Das Ende des Frühstücksbuffets

Wie, Corona-bedingt keine Frühstücksbuffets mehr in Hotels? Wie schade. Erster Impuls. Wenn man aber ein bisschen nachdenkt …

… kommt man unweigerlich zur Erkenntnis, dass Frühstücksbuffets in Hotels eine Pest unserer Zeit sind und die Abschaffung derselben eine wunderbare, aus der Not geborene Errungenschaft, für die wir dieser Pandemie noch danken werden. Gilt übrigens für alle anderen Buffets gleichermaßen.

Warum? Erstens Sind Buffets reine Verschwendung. Selbstverständlich erwartet der Gast, der fünf Minuten vor Ende der Frühstückszeit angetrödelt kommt, die gleiche Frische und Vielfalt wie der Frühaufsteher, der sich am noch jungfräulichen Buffet bedienen konnte. Und tatsächlich ist doch nichts nerviger als ein halb leeres Buffet, in dem genau das fehlt und nicht mehr nachgelegt wird, worauf man sich gefreut hat. Die Folge: Die Buffets bleiben bis zum Schluss üppig ausgestattet, eine Üppigkeit, die schließlich und endlich größtenteils in der Tonne landet. Denn was einmal draußen war und einmal von allen bewundert, beatmet und beniest wurde, muss weg, EU-Hygienevorschrift soundso, auch ohne Corona.

Zweitens sind Buffets ein Symptom für Serviceunlust und Personalabbau. Einmal hingestellt, ab und zu was nachgelegt, läuft‘s quasi von alleine. Menschen, die man mal was fragen könnte oder die man mal um was bitten könnte, sind in Buffetbetrieben Mangelware. Das benutzte Geschirr stapelt sich am Tisch, niemanden interessiert‘s. In manchen Hotels, die noch keinen Billig-Kaffee-Automaten zur Selbstbedienung im Buffetbetrieb haben, sondern die den billigen Kaffee noch in der Küche produzieren und zum Gast bringen müssen, scheitert das Konzept ja schon an dieser einfachen Aufgabe, eben dem Gast zügig einen Kaffee zu bringen. Ich saß gefühlt Schon Dekaden in Frühstücksräumen von Hotels wartend auf einen Kaffee, mit immer schlechterer Laune, denn wenn mir irgendwas schlechte Laune bereitet, dann das: morgens als ersten Akt des Tages, als Initiationsritus, als Alpha vor dem restlichen Tagesalphabet keinen Kaffee zu bekommen.

Drittens sind Buffets Orte ohne Kommunikation, Anti-Dialog-Zonen, wo man als Gast einsam vor sich hin leidet, ohne in diesem einzigartigen zivilisatorischen Akt des Gesprächs sich auszutauschen, zu loben und zu kritisieren. Stellen wir uns kurz so ein Standard-Business-Hotel in Bahnhofsnähe vor, wo man leider absteigen musste, weil gerade Messe ist, die Reiserichtlinie nichts anderes zulässt und der Termin am nächsten Morgen auch gleich nebenan ist. Und stellen wir uns kurz vor, dass uns hier kein deutsches Standard-Hotel-Frühstücksbuffet mit der üblichen Käse-Wurst-Gurkenscheiben-Trockenmüsli-Aufbackbrötchen-Mischung erwartet, sondern: Service am Platz. Folgender Dialog wäre denkbar:

Guten Morgen, hier, Ihr Kaffee …

Danke … hm … Ganz ehrlich, der schmeckt als würde er seit vier Stunden auf einer Warmhalteplatte stehen. Ungenießbar.

Tja, kann ich nichts machen, das ist halt unser Kaffee.

Ehrlich? Wow. Anderswo würde das als Folterinstrument durchgehen, aber nun ja. Was haben Sie denn für Brot?

Also weißes Toastbrot, weiße Brötchen, Knäckebrot …

Nein, also ich meinte eigentlich: richtiges Brot?

???

Vergessen Sie‘s. Bringen Sie mir halt ein Brötchen. Vielleicht mit Käse?

Geht klar.

Äh, welchen Käse haben Sie denn?

Na, Käse halt. Sie wissen schon, den weißen, in dünnen Scheiben, die immer so aneinanderkleben. Den gibt‘s mit und ohne Löcher.

Seufz … Ich glaube, ein Brötchen mit Butter reicht mir. Vielleicht ein weiches Ei dazu?

Kein Problem.

(Wenig später kommt ein steinhartes Ei, das vermutlich seit dem Pleistozän vor sich hingekocht hat.)

Und so weiter.

***

Zurück zu Corona: Ein sehr lesenswertes ausführliches Interview mit Daniel Kehlmann, der mit seiner Familie in New York lebt und sehr schön auf den Punkt bringt, was diese Pandemie so besonders macht:

Wir befinden uns in einer der traurigsten Krisen der Menschheit. Nicht einer der schlimmsten, aber einer der traurigsten, denn das Heilmittel liegt darin, einander fernzubleiben.

Neben vielen anderen Themen geht er auch auf die derzeitige Debattenkultur in Web ein und wie hilfreich die bei komplexen Problemen ist:

Wir befanden uns vor dieser Katastrophe schon in einer katastrophal kurzatmigen Debattenkultur, die in vieler Hinsicht durch das Internet befördert wurde. In der Diskussion um die Freiheitsbeschränkungen wird jetzt sehr deutlich, dass die maßvollen Stimmen oft im Geschrei untergehen – das Problem ist einfach sehr komplex. Die Fragen, die wir gerade besprechen, betreffen Disziplinen, in denen Verkürzung besonders gefährlich ist: Rechtsphilosophie, statistische Mathematik und Wissenschaftstheorie. Da lässt sich nun wirklich nichts auf kurze, knackige Zitate bringen. Früher dachte man, dass das Fernsehen die Debatten unterkomplex gemacht hat. Aber heute im Twitter-Zeitalter blickt man darauf zurück wie auf eine Zeitalter ausdifferenzierter Dialektik, als Menschen noch in Ledersofas stundenlang pfeifenrauchend miteinander debattiert haben.

Doch immerhin macht er uns auch Hoffnung bei einem ganz anderen Thema:

Trump schadet sich mit seinen Äußerungen gerade ungeheuerlich. Seine Zustimmungswerte fallen sogar bei seinen Kernwählern. Er liegt in allen Swing States in den Umfragen solide hinter Joe Biden. Es werden wirtschaftlich sehr schwere Zeiten auf Amerika zukommen, aber ich bin optimistisch, dass Trump im November verlieren wird, weil sich jetzt auch vielen seiner Anhänger vermittelt, was für ein katastrophaler Präsident er ist. Ich glaube, Trump wird bald Geschichte sein.

***

Und sonst so? Ich trinke eindeutig mehr Alkohol als in Vor-Corona-Zeiten. Das liegt nicht daran, dass ich irgendeinen Frust wegtrinken müsste, sondern dass ich abends, nach teils von früh bis spät durchgehenden Videokonferenzen das unstillbare Verlangen nach zweierlei verspüre: einem langen Spaziergang an der frischen Luft und einem Glas Wein. Ersteres haben wir quasi institutionalisiert: Wir gehen jeden Tag eine Stunde spazieren. Letzteres leider auch. Aber was heißt leider, Herrgottnochmal, wir haben eine Pandemie, das ist ein Glas Wein ja wohl das kleinste Problem. Und wenn dann noch die Freunde vom Holzgarten so nett dazu „To go“ kochen … Im Übrigen verstehen wir es geschickt und mit buchstäblich spielerischer Leichtigkeit, unseren Alkoholkonsum zu kaschieren. Neulich habe ich zum Beispiel zum ersten Mal in meinem Leben „Bier Pong“ gespielt. Weil meine Söhne das gerne wollten. Und da muss man ja mitmachen. Und Bier trinken. Geht nicht anders. Außerdem durfte ich eine Woche vom Wohnzimmer-Homeoffice ins Kinderzimmer-Homeoffice wechseln: purer Luxus, inklusive selbst konstruiertem Stehtisch, eine Meisterleistung an Innenarchitektur und Arbeitsplatzergonomie! Und wir sind wieder viel geradelt, selbst die Eisheiligen haben uns nicht davon abhalten können …

3 Gedanken zu “Das Ende des Frühstücksbuffets

  1. Gut getroffen mit der Buffet-Kultur. Ich habe in der Vergangenheit festgestellt, dass Buffets auch gerne im Catering angeboten werden, weil das kostentechnisch für den Wirt optimal ist. Allerdings nicht für den Gast (nicht selten bekamen die letzten halt nur noch die Reste vom Buffet, auch weil manche beim Buffet halt gerne mal über die Stränge schlagen). Deshalb bin ich bei in Gaststätten ausgerichteten Veranstaltungen dazu übergegangen, nur noch Menüs zu buchen. Dann hat jeder gleiche Bedingungen. :-)

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