und funktioniert doch super.‘ Dass du mit deinen Daten bezahlst und das zeitlich unbegrenzt ist dir natürlich immer bewusst. Und den anderen 399 Millionen im Bikini auch. Oder hat Facebook gerade die Gemeinnützigkeit beantragt?

    Ich bin zum ersten Mal hier – und sorry: Auch zum letzten Mal.

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  5. Ich bin seit 1997 im Internet. Seit etlichen Jahren betreibe ich einen Blog, in den sozialen Netzwerken bin ich sehr öffentlich. Tante Google und Facebook haben meine Daten – wenn an der Panikmache vom großen Datenverscherbeln etwas dran wäre, würde ich – nach nun ein paar Jahren des Sammelns meiner Vorlieben – ja irgendwann mal „passende“ Werbeanzeigen sehen.

    Tue ich aber nicht. :-)

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  6. Ich wollte erst einen länglichen Rant über deine einseitige Sichtweise und deine teils falschen Behauptungen schreiben. Denke aber das ist in gewissen Personenkreisen einfach unnötig, da selbst faktische Kritik nicht ankommt. Am meisten ärgert mich hier die Tatsache das dieser Artikel komplett sinnfrei bei bildblog gelandet ist. Informier dich noch einmal ganz genau über das Thema mit den Daten, denn das, was allfacebook.de da schreibt ist schlicht und ergreifend unkorrekt. Nicht falsch, aber auch nicht richtig. Da werden nur lediglich entscheidende Fakten weg gelassen die das ganze Thema in einem gänzlich anderen Licht erscheinen lassen…

    Und an Personen wie z.B. Kai Sender über mir: Fangt endlich mal an über euren Tellerrand hinaus zu schauen und schaut euch an was in dem Land passiert, das diesen ganzen Kram exportiert: In den USA sind die da schon viel weiter und das schwappt nach und nach hier her. Hier geht es nicht um Datenschutz, Links, Rechts oder irgendeine Farbe. Wenn mit etwas Geld gemacht werden kann, dann wird das auch passieren. Egal wie. Gesetze hin oder her…

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  7. Ich kenne zwar nicht den Computerclub im Bayrischen Rundfunk und es mag sein, dass man die Dinge dort etwas einseitig darstellt, aber deine Sorglosigkeit im Umgang z.B. mit Instagram teile ich nicht. Eine große Nutzergemeinde sagt nichts über die „Unbedenklichkeit“ eines solchen Angebots aus, man kann davon ausgehen, dass 90% der Nutzer sich dort engagieren ohne die AGBs zu kennen oder gar zu wissen, dass sie die Rechte an ihren Bildern an Instagram abtreten.

    Nicht alles was leicht zugänglich ist und vordergründig Spass macht , ist auch empfehlenswert. Instagram gehört zu Facebook, das heißt hier geht es nur darum jegliche Art von Informationen im wirtschaftlichen Sinne zu verknüpfen, auszuwerten und ggf. teuer weiterzuverkaufen – warum man sich das freiwillig antut wird mir immer ein Rätsel bleiben. Das Internet bietet viele tolle Möglichkeiten, aber diese Form von „Social Networks“ gehört in meinen Augen nicht dazu – mit „sozial“ haben sie herzlich wenig zu tun. Wenn ich an die 90iger Jahre zurückdenke, dann gab es mal ein „Social Network“, es nannte sich FidoNet – es basierte auf dem selbstlosen Engagement seiner weltweiten Nutzer ohne jegliche wirtschaftliche Hintergedanken.

    So gesehen ist die heute weit verbreitete Naivität, die oft auch auf Unwissen gegründet ist, im Umgang und der Nutzung von social networks ziemlich erschreckend. Jeder hat so viele Möglichkeiten sich im Internet z.B. durch ein eigenes Blog zu verwirklichen, da muss man sich wirklich nicht in die Fänge von z.B. FB begeben – ich halte es für viel wichtiger sich mit der Technik dahinter auseinander zu setzen, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können und nicht blindlings der Lemmingshorde hinterherzulaufen.

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  8. Hat der BR von naiven Idioten gesprochen? Nein, aber Sie. Üble rhethorische Figur. 99% der Nutzer von Social Media scheren sich einen Dreck um den Schutz ihrer eigenen Daten, weil sie naiv, technisch inkompetent oder den sozialen Wettbewerb höher einschätzen als sich selbst. Wenn Sie das gut finden, Ihr Problem. Dass der BR hier nur seine Hausaufgaben macht und vorher Ihre naive Meinung nicht eingeholt hat: gut so.

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  9. Ich finde es schon irgendwo witzig: Sie kommentieren einen Beitrag der angeblich nicht vernünftig recherchiert ist und unterlassen erst einmal das Rechechieren. Sie als einzelne Person mögen ja genau wissen welche Rechte sie abgeben und ob es sinnvoll für sie ist, sich im Bikini zu zeigen, viele Eltern wissen so etwas aber nicht. Und gerade bei denen ist das Risiko dass das Kind Bikini-Fotos hochlädt und somit unangenehme Zeitgenossen anlockt, einfach weil es nicht überschauen kann oder will, was da alles passieren kann, doch deutlich größer.
    Und dass die 400-Millionen Nutzer die da angeblich sind, von denen wahrscheinlich nicht soo viele auch aktiv sind, auch alle wissen, was mit ihren Daten passiert oder im schlimmsten Fall passieren kann, diese Aussage halte ich für sehr gewagt. Meine Erfahrung ist eher, dass von einer Nutzerbasis vielleicht 10% der Leute wirklich wissen was sie tun und der Rest macht halt einfach mal.

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  10. Anscheinend hat es sich noch nicht bis zu Ihnen rumgesprochen, wie gerne heutige Personalabteilungen sich Informationen über Stellenbewerber aus den social media besorgen. In deren Bewertungsraster lösen z.B. „lustige“ Partyfotos und sonstige, von den dargestellten Personen oft als harmlos gemutmaßten Posts Assoziationen aus, die nicht unbedingt richtig sein müssen, aber einem Stellenbewerber zum Verhängnis werden können – und das ist nur ein denkbares Szenario. Wer das ignoriert, ist einfach kurzsichtig und unvorsichtig. Was um aller Welt ist los, dass Leute meinen, ihr Privatleben für alle Welt frei zugänglich machen zu müssen? It’s the Internet, stupid!

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