Bond

Nein, nicht James Bond. Nur Bond. Ohne Lizenz zum Töten, dafür friedlich, freundlich und ausgeglichen: unser neues Familienmitglied …

Dass wir nun einen Hund haben, hat verschiedene Gründe, teils recht privater Natur, die hier nichts zur Sache tun. Aber wenn man sich so umhört, scheinen unsere Lebensumstände geradezu prädestiniert dafür zu sein, auf den Hund zu kommen: Kind Nummer 1 hat das Haus schon verlassen, Kind Nummer 2 ist auf dem Sprung, es wird stiller und einsamer – zack, Zeit für Nachwuchs.

Bond stammt aus Kroatien und er hieß nicht Bond sondern hatte einen kroatischen Namen, der wohl irgendwie entfernt an Bond erinnerte, sicher mit ač oder ić oder beidem hinten dran (sorry ich kenne mich da nicht aus). Die Tierhilfe-Organisation, die ihn nach Deutschland gebracht hat und von der wir ihn letztlich übernommen haben, hat ihn dann halt Bond genannt.

Seine Vorgeschichte ist kompliziert, er hatte es wohl mal gut, irgendwo muss sein sonniges, allzeit entspanntes Gemüt ja herkommen. Aber seine letzten Stationen waren wenig erfreulich: Er lag ein Jahr lang an der Kette in irgendeinem Hof, verwahrloste komplett, war mit Läusen und Parasiten übersät und von Krankheiten geplagt, bis ihn ein kroatisches Tierheim aus diesen Umständen befreite, das mit der erwähnten deutschen Tierhilfe zusammenarbeitet. Die haben ihn geholt, aufgepäppelt und nach einer neuen Heimat für ihn gesucht. Und da isser nun.

Was die Tierhilfe da macht, ist in Summe und im Detail bewundernswert. Und auch wenn die Schützlinge vermittelt sind, bleibt man dran, denn Bond gehört uns zwar jetzt (oder besser gesagt: er gehört jetzt zu uns), er bleibt aber Eigentum der Tierhilfe. Wir sind sozusagen seine Pflegefamilie, hoffentlich für den Rest seines Lebens. Zur Fürsorge der Tierhilfe gehören auch gewisse Auflagen, um sicherzustellen, dass es ihm gut geht: Wir sollten zum Beispiel – bitte, danke – Teppichfliesen auf unsere rutschige Holztreppe im Haus kleben und einen Zaun ums Grundstück bauen, damit er sich frei bewegen kann.

Die Geschichte vom Zaun

Beides eine gute Idee – nur leider unterschiedlich aufwändig zu lösen, wie sich herausstellen sollte. Das mit dem Teppich: ein Kinderspiel. Bei Amazon bestellt, ruck-zuck auf die 43 Treppenstufen geklebt, fertig. Schaut sogar ganz gut aus. Allein: Bond geht keine Treppen. Da ändert auch der schönste Teppich nichts daran. Wir wissen nicht, warum, ob‘s an schlechten Erfahrungen aus der Vergangenheit liegt oder daran, dass zwischen den Stufen Lücken sind, durch die man theoretisch fallen könnte (aber Bond, mein Freund, ganz ehrlich, dafür bist du nicht schlank genug) … Egal. Alles gute Zureden bringt nichts, er bleibt im Erdgeschoss.

Als deutlich komplizierter sollte sich das Thema Zaun erweisen. Wir befinden uns mitten im Corona-Jahr 2020 und offenbar ist allen so langweilig, dass sie jeden nur denkbaren Handwerker mit jeder nur denkbaren, in den letzten zehn Jahren liegen gebliebenen Aufgabe betrauen. Von den zehn angefragten Handwerkern aus nah und fern, die für einen Zaunbau in Frage kamen, haben sieben schon mal gar nicht geantwortet. Wegen Wohlstand geschlossen, vermute ich.

Drei Handwerker ließen sich reichlich Zeit, rückten aber irgendwann an, und zwar mit erkennbar unterschiedlichem Elan. Handwerker 1 beäugte das Gelände, lächelte milde und meinte, das mit einem ordentlich verankerten Zaun könnten wir vergesssen. Ich sollte vielleicht erwähnen: Wir reden über ein sehr überschaubares Reihenmittelhaus-Grundstück, wie man das so kennt: rechteckig, die zaunbedürftige Fläche ca. 6 Meter lang und breit. Ein kleines Projekt also. Aber: über Jahre schön zugewachsen. Die eigentliche Herausforderung besteht also darin, der Natur den Platz für einen Zaun abzuringen und ihn so zu montieren, dass der Garten hinterher nicht ausschaut, als sei eine Bombe eingeschlagen. Herausforderungen sind aber, so fürchte ich, nicht jedes Handwerkers Sache.

Zurück also zu Handwerker 1. Sein Vorschlag: ein Bauzaun, unten mit schweren Betonfüßen, oben mit einem Stahlgeflecht, ihr kennt das von Baustellen. Während wir noch verblüfft über mögliche ästhetische Komplikationen nachdachten, verschwand Handerwerker 1 wieder mit dem Versprechen, uns einen konkreten Vorschlag samt Angebot zuzuschicken. Bekommen haben wir die nie. Ist vielleicht auch besser so.

Handwerker 2 vermaß immerhin akribisch das Grundstück, skizzierte die mögliche Pfostenverteilung und versprach, alsbald ein Angebot zu schicken. Das belief sich auf stolze 2.000 Euro plus ein bisschen Arbeitszeit. Dennoch waren wir bereit zuzuschlagen, der Bauzaun-Vorschlag hatte uns mürbe gemacht. Allein, der Handwerker rief nochmal an, er habe mit seinem Chef geredet, das Angebot sei so zu günstig, die Umstände (alles eingewachsen!) … Er habe nochmal neu kalkuliert und der Preis belaufe sich jetzt auf 4.000 Euro. Und vor Herbst gehe natürlich gar nichts, wir sollten froh sein, wenn‘s dieses Jahr noch klappt. Wir lehnten dankend ab.

Handwerker 3, um es kurz zu machen, kam, sah und schickte sehr lange kein Angebot.

Unterdessen hatte ich Stunden meines Lebens (die sich wie Jahre anfühlten) damit verbracht, im Internet nach Alternativen zu recherchieren. „Mach es zu deinem Projekt“ und so, ihr wisst schon. Auch hier kürze ich ab: Heute begrenzt ein zauberhafter kleiner Zaun für insgesamt 200 Euro und ein arbeitsreiches Wochenende meinen Garten, dessen Stabilität etwas zu wünschen übrig lässt, aber für Bonds sonniges Gemüt völlig ausreichend ist. Die Idee war: Der Hund sieht einen Zaun und beschließt, diese bescheidene Begrenzung auch dann zu akzeptieren, wenn er sie mit einem beherzten Sprung einreißen könnte. Weil es einfach nicht die Mühe wert ist und solche Sachen nur jüngere Hunde machen, die sich selbst, ihren Besitzern und der reizenden Dackel-Dame von nebenan noch etwas beweisen wollen.

Der Plan ging auf, zumindest bis heute. Wir haben einen Hund, einen Zaun und Teppichfliesen auf der Treppe. Alles ist gut.

9 Gedanken zu “Bond

  1. Herrlich. Genau dieselben Erfahrungen haben wir gemacht, als wir unser Bad sanieren lassen wollten. Das hatte einen ganz anderen finanziellen Rahmen und dennoch lässt sich heutzutage kaum ein Handwerker dazu herab, für so ein paar Kröten tätig zu werden, solange es Großbaustellen gibt. Tja.
    Die Bilder sind wundervoll, Bond scheint eine Seele von Hund zu sein… aber nach dieser schönen Geschichte hätte ich ja jetzt zu gern auch den Zaun gesehen 😉

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  2. Sehr schön, das hört sich alles gut an. Ich hatte schon Befürchtungen, als ich las „Vermittlung aus Kroatien“ und so. Wenn ihr gut betreut seid durch die Tiervermittlung, dann ist das eine gute Sache. Ich nehme an, Bond ist schon etwas älter (graue Schnauze). Ich hoffe auf jeden Fall, dass er sich bei euch wohl fühlt, und das hört sich ja danach an.
    Deine Erfahrung mit Handwerkern kann ich nachvollziehen. Allerdings kann ich Dir verraten: Handwerker hatten die wenigsten Probleme während des Lock-Downs. Deshalb hat sich die Lage bei denen auch nicht verschlechtert, sondern die bekommen eher mehr Anfragen als vorher (sind ja alle daheim geblieben und starteten ihre Projekte).
    Ich mache die Erfahrung in einer andere Branche: Gesundheit (konkret Optiker und Internist). Beide Bereiche hatten unterschiedliche Auswirkungen: Optiker mussten lange schließen, Arztpraxen können sich bis heute (scheinbar) nicht so richtig erholen und dort brennt wohl nach wie vor die Hütte. So warte ich jetzt seit über einer Woche auf einen Anruf, um einen BU Antrag für die Versicherung abzusprechen. Eine Sache, die vermutlich in 10 – 15 Minuten erledigt ist. Der Optiker, den ich neulich wieder aufsuchte, zeigte eine derart depressive Stimmung, dass ich mich nach langjähriger Kundenbeziehung entschlossen habe, einem anderen Optiker die Chance zu geben, mich regelmäßig mit Brillen und Kontaktlinsen zu versorgen. Schon die Terminvereinbarung war ein Drama. Dass dann noch Beratungsfehler gemacht wurden, hat dem Ganzen dann die Krone aufgesetzt. Ich habe darauf keinen Bock mehr. Auch bei meinem Internisten ist die Lage etwas angespannt. Mit den Jahren bekomme ich das Gefühl, dass er lieber in seiner lukrativen Klinik die Starnberger Gesellschaft versorgt, als sich um die lästigen Patienten in seinem Internistenzentrum zu kümmern. Auch hier habe ich das Gefühl, dass ich nach vielen Jahren eine Änderung herbeiführen muss. Das ist schade, weil ich eigentlich Wert auf langjährige Partnerschaften lege. Aber nachdem meine Steuerberaterin nun in den wohlverdienten Ruhestand gegangen ist, war auch hier eine Änderung notwendig. So ist das wohl.
    Alles Gute für euch und euren neuen Mitbewohner :)

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  3. Hallo Christian, sehr schöner Artikel und offenbar ein wunderbarer Familienzuwachs.

    Du weißt, ich erzähl gern Geschichten und mir fällt dazu ein Dialog ein, der sich vor Kurzem vor unserem Haus abspielte. Ich war aufmerksam geworden, weil ein Trupp Jugendlicher laut und lebhaft vorbeizog, die meisten von ihnen offenbar mit Migrations-Hintergrund. Dann hörte ich eine ruhige, besonnene, etwas ältere Stimme, die offenbar mit den Jugendlichen das Gespräch suchte. Ein Mann mittleren Alters mit einem Hund an der Leine. Nun folgender Dialog: Ältere Stimme: „Wo kommst du denn her?“ HALT NEIN, diese Frage ist im Zeichen der Rassismus-Debatte überhaupt nicht mehr salonfähig. Ich hörte förmlich durch die Hecke das zur Stimme gehörende Hirn rattern. ‚Wie kann ich diese Frage politisch korrekt stellen??‘ Neuer Versuch: „Ich mein, woher stammt deine Familie?“ Der Jugendliche, antwortet völlig entspannt, dass er aus dem Iran gekommen ist. Darauf die ältere Stimme, sehr verständnisvoll: „Mmh. Mein Hund kommt aus Kroatien. „

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  4. […] (Der Hund verreist überhaupt gerne mit uns. Was der Hund hingegen gar nicht mag, ist die Möglichkeit, dass wir ohne ihn verreisen könnten. Da der Hund ein kluger Hund ist, merkt er, wenn eine Reise ansteht. Irgendwie benehmen sich die Menschen merkwürdig, alles ist ein bisschen hektischer als sonst, erstes Gepäck steht in der Gegend rum … Sobald der Reise-Sensor des Hundes anspringt, verlässt er seinen angestammten Platz im Körbchen oder auf dem Sofa und legt sich – mitten in den Weg. Bei den weiteren Urlaubsvorbereitungen stolpert man mindestens dreimal über ihn, und seine Botschaft ist klar: Ihr könnt schon verreisen, ist in Ordnung, ABER VERGESST MICH NICHT! Seine Stimmung schlägt um in entspannte Gelassenheit, wenn er merkt, dass er mit darf (Leine an), oder andernfalls in demonstrative Enttäuschung; die folgende Aufführung von „Seht mich an, mich Häufchen Elend, das hier allein zurückbleiben soll, wollt ihr es euch nicht nochmal anders überlegen?“ ist dann durchaus bühnenreif.) […]

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