Wie man einen Shitstorm erntet. Garantiert.

In den Zeiten professioneller werdender Kommunikation in sozialen Medien muss man ja fast dankbar sein, wenn ein Unternehmen es mal wieder richtig vergeigt. Der Dank geht an die Hamburger Hochbahn, die uns ein Anschauungsobjekt liefert, wie man es wirklich nicht machen sollte …

Nehmen wir also das jüngste Beispiel und lernen wir, wie man in nur 3 Schritten garantiert einen Shitstorm erntet:

Schritt 1: Mache einen Fehler

Wie hieß es jüngst in einer Studie zu Shitstorms bzw. Collaborative Brand Attacks: „Alle Shitstorms haben einen Auslöser – zumeist ein wahrgenommenes Fehlverhalten des betroffenen Unternehmens.“ Dabei ist es sehr hilfreich, wenn du einen wirklich öffentlichkeitswirksamen Fehler machst. Einen, der ordentlich Empörung auslöst. Benimm dich richtig daneben und lass das am besten an einer Minderheit aus. Du könntest zum Beispiel einen Behinderten aus einem Bus werfen und ihm den Transport verwehren:

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So weit so gut. Das reicht aber noch nicht für einen Shitstorm. Ganz entscheidend ist …

Schritt 2: Sei arrogant und beharre darauf, im Recht zu sein

Auch dazu gibt uns die zitierte Shitstorm-Studie das nötige theoretische Wissen: „Mit einem Shitstorm konfrontiert, sollten Unternehmen möglichst schnell reagieren und auf Augenhöhe mit den Nutzern in einen Dialog treten. Was wir beispielsweise als Robin-Hood-Effekt bezeichnen, ist die arrogante oder machtausübende Reaktion eines Unternehmens. Dadurch entsteht ein Zusammenhalt vieler eigentlich schwacher Nutzer mit dem gemeinsamen Ziel, gegen die aus ihrer Sicht ungerechte Reaktion virtuell zu kämpfen.“

Auch hier besteht die hohe Kunst natürlich darin, den richtigen Ton zu treffen. Sei unnahbar und von oben herab. Empathie ist der Tod jedes Shitstorms. Argumentiere abstrakt und rational in einer emotionalen Diskussion – „Sicherheit“ kommt da immer gut. Gib ein „Statement“ ab statt Dialog anzubieten. Bitte nicht um Verständnis, sondern bedanke dich dafür – das ist immer raffiniert, weil du damit Verständnis unterstellst, das dein Gegenüber gar nicht hat. Das bringt ihn so richtig auf die Palme. So ungefähr:

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Schritt 3: Ruder zurück, aber nur ein bisschen

Die Grundlagen für einen veritablen Shitstorm sind gelegt. Die ersten Nutzer teilen die Geschichte, reichweitenstarke Multiplikatoren machen mit, erste klassische Medien zeigen Interesse – Glückwunsch, du bekommst Öffentlichkeit!

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Jetzt heißt es, das Momentum nutzen, damit der Shitstorm nicht zu früh in sich zusammenbricht. Spiel zum Beispiel den Einzelfall gegen die Mehrheit aus. Was ist schon das Interesse eines einzelnen Behinderten gegen das Sicherheitsbedürfnis aller anderen? Verschanz dich schön hinter „Gutachten“ und „Regeln“, die Community mag das. Und mach einen absurden Vorschlag, zum Beispiel dass der Gehbehinderte zu einem Sitzplatz gehen oder vom Fahrer dorthin getragen werden sollte (kommt gut bei Kleinwüchsigen, wenn man sie wie ein Kind behandelt):

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So, viel mehr ist gar nicht nötig. Du erntest, was du gesät hast. In sozialen und klassischen Medien:

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Natürlich musst du am Schluss einlenken. Das hättest du auch gleich tun und dir den ganzen Zirkus sparen können. Du hättest gleich Verständnis zeigen und ein persönliches Gespräch anbieten können. Dann wäre sogar dein berechtigtes Argument durchgedrungen, dass du durchaus auch für die Sicherheit aller Fahrgäste sorgen musst. Aber dazu saßen am Anfang halt nicht die richtigen Leute am Abzug Twitter- und Facebook-Account, dazu bedurfte es erst mal ein paar interner Abstimmrunden:

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Immerhin: Ende gut, alles gut. Auf schmerzhaften Umwegen zum Happy Ende:

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Danke jedenfalls für das schöne Beispiel.

PS: Ich schrieb schon mal über die Hamburger Verkehrsbetriebe, damals ging es lustigerweise auch um Kommunikation. Wie sagte ich damals geradezu prophetisch? „Es fällt auf, das man auch andernorts in Hamburg zu Regulierung und Belehrung neigt …“

Quellen: www.facebook.com/michel.arrienswww.facebook.com/hochbahn, bild.de

8 Gedanken zu “Wie man einen Shitstorm erntet. Garantiert.

  1. Hmmmm – Öffentlichkeitsarbeit ist sicher ein schwieriges Ding. Aber ich sehe zunächst zwei völlig unterschiedliche Aussagen. Und damit wird es dann auch für Außenstehende schwierig, es objektiv zu bewerten. Ich fand auch die erste Reaktion nicht so wirklich gelungen (blöder Tonfall) aber andererseits auch nicht diskriminierend. Wenn man gekränkt ist resp. ganz offensichtlich benachteiligt wird, dann hilft einem so ein Text praktisch gar nix. Und damit hat man dann wohl auch den Shitstorm verdient.

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      • Natürlich geht es um richtig oder falsch. Immerhin vertrittst Du ja die Meinung, dass die Reaktion der Vertreter der Hochbahn falsch war ;-)
        Die Frage ist nur: ist der Shitstorm wirklich relevant? Ist negative Publicity nicht auch Publicity?
        Das Problem ist hier doch ein ganz anderes. Jemand fühlt sich gekränkt und falsch behandelt. Er nutzt bewusst die sozialen Medien, um auf dieses Unrecht aufmerksam zu machen. Der Text wird wohlfeil formuliert. Botschaft: ich arm und unschuldig, Hochbahn und Leitstelle böse. Zustimmung einiger nicht repräsentativer Empörter garantiert. So funktionieren die sog. Sozialen Medien. So agieren auch die Populisten, wie Du ja aus Filterblase 2 bestens weißt. Vermutlich war keiner der Empörten dabei und keiner weiß, wie die Situation sich tatsächlich abgespielt hat. Aber alle reden darüber und regen sich mehr oder weniger darüber auf.
        Der einzige Fehler, den die Hochbahn gemacht hat, ist, sich überhaupt in die sog. Sozialen Medien begeben zu haben. Die Hochbahn wird genutzt von denen, die sie brauchen. Der geschilderte Vorfall erzeugt einen Shitstorm und ein wenig Publicity, deswegen werden jetzt nicht tausende ihr Abo kündigen und auf eine Alternative umsteigen. Schon gar nicht aus Verbundenheit und Mitleid mit dem Betroffenen.
        Ja, wirst Du sagen, aber die Präsenz in den sog. Sozialen Medien ist doch auch ein Qulitätssicherungsinstrument für die Hochbahn. Sie bekommt mit, wenn es Missstände gibt. Wenn sie dort professionell auftritt, dann kann das positive Effekte erzeugen (mehr Abos?) oder negative vermeiden (Vandalismus?). Vielleicht.

        Aber wird es vermeiden, dass Menschen Fehler machen, dass sich Menschen – berechtigt oder nicht – ungerecht behandelt fühlen? Nein. Also geht es am Ende nur darum, sich nach außen „professionell“ und „kundenorientiert“ darzustellen? Ändert das irgendwas an der alltäglichen Situation der Angestellten, am Verhalten unfähiger Vorgesetzter, an den Vorgaben zu Pünktlichkeit (die hier ja auch eine Rolle gespielt haben könnte), an der Unfähigkeit der breiten Masse, sich in dieser Situation für den Betroffenen einzusetzen, aktiv zu helfen, eine Lösung anzubieten, einen Platz frei zu machen, Hand anzulegen oder den Fahrer darauf aufmerksam zu machen, eine Lösung zu finden?
        Ich sag Dir ganz ehrlich, ich gebe nichts auf diese professionelle aalglatte Öffentlichkeitsdarstellung von Unternehmen. Sie ist in hohem Maße unehrlich, weil sie zu oft darauf abzielt, politisch korrekt zu agieren, und nur ja keine negativen Reaktionen hervorrufen.
        Am Ende mag ein Shitstorm auf einem Kommunikationsproblem durch eine falsche Reaktion entstanden sein, und wie jeder Sturm geht das vorüber. Aber ganz am Anfang gab es auch schon einige Kommunikationsprobleme. Und die werden nun mal nicht durch die soz. Medien gelöst, sondern im Gegenteil befeuert. Kommunikation und Wirkung. Und dann geht es am Ende doch um ehrlich oder unehrlich, wahr oder gelogen. Oder eben um richtig oder falsch.

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      • Also, mit richtig und falsch meinte ich den Sachverhalt, den man an anderer Stelle auch mit mir diskutieren wollte. Hat die Hochbahn richtig gehandelt, weil sie die Sicherheit aller im Blick hatte etc. Dazu habe ich zwar eine Meinung, darum ging es mir aber nicht im Blog-Beitrag. Da ging es um die Kommunikation der Hochbahn.

        Relevanz von Shitstorms und warum ist die Hochbahn überhaupt in sozialen Medien aktiv? Nein, es kündigen nicht Tausende ihr Abo. Und ich kenne die Stratgie der Hochbahn nicht, man müsste wissen, welche Ziele sie durch Kommunikation in sozialen Medien erreichen will. Wissen wir aber nicht. Ich habe nur den leisen Verdacht, dass Reputationsverlust nicht zu diesen Zielen gehört.

        Ansonsten war Kommunikation von Unternehmen (insbesondere staatlichen oder kommunalen mit Monopol) mit Kunden früher sehr asymmetrisch. Das hat sich ein bisschen verändert. Das finde ich erst mal nicht schlecht, und in sehr vielen Fällen sind Social Media einfach nur ein smarter Rückkanal, um schnell mit einem Unternehmen kommunizieren zu können.

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  2. Und wie bekommen wir jetzt einen richtig professionellen Shitstorm gegen Frau Widmann-Mauz hin, parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, die die Schirmherrschaft über den Weltkongress der Homöopathen übernommen hat? Solche Aktionen funktionieren meist nur bei social-interest-Themen.

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  3. Sicher war Reputationsverlust kein Ziel der strategischen Planung. Aber nochmal: ein Shitstorm ist kein Problem. Shit happens. Es gibt Dinge, die man aushalten muss. Viel wichtiger ist doch, wie man damit umgeht, und dass man daraus lernt. Aber, mit Verlaub, an erster Stelle nicht, wie man besser kommuniziert, sondern wie man die Ursachen vermeidet.

    Ja, es ist möglich, schneller in Interaktion mit einem Unternehmen zu treten. Es entsteht definitiv, wie im geschilderten Fall, ein höherer Handlungsdruck, wenn etwas falsch läuft. Im selben Maß steigt aber auch die Hemmschwelle, bei Kleinigkeiten Unmut zu äußern. Verspätungen zum Beispiel. Und da werden halt ggf. wohlformulierte Textbausteine ohne persönlichen Bezug verwendet. Vielleicht die richtige Antwort, aber doch insgesamt nichts, was die Menschheit interessiert- sowohl Aktion als auch Reaktion.

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