Zum Stand der Digitalisierung in Deutschland (2): Hilflos im Auto

Fast täglich ist inzwischen zu lesen, dass die Smartphone-Nutzung beim Autofahren ein Problem ist, die Unfälle dadurch steigen und man dringend die Finger vom Handy lassen solle … Alles richtig. Nur wo sind eigentlich die Lösungen der Autohersteller?

Wir sind viel unterwegs. Zwei Berufstätige und drei Kinder sorgen für gesteigerte Mobilitätsansprüche. Daher haben wir zwei Autos: einen Opel Zafira als Familienkutsche und einen 1er BMW als Zweitwagen. Beide sind nicht die allerneuesten, aber doch ziemlich aktuelle Modelle.

Opel: Es lebe das Kabel

Beginnen wir mit dem Opel. Ich weiß nicht, wohin die Opel-Techniker im Kopf umgeparkt haben, als sie sich das „Entertainment-System“ im Zafira ausgedacht haben. Wahrscheinlich waren alle Parkplätze schon belegt und übrig blieb nur der mit dem Schild „Gut gemeint ist das Gegenteil von Kunst“.

Das „Entertainment-System“ von Opel kann sich jedenfalls per Bluetooth mit dem iPhone verbinden, aber nur, damit man telefonieren kann. Musik oder Podcasts hören via Bluetooth funktioniert nicht. Ich habe keine Ahnung, warum. Die Verbindung steht, die Daten sausen durch die Luft, als technischer Laie hat man den starken Verdacht, dass es egal sein müsste, ob es sich dabei um gesprochenes Telefon-Wort oder gesprochenes Podcast-Wort handelt. Aber bei Opel sieht man das anders.

Also muss man, um Musik oder Podcasts zu hören, das iPhone per Kabel mit dem Auto verbinden. Na gut, warum nicht. Einmal verkabeln, dann losfahren und Hände weg vom Handy. Denkste.

Beginnen wir bei A wie „ABC“

Denn die Opel-Techniker haben sich beim Erfinden ihres „Entertainment-Systems“ Folgendes ausgedacht: Jedes Mal, wenn jemand sein iPhone anstöpselt, lesen wir die gesamte Musik-Datenbank von iTunes ein. Jedes Mal. Aufs Neue. Auf so ein 64GB-iPhone passt wirklich viel Musik, die einzulesen wirklich lange dauern kann. Und so fährt man und fährt man, und das „Entertainment-System“ macht keinen Mucks, weil es mit Einlesen beschäftigt ist.

Nun bin ich Spotify-Poweruser und habe kaum Lieder in der iTunes-Datenbank, was das Einlesen erheblich beschleunigt. Ich muss „nur“ ein paar Minuten warten. Jedes Mal. Und dann, haben sich die Opel-Techniker gedacht, machen wir ein Autoplay und beginnen – nein, nicht mit dem, was zuletzt gehört wurde, sondern immer mit dem ersten Lied in der iTunes-Datenbank. Das ist bei mir, alphabetisch sortiert, „ABC“ von den Jackson Five.

Mit anderen Worten: Jedes Mal, wenn ich mit dem Opel fahre und mein iPhone anschließe und ein paar Minuten gewartet habe, singt der kleine Michael Jackson „ABC“ aus meinen Lautsprechern. Nicht den Podcast, den ich zuletzt über Downcast gehört habe, nicht das Lied, das ich zuletzt auf meiner Spotify-Playlist gehört habe, sondern „ABC“. Jedes Mal. Ich kann es nicht mehr hören. Ich werde wahnsinnig, wenn ich es höre. Ich greife schnellstens zum Smartphone, von dem ich doch die Finger lassen soll, um iTunes aus und Downcast oder Spotify anzumachen. Kann man sich alles nicht ausdenken.

Aber das ist ja nur ein Opel. Das muss doch im BMW garantiert besser funktionieren.

BMW: Über Nacht ausruhen

Ja, es funktioniert besser. Bei BMW sausen auch Musik- und Podcast-Daten via Bluetooth durch die Luft. Zumindest gelegentlich. In Wahrheit ist die Verbindung zwischen iPhone und „Entertainment-System“ von BMW sehr, sehr sensibel. Mal klappt sie, mal klappt sie nicht, manchmal muss man mehrfach zwischen Radio und iPhone hin und her schalten, bis das „Entertainment-System“ versteht, was man hören will.

Manchmal verschluckt sich das System auch an Bluetooth. Dann geht gar nichts mehr. Kein Radio, keine Musik, kein Podcast, nichts. Ein- und Ausschalten nützt auch nichts. Rechts ran fahren, Motor aus- und wieder anmachen nützt auch nichts. Auskunft meiner Werkstatt: Dann müssen Sie das Auto mal über Nacht stehen lassen, am Morgen geht’s dann wieder.

Ich schwöre, ich mache keine Witze. Und ich rede nicht von Daihatsu, sondern von BMW. Freude am Fahren und so.

Sprachsteuerung mit Siri? Moderne Zeiten …

Und wir haben bisher nur über eine lächerliche Audio-Verbindung zwischen Auto und Smartphone geredet. Es gibt noch eine Millionen andere Dinge, die nicht so funktionieren, wie sie könnten. Warum, zum Beispiel, konnte Siri bis in den Herbst 2016 und bis iOS10 per Sprachsteuerung nur SMS verschicken, aber keine WhatsApp-Nachrichten? Wer hatte sich das ausgedacht? SMS diktieren funktionierte wirklich gut, man konnte sich wunderbar auf den Verkehr konzentrieren und trotzdem kommunizieren. Nur leider findet 90 Prozent meiner Kurznachrichten-Kommunikation nicht über SMS statt.

Wir schreiben das Jahr 2017. Im Auto dudelt das Radio mit schrecklicher Musik analog auf Ultrakurzwelle. Das Smartphone, das ungefähr drölfzig mal leistungsfähiger ist als die Computer, die den ersten Menschen auf den Mond gebracht haben, ruht in der Tasche. Es lebe die digitale Transformation …

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11 Gedanken zu “Zum Stand der Digitalisierung in Deutschland (2): Hilflos im Auto

  1. ich berichte von Audi, Firmenwagen meines Mannes: alles keinen Deut besser. Da läuft Musik ruckelfrei nur über sd-Karte.
    In meinen alten Saab 900 schiebe ich ne CD und alles ist gut und ich höre einfach die Musik, die ich will. Und je_des_mal, wenn ich mir ein moderneres System wünsche, denke ich an den Audi und wechsle grinsend und während der Fahrt(!) die Silberscheibe :)

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  2. Citroen C4 Picasso hier. Ich habe ein intelligentes Bluetooth-System. Es verbindet sich mit meinem iPhone und startet Musik, Podcast oder Hörbuch (je nachdem, was zuletzt lief) an genau der Stelle, an der zuletzt aufgehört wurde. Aber es ist noch intelligenter. Es weiß ungefähr, wie lange die Fahrt dauern wird, und je länger sie dauert, desto wahrscheinlicher funktioniert Bluetooth *nicht*. Macht ja nix, dann nehme ich eben die Kopfhörer. Es weiß aber auch, wie viele Leute im Auto sitzen. Wenn es mehr als einer ist, funktioniert Bluetooth wieder mit höherer Wahrscheinlichkeit *nicht*.
    Ich habe in solchen Momenten schon öfter ernsthaft über ein neues Auto nachgedacht, aber nach dem, was ich jetzt bei Dir lese, ist das wohl eher ein flächendeckendes Problem.

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    • Ohne Witz: Für mich ist das inzwischen ein entscheidendes Kriterium für den nächsten Autokauf. Nicht Marke, PS oder sonst was (fahren tun sie alle), sondern stressfreie, angenehme, erfreuliche Konnektivität. Ich glaube, das haben viele Autohersteller noch nicht auf dem Schirm, dass sie damit punkten können und dass davon inzwischen Absatz und Umsatz abhängen könnten …

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      • Und zusammen mit der Konnektivität sollte es auch eine gescheite Benutzerführung geben. Als Car-Sharer fahre ich immer mal verschiedene Marken und Modelle (selten genug in letzter Zeit), und in jedem muss man wieder rätseln, wie man in der Elektronik navigiert. Schon bei den Grundfunktionen (Eingabe und Zurück) ist oft nicht ersichtlich, welche Tasten man dafür drücken muss.

        Die Bedienungsanleitungen sind meist entweder eine unbrauchbare Kurzanleitung, wo das, was ich wissen will, nicth drinsteht. Oder sie sind verquaste 150-Seiten-Backsteine, in denen ich schon deshalb nichts finde, weil es für jede Kleinigkeit eine firmenspezifische Sonderbezeichnugn gibt.

        Jetzt haben schon fast alle Autos Touchscreens, mit denen tolle Sachen möglich wären, aber eine intuitive Benutzerführung hat immer noch Seltenheitswert.

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  3. Ich kann Deinen Beitrag nicht nachvollziehen. Ich hatte bereits den ersten 1er und dort keine Probleme meinen iPod 60 GB per USB zu verbinden. Den habe ich bis heute im Einsatz. Meine iPhones der ersten Generation bis heute verbinde ich seit jeher ohne Probleme über Bluetooth im BMW. Mein aktuelles iPhone 6S Plus 64 GB und 5SE verbinde ich absolut problemlos mit Bluetooth mit Audi und Mercedes. Weiterhin verbinde ich Handy, Navi und iPod seit Jahren mit WCS-2 (BMW Motorradhelm mit Bluetooth) ohne Probleme. Die Musikwiedergabe über Bluetooth bei einem Audi 4 war mal mit einem Problem behaftet, ansonsten stabil.
    Vielleicht solltest Du mal ein Firmware Update beim Hersteller verlangen, denn Bluetooth ist meines Erachtens seit Jahren stabil und ausgereift.
    Mittlerweile gibt es von Apple entsprechende Connectivity (Car Play) die man über USB (in einem Skoda getestet) aktivieren kann.
    Das, was man tatsächlich kritisieren kann, ist die verhältnismäßig schlechte intuitive Bedienung von Multimedia und die teilweise schlechte bis gar nicht vorhandene Integration zur Nutzung der Internet-Connectivity des SmartPhones im Auto (insbesondere bei BMW). In einem VW Passat – höhere Klasse – habe ich aber schon mal eine perfekte Integration gesehen.

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