Homöopathie verstehen (4): Abschied vom Wunschdenken

Die bisherigen Beiträge dieser kleinen Serie haben gezeigt, dass Homöopathie auf einer sehr seltsamen Idee basiert, ihre Wirkstoffe bis zum völligen Verschwinden verdünnt und dabei – vorsichtig gesagt – recht merkwürdige Rituale anwendet. Trotzdem könnte es ja sein, dass sie wirkt. Also: Tut sie das?

„Aber bei mir hat’s geholfen.“ Dieser Satz fällt irgendwann in fast jeder Diskussion rund um Homöopathie. Es findet sich immer jemand, der am eigenen Leib erlebt hat, dass nach Globuli-Einnahme der Schnupfen verschwunden, die Müdigkeit wie weggeblasen und der Kopfschmerz beseitigt war. Homöopathie wirkt also, das kann man doch angesichts solcher Erlebnisse nicht leugnen. Oder?

Randomisiert, kontrolliert, doppelblind

Um sicher zu sein, dass eine Heilung tatsächlich auf ein bestimmtes eingesetzte Medikament zurückzuführen ist, gibt es vor allem eine zuverlässige, aber auch gänzlich unumstrittene Methode, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt und jenseits von Glaube und Hoffnung zu Erkenntnis führt. Eine, die sicherstellen kann, dass Heilung auf Kausalität statt nur auf Korrelation beruht: Es ist die randomisierte kontrollierte Doppelblindstudie.

Klingt kompliziert, ist aber genauso einfach wie genial: Kontrolliert bedeutet, dass es eine Gruppe gibt, die das Medikament bekommt, und eine Kontrollgruppe, die ein Placebo (also ein nicht wirksames Scheinmedikament) bekommt. Randomisiert bedeutet, dass die Zuordnung der Patienten zu einer der beiden Gruppen nach dem Zufallsprinzip erfolgt. Und doppelblind bedeutet, dass sowohl die Versuchspersonen als auch die behandelnden Ärzte nicht wissen, wer Medikament und wer Placebo bekommt.

Abschied vom Wunschdenken

Evidenzbasierte Medizin versus Wunschdenken der HomoeopathieAm Ende der Studie wird verglichen, ob die Patienten, die das Medikament bekommen haben, signifikant bessere Heilung zeigen als diejenigen, die das Placebo bekommen haben. Falls ja ist eine Wirkung nachgewiesen, falls nein eben nicht.

Diese Methode hat einen grandiosen Vorteil: Sie ist unbestechlich, gnadenlos objektiv und schließt Wunschdenken aus. Sie hat den kleinen Nachteil, dass sie ziemlich aufwändig ist. Aber immerhin geht es um Medikamente und Gesundheit.

Über die Wirkung homöopathischer Mittel wie jeglicher anderer Mittel und Medikamente brauchen wir nicht mehr zu diskutieren, sobald randomisierte kontrollierte Doppelblindstudien diese Wirkung nachweisen.

Homöopathische Mittel = Placebos

Tun sie aber nicht. Metastudien, bei denen viele Einzelstudien analysiert werden, kommen immer zum gleichen Ergebnis: Etwa im Jahr 2002: „There was no homeopathic remedy that was demonstrated to yield clinical effects that are convincingly different from placebo“ Oder 2005: „Clinical effects of homoeopathy are placebo effects.“ Oder aktueller im Jahr 2014: „Bei einer Reihe von Krankheiten helfen homöopathische Mittel nicht besser als Placebos.“

Eine weitere wichtige Erkenntnis dieser jüngsten Metastudie: „Es gibt zwar Studien, die Homöopathika eine gewisse Wirksamkeit bei manchen Krankheiten bescheinigen – doch diese Studien sind nicht solide gemacht und damit auch nicht verlässlich.“ Diese Erkenntnisse zieht sich wie ein roter Faden auch durch ältere Metastudien: „Je besser die Studie, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass man keine Wirksamkeit von Homöopathika jenseits des Placeboeffekts feststellen kann.“

Die Homöopathie-Ausnahme: Zulassung ohne Prüfung

Arzneimittelgesetz - Sonderrolle der HomöopathieGut zu wissen, wenn ihr beim Googlen auf Jubelmeldungen von Homöopathen stoßt, dass die Wirkung ihrer Zuckerkügelchen bewiesen sei. Viele Homöopathen verzichten aber auf solche Meldungen. Erstens weil sie es besser wissen. Und zweitens weil sie es gar nicht nötig haben. Denn Homöopathie zählt lustiger- und rätselhafterweise „nach dem Arzneimittelgesetz von 1976 zu den sogenannten besonderen Therapierichtungen, deren Heilmittel gar nicht den strengen Prüfungsanforderungen unterliegen, die an reguläre Arzneimittel gestellt werden. Ihre behauptete Wirkung muss insofern gar nicht anhand der wissenschaftlichen Kriterien nachgewiesen werden, die Maßstab der Zulassung jedes anderen Medikaments sind.“

Aber halt, werdet ihr sagen. Wie kann es dann sein, dass Homöopathie bei mir doch gewirkt hat? Ich hab’s doch erlebt! Ich hab mir das doch nicht eingebildet!

Dazu mehr in Teil 5 dieser kleinen Serie

tl;dr

Objektiv und evidenzbasiert betrachtet sind Homöopathika nichts anderes als Placebos.

Mehr lesen, um Homöopathie zu verstehen

 

Bildnachweis: Wunschzettel 311/365 via photopin (license)


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11 Gedanken zu “Homöopathie verstehen (4): Abschied vom Wunschdenken

  1. Selbstverständlich sind es Placebos, das ist doch eine Binsenweisheit. Die Anhänger dieser Lehre (mich selbst zähle ich nicht dazu) mögen anderes behaupten, who cares?

    Das dumme ist: Man kann noch so viel randomisiert doppelblindstudieren. Placebeos wirken nun mal auch, teilweise sogar fast so gut wie echte Wirkstoffe.

    Wäre dem nicht so dann gäbe es auch keinen Placeboeffekt. Und woher kommt diser Effekt, ihr neunmalklugen Apparatemediziner (mit zweifellos hervorragenden Ergebnissen in vielen Bereichen, aber eben nicht allen)? Wäre dem der eine Antwort darauf nicht weiß nicht geboten sich an die eigene Nase zu fassen?

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    • Freu dich auf Teil 5, der sich u.a. mit Placebos beschäftigen wird. Dass Homöopathika „selbstverständlich“ Placebos sind – diese Erkenntnis ist unter Homöopathie-Freunden nun wirklich nicht weit verbreitet, aber schön, dass sie bei dir angekommen ist. Wer sich warum an welche Nase fassen soll, verstehe ich leider nicht.

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  2. Naja,erst einmal ist die Diskussion ja alles andere als neu. Das von dir geschriebene hab ich so in ca. 5 Jahresabständen mehrfach gelesen und auch schon ähnlich kommentiert. Irgendeiner meint immer andere aufklären zu müssen. Bringen tut das gar nichts, wer es wissen will kann sich die Infos jederzeit besorgen.

    Wissenschaftlich ist Homöopathie nicht haltbar. Das ist common sense bei den „Ungläubigen“, mit nachvollziehbaren Argumenten. Für mich gibt es aber nur einen Grund andere belehren zu wollen, Das ist der Fall wenn die Methoden mehr Schaden als nützen, was bei der Homöopathie sehr selten ist.

    Seltener jedenfalls als z.B. alte sterbende Menschen in Krankenhäusern aus Abrechnungsgründen totoperiert werden (hab ich selber mehrfach erlebt) oder in der Pharmaforschung Ergebnisse – sagen wir mal „geschönt“ werden (was ich wiederum aus erster Hand von Studienleitern mit einem Gewissen weiß).

    Homöopathie hat übrigens auch bei mir schon gewirkt, obwohl ich nicht dran „glaube“. Das eigene Erlebnis das sich eine tiefe Schnittwunde am Fuß sehr viel schneller als sonst schloss als Sie in einem Kloster von einer Nonne behandelt wurde (ein Mensch der eine unglaublich liebevolle Ausstrahlung hatte) kann ich mir bis heute nicht erklären.

    Rein methodisch gesehen ist eine Doppelblindstudie übrigens gar nicht durchführbar da ja die Gabe eines Medikamentes nicht ohne das Wissen des Patienten durchzuführen ist. Des weiteren vertreibt eine wissenschaftliche herangehensweise imho ja genau die Faktoren die in diesen Voodoo Techniken wirken bzw. wirken sollen.

    Letztlich mal so ganz prinzipiell und stark verkürzt:
    Ist Wissenschaft nicht auch ein Glaube? Sind wir wirklich „wissend“ nur weil wir uns über den Neandertaler und das Mittelalter erhoben haben? Werden sich die Menschen in einigen Jahrhunderten nicht vielleicht genau so über uns primitive Wildmenschen – die in stinkenden knatternden Blechkisten herumfuhren und sich für den Nabel der Welt hielten – und ihren glauben amüsieren wie wir es mit dem unserer Vorfahren tun? b

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    • Wahrscheinlich sind wir gar nicht so weit auseinander … Zu deinen Argumenten:

      Nein, neu ist das nicht. Diskussionen um Presse- und Meinungsfreiheit sind auch nicht neu und sollten dennoch immer mal wieder geführt werden. Insofern ist „neu“ für mich kein Relevanzkriterium, schon gar nicht hier im Blog, wo ich schreibe, worüber ich Lust habe zu schreiben. Ist schließlich kein Nachrichtenmagazin hier.

      Ja, es gibt auch Missstände in der konventionellen Medizin. Ist aber kein Grund, sich nicht mit Missständen anderswo zu beschäftigen.

      Bei einer Doppelblindstudie wissen Patienten definitiv nicht, ob sie ein Medikament oder ein Placebo bekommen. Der behandelnde Arzt weiß es auch nicht. Nur der Studienleiter.

      Und der Unterschied zwischen Wissenschaft und Glaube ist, dass Wissenschaft überprüfbar ist. Und nicht nur das, sie will überprüfbar sein, sie ist auf Widerspruch angelegt und ausgerichtet. Sie formuliert Thesen, die dann verifiziert, modifiziert oder falsifiziert werden. Und die Falsifizierung ist nichts Schlimmes, sondern normal im Prozess des Erkenntnisgewinns (im Sinne Karl Poppers). Glaube hingegen schottet sich ab, entzieht sich der Überprüfbarkeit, versucht sich damit unangreifbar zu machen und duldet insofern auch keinen Widerspruch. Glaube ist, wenn man so will, selbstherrlich und dogmatisch. Glaube ist damit absolut nichts Schlechtes, jeder glaubt an irgendetwas. Aber es ist etwas völlig anderes als Wissenschaft.

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