Experimente im Januar

Der arme Januar. Seit einiger Zeit muss er als Versuchskaninchen für alle möglichen Schrullen der Menschheit herhalten. Auch bei mir …

Die Lieblings-Schrulle der Menschheit ist dabei pandemiebedingt dieses Jahr nicht verfügbar: Sich im Fitnessstudio anmelden, zwei Wochen voller Elan hingehen, allen davon erzählen, merken, dass das irgendwie doch ein bisschen anstrengend ist – und es wieder bleiben lassen. Die gesamte Fitnessstudio-Branche lebt von Jahresverträgen, die nur zwei Wochen lang genutzt werden.

Also werden neue Experimente gesucht, die sich auch namenstechnisch mehr oder weniger elegant mit dem Januar verknüpfen lassen: Dryanuary … Veganuary … grchkrmpf … sorry, ich habe einen Knoten in der Zunge. Gerne natürlich auch mit einem fancy Hashtag verknüpft. (Anekdote am Rande: Ich habe neulich dieses #-Zeichen meinen Kindern gegenüber als „Raute“ bezeichnet. Erst haben sie mich nicht verstanden, dann gefragt, ob ich einen „Hashtag“ meine, dann mich ausgelacht. Nun ja …)

Nun also zu meinen Januar-Experimenten. Es waren diesmal zweieinhalb.

Zum einen verzichte ich schon seit mehreren Jahren im Januar auf Alkohol. Der Januar ist dafür der perfekte Monat, da ich im Dezember wirklich sehr gerne und reichlich Alkohol trinke. Draußen kalt, drinnen gemütlich, die Last des Jahres fällt von einem ab, dazu ein Glas Rotwein, ihr wisst schon … Das ganze gipfelt an Silvester in einer rauschhaften Orgie (ich sag nur: Feuerzangenbowle), die ein wenig Enthaltsamkeit an den ersten Tagen des Jahres durchaus nahelegt. 

Natürlich will ich mir mit dem alkoholfreien Januar beweisen, dass ich‘s kann – durch die Untiefen des Lebens schiffen, ohne mich an OH-Gruppen zu klammern. Und, good news: Ich kann‘s. Kein Problem. Fällt mir leicht. Wenngleich ich zugeben muss, dass die andauernde Pandemie und das zunehmende Gefühl, dass einem das Homeoffice-Dach auf den Kopf fällt, die Angelegenheit etwas anspruchsvoller gemacht hat als sonst. Übrigens hat auch irgendein völlig spaßbefreiter Abstinenzler Arzt mal geschrieben, dass sich die Leber über jeden Tag ohne Alkohol freut und dann regeneriert. Also, Leber, nimm das, regeneriere dich und beschwere dich den Rest des Jahres nicht. 

Zum anderen habe ich mich komplett vegetarisch ernährt. Auch das: ein Kinderspiel. Ich bin seit einigen Jahren flexitarisch unterwegs, also weitgehend vegetarisch mit gelegentlichen Ausflügen ins Fisch- und Fleisch-Paradies, dann aber bewusst, von hoher Qualität und möglichst nachhaltig. Letzteres fiel jetzt halt ein paar Wochen lang weg. Kein Problem. Aber solche Wochen schärfen auch die Sinne: Wie ich mich auf ein schönes Glas Wein freue, habe ich große Lust auf ein Stück Fleisch. Ich bin halt Raubtier und Allesfresser, ist einfach so.

Und warum „zweieinhalb“? Kind Nummer 2 wollte sich der Veganuary-Challenge anschließen und hat nun 31 vegane Tage hinter sich. Wir haben das zwar nicht konsequent mitgemacht, aber da wir nette Eltern sind und das Kind nicht verhungern lassen wollten, waren viele unserer vegetarischen Gerichte halt gleich vegan, damit er uns nicht traurig beim Essen zuschauen muss. Ja, so sind wir. Ich nehme Nominierungen für den Friedensnobelpreis entgegen. 

Und hier war leider schnell die Grenze dessen erreicht, was mir Spaß macht.

+++ STOP! +++

Bevor ihr weiterlest, ein wichtiger Hinweis: Es folgt meine persönliche Meinung zu meinen persönlichen veganen Erlebnissen in den letzten Wochen. Es wäre unsinnig, sie verallgemeinern zu wollen („Wusste ich‘s doch, vegan taugt nichts!“), ebenso wäre es unsinnig, sie widerlegen zu wollen („Du bist das nicht richtig angegangen, du hast die falschen Sachen gekauft oder gekocht, vegan ist toll!“). Wir reden hier über Genuss und Geschmack, und beide sind bekanntlich höchst individuelle Angelegenheiten. Ach ja, manche reden bei veganer Ernährung (wie überhaupt generell bei Ernährung) auch gerne über Weltanschauung, da Veganismus wahlweise die Welt rettet oder zerstört, je nachdem welchem ideologischen Lager man zugeneigt ist. All das spielt hier keine Rolle, was man natürlich wiederum kritisieren könnte („Du Ignorant!“), was uns aber an dieser Stelle auch nicht weiterbringen würde …

+++ SO, JETZT WEITERLESEN! +++

Schon mit dieser semi-veganen Ernährung im Januar fehlt mir einfach zu viel (und meine Frau und Kind Nummer 2 stimmen mir zu). Ist aber auch kein Wunder: Ich bin Käse-Liebhaber. Und wenn es irgendetwas gibt, dass sich nicht vegan ersetzen lässt, dann ist das guter Käse. Was einem als vegane Käse-Alternativen angeboten wird, ist ein Witz. Wer Schmelzkäse und geriebenen Pizza-Käse aus dem Kühlregal für Käse hält, mag auch veganen Käse akzeptabel finden. Ich nicht.

Auch die veganen Milch- und Jogurt-Alternativen konnten uns nicht überzeugen. Zu viel irritierende Geschmäcker, die auf der Genuss-Skala irgendwo zwischen merkwürdig und katastrophal anschlagen. So soll mein Müsli am Morgen bitte nicht schmecken. Ja, und Eier haben auch ein paar Geschmacks-Nuancen, die sich durch nichts in der Welt ersetzen lassen, schon gar nicht durch geschredderten Leinsamen. Und Soja … Bitte lasst uns nicht über Soja reden. Nein. Schrecklich. 

Unsere Erkenntnis dieses Januars ist, dass (fast) alle Versuche, nicht-veganes Essen vegan zu imitieren und nachzubauen, geschmacklich zum Scheitern verurteilt sind. Wir haben veganes Hackfleisch probiert und waren erschüttert. Veganes Geschnetzeltes sorgte für dramatische Szenen am Esstisch. Von Käse & Co sprach ich schon – die veganen Mac and Cheese („ein gesundes und leckeres Gericht“, steht im Rezept) mit Hefeflocken als Mittel, um die Käsecreme-Konsistenz zu imitieren, lösten die Pandemie als Gesprächsthema Nummer 1 bei uns ab, und das klingt nur vordergründig positiv. 

Aber: Natürlich gibt es wunderbare vegane Gerichte, die nicht versuchen, irgendetwas zu imitieren, das sie nicht sind. Die für sich selbst stehen und in der Regel auch nicht neu erfunden wurden. Die gute alte Gemüsesuppe zum Beispiel, zumal wir im Winter ohnehin sehr gerne Suppen essen. Italienische Pasta (nur Wahnsinnige kommen auf die Idee, Ei in Nudeln zu tun) in zahllosen Variationen mit Sugo ohne tierische Produkte. Focaccia, herrlich mit frisch gemahlenem Rosmarin. Wir können im Mittelmeerraum auch weiter nach Süden und Osten wandern: Hummus! Ich liebe Hummus, wie überhaupt Kichererbsen eines der stark unterschätzten Lebensmittel in unseren Breiten sind. Oder gehen wir noch weiter nach Osten: Die asiatische Küche von Japan bis Indien bietet viele schöne vegane Gerichte. 

Mit anderen Worten: Ich werde auch weiterhin gelegentlich vegan essen. Aber nicht im Bestreben etwas nachzuahmen, das mir im Original besser schmeckt.

So, der große Experimentier-Monat Januar ist rum. Die Fitnessstudios sind noch immer geschlossen – was fangen wir bloß mit dem Februar an? Ich habe da eine Idee. Vielleicht erzähle ich euch demnächst mal davon …

5 Gedanken zu “Experimente im Januar

  1. Danke für den interessanten Monatsrückblick.
    Auch wir wollten im Januar mal auf Alkohol verzichten und hurra wir haben es geschafft.
    Ab morgen „dürfen“ wir wieder und wenn wir nicht wollen, müssen wir nicht😇

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  2. Lange nicht mehr so gelacht, danke!
    Falls hier irgendein vegan Erfahrener einen Tipp für einen veganen „Milch im Kaffee Ersatz“ hat- lässt es mich wissen!

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  3. Dankeschön für den Einblick in diese persönliche kulinarische Welt. Hat er mich doch in Teilen an ein anderes Erlebnis erinnert – meine Tochter hat sich zu ihrem 19. Geburtstag unter anderem ein Stück Käse gewünscht. Und was ist passiert? Sie hat dieses Geschenk bekommen. Wir konnten sie damals sogar besuchen…als sie nach ihrem Schulabschluss für ein Jahr in Ghana gelebt hat und dort unterrichtet hat. Ihre Freude über dieses Stück Gouda Käse hat mich damals und auch noch heute mehr als angefasst. Bewusster Genuss at its finest! Um so mehr lernen wir die alltäglichen Dinge zu schätzen. Bin gespannt auf die kommenden Ideen. :)

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  4. Ich habe mit Intervallfasten begonnen, indem ich jeden Tag mindestens 16 Stunden nichts esse.
    Die ersten drei Tage waren hart, vor allem hatte ich am Morgen immer so Hunger, dass ich mich auf nichts Kompliziertes konzentrieren konnte. Also habe ich statt dem Frühstück lieber auf das Abendessen verzichtet.
    Und siehe da: Es geht. Man gewöhnt sich überraschend schnell daran, und jetzt esse ich manchmal weniger als ich dürfte.

    Bisher ohne erkennbare Leistungseinschränkungen, dafür schon mit +5 kg Gewichtsabnahme nach zwei Wochen. Und ich fühle mich leichter und schlafe besser. Außerdem muss der Kühlschrank nicht mehr alle Tage aufgefüllt werden. Erstaunlich, wie lange ein Einkauf jetzt hält und wieviel ich anscheinend immer überflüssig gegessen und ausgegeben habe.

    Mal sehen, vielleicht werde ich sogar wieder mit dem Laufen anfangen, wenn der Schnee schmilzt…

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