10 Thesen zur digitalen Transformation

Ja, ja, digitale Transformation, ist ja gut. Wieder eine Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Geht wieder vorbei …

Nein, tut es nicht, im Gegenteil. Es kommt dicke. Bitte gut festhalten, denn darauf dürfen wir uns dank der digitalen Transformation einstellen:

  1. Der technische Fortschritt ist der einzige Fortschritt in der Geschichte der Menschheit, der irreversibel ist, also unaufhaltsam und nicht umkehrbar.
  2. Das selbstfahrende Auto wird die deutsche Automobilindustrie, wie wir sie bislang kennen, regelrecht vernichten. Zwei Millionen Arbeitsplätze werden dadurch verschwinden.
  3. In der Zukunft wird die Hälfte der Bevölkerung keiner geregelten Lohnarbeit mehr nachgehen.
  4. Es wird ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden.
  5. Erhalten bleiben zum Beispiel Jobs, wo Menschen lieber mit Menschen zu tun haben als mit Maschinen, zum Beispiel Kindergärtner.
  6. Die digitalen Transformation wird die Gesellschaft mittelfristig negativ verändern. Langfristig sorgt sie aber für die Befreiung des Menschen von der entfremdeten Arbeit.
  7. Als Linker müsste man daher ein radikaler Digitalisierungsfreund sein.
  8. Donald Trump hängt wie Martin Schulz einem Arbeitsbegriff an, der aus den 80er Jahren stammt. Sie versuchen mit allen Mitteln, den Arbeitsmarkt von gestern zu stabilisieren.
  9. Über all diese Veränderungen denkt die Wirtschaft sehr viel und die Politik sehr wenig nach.
  10. Die Digitalisierung sorgt wie die Industrialisierung für Verunsicherung und Überforderung. In Folge dessen wollten und wollen die Leute zurück in eine geordnete Zeit, in ein geträumtes Germanien, in dem man nicht überfordert war.

Nein, das sind nicht meine Thesen, sondern die von Richard David Precht, geäußert in einem extrem lesens- oder hörenswerten Deutschlandfunk-Interview. Precht eiert nicht rum und langweilt mit „könnte“ und „würde“, er redet Klartext: So und nicht anders wird die Zukunft aussehen. Damit macht er sich natürlich angreifbar, denn er hat wie wir alle keine Glaskugel. Aber die Entschiedenheit seiner Äußerungen macht nachdenklich – und ich finde eigentlich alles, was er in diesem Interview sagt, bedenkenswert. Also: lesen oder anhören.

16 Gedanken zu “10 Thesen zur digitalen Transformation

  1. Keine Ahnung, in welcher Wirtschaft (oder ist es doch am Kiosk?) über Digitalisierung nachgedacht wird.

    Digitale Transformation sieht in unserer Firma so aus, dass Reisespesen in ein EDV-System eingetippt werden, dadraus entsteht ein Formblatt, das ausgedruckt werden und per POST an eine Servicefirma zur Bearbeitung geschickt wird.

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  2. Hmm, ich fand die Thesen auch zunächst bedenkenswert. Allerdings hat sich das Bedenken etwas gewandelt – ich schätze die Überspritzung und Klarheit der Aussagen, nur scheinen mir sie doch sehr haltlos.
    Ein Beispiel: „Ja, also der fetischisierte Individualverkehr, dass jeder sein Auto als Statussymbol und als Transportmittel vor der Tür hat, wird verschwinden, Sie werden eine Flatrate bezahlen, und dann steht Ihnen […] wie jetzt ein Taxi, ein selbstfahrendes Auto zur Verfügung. Sie steigen da ein, sagen, wo Sie hinwollen, und dann werden Sie da hingebracht. Und das ist natürlich eine große Veränderung, weil das bedeutet einen Verlust von zwei Millionen Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie einschließlich der Automobilzulieferindustrie.“
    Das ist mir dann doch etwas zu überspitzt. Der „fetischisierte Individualverkehr“ ist natürlich ein schöner Begriff, ich bin mir aber nicht sicher, ob mein Nachbar, ein Elektriker, sein Equipment nur als Fetisch in seinem Auto hat. Selbst wenn sein Auto zukünftig selbst fährt wird er ein eigenes Fahrzeug aus dem Fuhrpark besitzen. Und ja, ich bin fest davon überzeugt, dass es auch in Zukunft noch Elektriker geben wird und ein Kabelbruch weiterhin nicht per Softwareupdate behebbar ist.
    Und ich wunder mich auch, wieso in der Automobilindustrie 2 Mio. Arbeitsplätze wegfallen, irgendwer muss die Autos ja auch noch bauen. Es geht hier ja nicht um beamen, es geht um Autopiloten. Und auch wenn kein Lenkrad mehr verbaut wird, denke ich, dass so Sachen wir Bremse, Motor und Co. sich irgendwie bewährt haben und auch in Zukunft Teile von selbstfahrenden Autos sein werden. Und irgendwer muss die Autos später auch noch warten und in Betrieb halten.
    Und dann frage ich mich wie er auf 2 Mio. kommt. Laut VDA sind es 2014 774.900 Beschäftige in Stammbelegschaften von Herstellern und Zulieferern gewesen (https://www.vda.de/de/services/zahlen-und-daten/zahlen-und-daten-uebersicht.html). Laut einer Studie des RWI von 2000 (http://www.spiegel.de/wirtschaft/statistik-trick-in-der-autoindustrie-maechtig-gerechnet-a-625945.html) schafft jeder Beschäftigte 1,4 Arbeitsplätze, selbst das eingerechnet kommt man nicht auf 2 Mio. Es gibt natürlich noch die Möglichkeit, dass er hier weltweit meint, aber dann würde mich doch sehr interessieren, wie er es errechnet hat. Zudem wäre dann die Schockzahl weg. Bei 40 Mio. Erwerbstätigen in Deutschland klingt 2 Mio. krass – weltweit gesehen sind 2 Mio. doch sehr überschaubar…
    Kurzum: Die These „Es wird keinen Individualverkehr mehr geben“ ist m.E. nicht nur gewagt sondern schlichtweg falsch. Und angenommen, sie würde stimmen und sich bewahrheiten, kann man dadurch nicht die Auslöschung der Automobilindustrie gleichsetzen. Die Folgerung ist also auch falsch. Und die verwendete Zahl scheint mir dubios.
    Kurzum: Bedenkenswert.

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    • Ja, da müssten wir ihn jetzt fragen, wie genau er darauf kommt, aber ich fürchte, er liest hier nicht mit ;) Ich finde die These deshalb bedenkenswert, weil die meisten, die ich kenne, selbstfahrende Autos noch vor einem Jahr für irren, abgefahrenen Science Fiction gehalten haben und heute zwar zugeben, dass das schon irgendwie kommen könnte, aber so als Ausnahme, hier und da ein selbstfahrendes Auto. Der Gedanke, dass selbstfahrende Autos – oder besser gesagt: ein komplett autonomer Verkehr – viel besser funktioniert, wenn er nicht von irrlichternden Menschen gestört wird, ist ja richtig, und wenn man ihn zu Ende denkt, kommt man zu seinem Radikalszenario … das wohl kaum zu 100% so kommen wird, ein paar Gründe hast du ja geschildert …

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      • Ach, ich ging auch vor nem Jahr schon fest davon aus, dass meine Mobilität im Alter dann nicht mehr vom Good Will meiner Kinder abhängt, sondern u.A. durch selbstfahrende Autos gewährleistet wird.
        Aber beim Argument, warum ein Kombibetrieb Autonom vs. Mensch nicht funktioniert, ist mir Precht viel zu umständlich. Hand aufs Herz: Wie würden wir fahren, wenn wir wissen, dass das autonom fahrende Auto trotz Vorfahrt bremsen wird?

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  3. Ich denke, dass die Thesen teilweise ein wenig haltlos erscheinen. Die Digitalisierung ist ein schwieriges Thema, ja, aber es bringt doch auch sehr viele positive Veränderungen. Und ja, auch neue Arbeitsstellen, die früher nie nötig gewesen wären. Die Digitalisierung innerhalb eines Unternehmens schafft es beispielsweise, dass Unternehmen „schnell auf Veränderungen am Markt, insbesondere hinsichtlich Kundenbedürfnissen und Nachfrageschwankungen,“ reagieren können (Quelle: https://www.hrblue.com/die-richtige-organisation-zur-digitalen-transformation/ ). Auch dafür braucht man Angestellte, die sich genau auf diese Punkte fokussieren und spezialisieren.

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