Kommunikation im Blackout

Ich hörte kürzlich einen Vortrag über den möglichen Blackout und begann mir Gedanken zu machen …

Doch zunächst mal: keine Panik. Ein Blackout, also ein ungeplanter, längerer, deutschlandweiter Ausfall des Stromnetzes, ist immer noch ziemlich unwahrscheinlich. Aber nicht unmöglich. Und da ein Risiko, wie auch in dem Vortrag vorgerechnet wurde, aus zwei Faktoren besteht, nämlich Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe, kann oder sollte man sich durchaus mal mit diesem Risiko beschäftigen, wenn nur einer der beiden Faktoren gering, der andere aber gigantisch ist. Und  die Auswirkungen eines Blackouts wären wirklich sehr, sehr unlustig, der potenzielle Schaden sehr, sehr hoch.

Nun will ich euch nicht mit nahe liegenden Fragen quälen, etwa wie lange der Vorrat an Wasser oder Essen reichen würde, den ihr im Haus habt, wie ihr das mit der Hygiene regelt oder ob ihr dann schnell noch Vorräte im nächsten Supermarkt kaufen könnt (Antwort: nein, da die Kassen nicht mehr funktionieren). Ich möchte mich aus nahe liegenden Gründen aufs Thema Kommunikation konzentrieren. Wie schaut‘s also aus mit unseren Möglichkeiten, im Blackout miteinander zu kommunizieren?

Kurzfassung: ganz finster.

Weil natürlich fast alle unserer heutigen Kommunikationswege auf Strom angewiesen sind. So gerne wir immer über den stark ausbaufähigen Stand der Digitalisierung in Deutschland meckern, in Sachen Kommunikation sind wir doch recht digital und vernetzt unterwegs, und Digitalisierung minus Strom ergibt in dieser traurigen Gleichung nun mal Mittelalter.

Der routinierte Griff zum Telefon bringt im Blackout jedenfalls nichts. Die Festnetz-Verbindungen sind sofort hinüber, das Smartphone hat zwar dank Akkuladung noch Strom, sogar das Mobilfunknetz könnte theoretisch ein paar Stunden notbetrieben werden – es bricht trotzdem sofort zusammen, da alle gleichzeitig versuchen würden zu kommunizieren. Ohne WLAN und Mobilfunknetz kein Telefon, kein WhatsApp, keine verzweifelten Selfies auf Instagram und kein Panik-Post in der Apokalypse-Gruppe auf Facebook. Schluss, aus, Feierabend. Das Smartphone taugt bestenfalls noch als Taschenlampe (was durchaus hilfreich sein kann).

Sonstige Bildschirme? Bleiben natürlich schwarz. Ob klassisches Fernsehen oder irgendwas internetbasiertes: rien ne va plus.

Das Krisen-Kommunikationsmittel der Stunde im Blackout wäre tatsächlich das gute, alte Radio, vorausgesetzt ihr besitzt ein batteriebetriebenes und habt die passenden Batterien dazu. Ebenfalls hilfreich: ein Auto, nicht um sinnlos in der Gegend herumzufahren bis der Tank leer ist (denn die Tankstellen funktionieren natürlich nicht mehr), sondern um Radio zu hören. 

Damit via Radio hilfreiche Informationen zu empfangen sind, muss noch eine andere Voraussetzung erfüllt sein: Der Sender muss funktionieren, und damit meine ich Technik und Menschen. Dabei könnte die Technik das geringere Problem sein, es gibt ja noch Notstromaggregate. Aber Menschen müssen die Technik betreiben und Inhalte bereitstellen, und diese Menschen haben noch ein paar andere Probleme: Sie müssen an ihren Arbeitsplatz kommen können (siehe oben: Tank leer, öffentliche Verkehrsmittel funktionieren auch nicht mehr) und wollen. Denn auch sie haben Familie und Angehörige und müssen sich überlegen, ob sie sich erst mal um die kümmern oder um ihren Job. Weshalb es in solchen Krisenszenarien, auch das wurde im Vortrag deutlich, eine gute Idee ist, den Menschen ins Zentrum der Überlegungen zu rücken. Menschen in kritischen Jobs brauchen die Sicherheit, dass es ihren Familien auch ohne sie gut geht, sonst sind alle weiteren Überlegungen reine Theorie.

Aber zurück zu den Kommunikationsmitteln: Wir würden sehr schnell zu einer Kommunikation zurückkehren, wie sie jahrhundertelang üblich war: sehr regional, räumlich sehr begrenzt. Anfangs vielleicht noch mit Durchsagen (Autos mit Lautsprechern wie bei den Blues Brothers, aber siehe oben: Tank bald leer), dann vor allem mit Veröffentlichungen: Zetteln mit Informationen, die an geeigneten Stellen ausgehängt werden. So wie Luthers Thesen an der Schlosskirche zu Wittenberg. Und Menschen, die diese Informationen „Mund zu Mund“ weitergeben.

Diesen Aspekt finde ich besonders bemerkenswert: Wir werden im Falle des Falles von einer digital vernetzten, globalen Echtzeitkommunikation, die viele von uns gelernt haben und mit der viele sogar aufgewachsen sind, in eine vorindustrielle, regionale Marktplatzkommunikation zurückfallen. Nichts ist so egal wie die Geschehnisse in der Welt, wenn man sie nicht mehr mitbekommt, weil der eigene Informationsradius nur noch einen guten Kilometer beträgt.

In diesem kleinen Radius dürfte diese „mittelalterliche“ Form der Kommunikation sogar recht gut funktionieren. Aber anders als im Mittelalter ist unsere Welt heute nun mal größer und unser Interesse geht zu Recht über diesen Radius hinaus. Und dabei kann es sich um ein existenzielles Interesse handeln: Vielleicht wohnen eure betagten Eltern ein wenig entfernt oder eure Kindern studieren in einer anderen Stadt … In guten Zeiten ein Klacks, im Blackout ein gewaltiges Problem. Die Kommunikation zu Menschen, die euch wichtig sind, wäre schlagartig unmöglich. Ihr wüsstet nicht, wie es ihnen geht, und hättet keine Möglichkeit, euch umgehend um sie zu kümmern.

Ich sehe eigentlich nur eine Möglichkeit, um im Blackout größere Distanzen zu überwinden, um persönliche Kommunikation möglich zu machen: das Fahrrad. So lässt sich der Informationsradius auf bestenfalls wenige hundert Kilometer erweitern, natürlich nicht in Echtzeit, aber immerhin innerhalb einiger Tage. Was früher die Postkutsche war, könnte im modernen Blackout der Fahrradkurier sein, der Informationsbroker über den engsten Kreis hinaus. 

(Das ist übrigens auch einer der häufigsten „Fehler“ in Zombie-Serien wie The Walking Dead: Wie bewegen sich die Überlebenden da fort, wenn der letzte Tropfen Benzin verbraucht ist? Immer auf Pferden, nie auf Fahrrädern. Der Grund ist völlig klar: Reiten sieht viel cooler aus als Fahrrad fahren. Aber in Wahrheit würden wir alle auf wartungsarmen Rädern den Zombies davonradeln, statt uns mit Pferden rumzuschlagen …)

Ach ja, das bringt mich auch zu meiner eigenen Profession: Was würden denn Menschen im Blackout tun, die für Unternehmenskommunikation verantwortlich sind? Sehr, sehr wenig. Denn egal, wie gut wir vorbereitet sind, egal wie regelmäßig wir Krisen simuliert und Krisenkommunikation geübt haben: Es fehlen uns schlicht die Kommunikationskanäle. Telefon, E-Mail, Intranet, Yammer, Website, Blog, Social Media – nichts funktioniert mehr, und die Endgeräte, um Informationen zu empfangen, – siehe oben – natürlich auch nicht mehr. Die Kommunikation mit Mitarbeitern, Kunden und Öffentlichkeit wäre schlagartig abgeschnitten. Funkstille, Sendepause, und zwar komplett. Aus der so oft beklagten Informationsflut würde nicht eine Informationsebbe werden, sondern eine Informationsdürre, und zwar eine totale und absolute – kein Brunnen und keine Oase weit und breit. Über eine funktionierende Brieftauben-Staffel dürften die wenigsten Unternehmen verfügen. Und Rauchzeichen würden uns wahrscheinlich auch nicht weiter bringen.

Tja, nun. Bessere Nachrichten habe ich bei dem Thema leider nicht. Es bleibt zum Glück ein ziemlich unwahrscheinliches Szenario. Over & out.

6 Gedanken zu “Kommunikation im Blackout

  1. Lieber Christian,

    ich denke, dass ein großer Teil der Unternehmenskommunikation im Katastrophenfall sowieso nicht wichtig ist. Insofern hält sich der Schaden in Grenzen 😉

    Das Wesentliche bei Broadcast ist: der Empfänger entscheidet darüber, was er empfangen möchte.
    Im Kern geht jedoch der Trend zu Punkt-zu-Punkt Verbindungen (weil dadurch das personalisierte Konsumverhalten besser für viele Werbemillionen der ohnehin schon reichen Techkonzerne verscherbelt werden kann). Das ist die eigentliche Ursache für das Problem bei einem Blackout, denn es setzt eine funktionierende und vernetzte Infrastruktur voraus, die zusätzlich eine bidirektionale Verbindung ermöglicht und benötigt. Rein wirtschaftlich betrachtet ist diese Bidirektionalität unrentabel, sie finanziert sich am Ende immer nur durch Werbung.

    Die Unternehmenskommunikation hat sich dieser Technologie zu großen Teilen verschrieben (vermeintlich gezielte, weil personalisierte Werbung). Das zeigt Dein Szenario sehr deutlich
    Natürlich gehört weit mehr zur UK als Werbekanäle aufrecht zu erhalten, z. B. die Auftragsabwicklung, die sicher wichtiger als das Marketing ist.

    Broadcast-Sendung kann – wie Du schreibst – mit Notstromaggregaten, Empfänger können mit Batterien/Akkus betrieben werden. Eine unidirektionale Kommunikation ist damit also prinzipiell möglich. Die zunehmende Autarkie in der Stromversorgung, durch Photovoltaik oder einfache Balkonkraftwerke, trägt dazu bei, dass diese Sende-Empfangsrichtung weiterhin funktionieren kann. D. h. Sendeeinrichtungen müssen über funktionierende Kommunikationskanäle, die nicht vom kommerziellen Stromnetz abhängig sind, verfügen (gab es früher schon mal – Personal und Funkstrecken eingeschlossen).

    Für die wirklich wichtige Kommunikation ist es also absolut notwendig, dass dieses Prinzip aufrecht erhalten bleibt. Die beiden Warntage haben ja gezeigt, wie fatal es ist, sich im Katastrophenfall nur auf die Internetinfrastruktur zu verlassen.

    Beste Grüße vom Raul

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  2. Guter Beitrag, danke.
    „ Es bleibt zum Glück ein ziemlich unwahrscheinliches Szenario“ … ja das hoffe ich. Und auch batteriebetriebenes DAB-Radio hat da bestimmt seine Grenzen und die hochgelobten Digital-Funkgeräte der Rettungsdienste, die man immer so gern anschaffen will, ebenso. Ich lebe ja selber in einer Tech-Welt aber so ein bisschen analoge Technik im Keller zu haben, ist sicher nicht schlecht.

    Will mir auch nicht ausmalen, wie 4 Mio Berliner mit Zetteln kommunizieren. Geht ja schon damit los, dass man meine Zettel gar nicht lesen kann ;-)
    Schönen Abend.

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  3. Ein bisschen Strom wird es geben. Photovoltaik mit Notstromversorgung & Speicher. Zumindest wenn es etwas Licht / UV-Strahlung gibt. (Echte und gelebte Autarkie) Somit kann auch das Auto, zumindest einen begrenzten Raum erreichen. Auch der Kühlschrank läuft – eingeschränkt – weiter. Mal für 3-5 Tage ein Szenario das gehen kann. Im privaten Bereich. Klar ohne Internet / WLAN, digitales Radio etc. echt fad, aber mit ein paar Zeitschriften und Büchern … oder einfach sich mal wieder mit seinem gegenüber unterhalten. (P.S. Eine Community können auch die Nachbarn sein, der Begriff beschränkt sich ja nicht nur auf das Internet.) Auch der gute alte CB-Funk (aufladen möglich Dank Autarkie) ist möglich.
    Aber ja, vieles wird nicht gehen. Und ob da die U-Kommunikation wirklich wichtig ist, ist fraglich. Und ob es tatsächlich ein ganzes Land / Kontinent betreffen würde – fraglich. Alles viel „Was wäre wenn“, das niemand so richtig Beantworten kann, uns alle aber umtreiben sollte.
    Und sollte es tatsächlich mal auftreten, dieser Blackout, dann wird man sehen, wie die Community zusammensteht und man sich gegenseitig hilft und unterstützt – und das ist dann die DNA des Menschen,

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  4. Also, wenn die Blues Brothers mit ihrem Megamegaphon durch die Gegend gurken, dann wäre das einen Versuch wert. ;-)

    Ich habe bisher nur kurze Blackouts erlebt, von ein paar ungeplanten Stunden (öfters in Bolivien) bis zu geplanten halben Tagen (Kosovo). Ich war auch schon in Kommunen, die ganz ohne Strom (oder allenfalls mit kleinen Solarzellen für ein Radio) leben, zB im Amazonas, bei den Uros im Titicaca-See oder in Gemeinden in der Chapada Diamantina in Brasilien. (Wobei das alles kleine Gemeinden von maximal wenigen hundert Menschen sind.)
    Ich fand es eigentlich beruhigend, weil sich alles verlangsamt. Man geht schlafen, wenn die Sonne untergeht. Man merkt, dass der Großteil des Kommunizierens überhaupt nicht wichtig und erst recht nicht dringend ist.
    Wenn du zB schreibst, dass die meisten Menschen bei einem Blackout nicht mehr zur Arbeit kämen, dann entgegne ich: Na und? Dann bleiben sie halt zuhause. Die wenigen verbleibenden Batterie- und Dieselressourcen brauchen wir eh für Krankenhäuser, Feuerwehr und Bäckereien. Aber keinesfalls für Steuerberater, Marketing-Experten oder Fernsehprediger.
    Es wäre sogar besser, wenn die meisten Menschen den ganzen Tag im Bett bleiben, weil sie dann weniger Kalorien verbrauchen. Lebensmittel würden ja auch schnell knapp bzw. würden im Sommer verderben.

    Und dann gibt es ja auch nicht-technische Lösungen für technische Probleme.
    Wenn die Supermarktkasse nicht funktioniert, dann gehe ich zum Laden, wo sie mich kennen und lasse anschreiben. Oder bezahle in bar. Oder der Ladenbesitzer gibt jedem Kunden ein Brot und etwas Gemüse umsonst, weil er weiß, dass es nach ein paar Tagen sowieso verschimmelt. (Und vielleicht weil er nicht ausgeraubt werden will.)
    Leute mit Elektroheizung ziehen zu Nachbarn/Freunden mit Kachelofen. (Oder stellen sich an die Autobahn und trampen ins warme Italien.)
    Alle Menschen in einem Haus schlafen in einem gemeinsamen Raum, weil das mehr Wärme abgibt. Nudeln werden zentral gekocht, weil das effizienter ist. Ebenso versammeln sich die Menschen um ein Radio. (Der BBC World Service sendet ja noch.)

    Aber klar, für all die Leute mit „smart“ Homes wird es hart. Und für die Bitcoin-Fuzzis, hihi.

    Oh, und die Kühe in elektronischen, vollautomatisierten Ställen, wo der Landwirt nicht einmal mehr weiß, wie man von Hand füttert, die tun mir leid.

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