Wir beschäftigen uns heute mit Verpackungen und Inhalten. Und einem ganz anderen Thema …
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Mit Tupperware geht es zu Ende, das Unternehmen ist quasi pleite. Das hat eine Reihe an wehmütigen Nachrufen nach sich gezogen, aber auch das eine oder andere wahre Wort wurde gesprochen:
Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie Menschen unter einem Berg pastellfarbener Plastikpötte begraben wurden, weil sie die Tür des Wandschranks etwas zu ruckartig geöffnet hatten. Ein Jahr zuvor hatten sie noch gesagt, wirklich nur diese sechs wahnsinnig praktischen Boxen kaufen zu wollen. Ich habe erlebt, wie Menschen, die großzügige Einfamilienhäuser bewohnen, darüber klagten, ja sooo wenig Platz zu haben für den ganzen Plunder. Ich habe gesehen, wie ganze Keller, Dachböden und Garagen vollgetuppert wurden. Dabei kauften sie doch immer nur das, was sie wirklich unbedingt bräuchten, sagten sie.
Denn das gehört zur Wahrheit dazu, dass diese Plastikdosen schon sehr praktisch waren, aber man irgendwann einem spätbarocken Tupper-Wahn erlegen ist, der das Haus mit fragwürdige Behältnissen flutete. Und natürlich hatte das alles irgendwann nichts mehr mit Tupperware zu tun, denn bei Aldi, Lidl, Rewe, Kaufland und vor allem Ikea und jedem anderen Möbelhaus gab es bald No-Name-Plastikverpackungen in rauen Mengen, die man sich nach dem Einkauf eines Regals, eines Kleiderschranks und eines XXL-Wasserbetts noch locker an der Kasse in den Einkaufswagen geworfen hat (nebst Teelichtern und Strohhalmen).
Das sinnloseste Tupper-Dings in unserem Haushalt war: eine Bananen-Box. Natürlich gelb und irgendwie gebogen und es passte eine Banane rein. Warum? Man weiß es nicht. Vielleicht weil manche Menschen Bananen schälen und dann, ihrer natürlich Hülle beraubt, in eine Plastik-Hülle legen? Wir hatten mehrere davon, und ja, sie flogen einem immer aus dem Schrank entgegen, wenn man ihn aufmachte. Irgendwann kamen sie uns abhanden, und – das Leben ging weiter, ohne erkennbare Einschränkungen.
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Kommen wir von Verpackungen zu Inhalten. Ich kaufte eine Tüte Snacks, und zwar so etwas ähnliches wie Salzstangen. Gut, es waren keine Stangen, sondern runde Dinger, aber egal. Vorne auf die Verpackung hat der Hersteller den Nutri-Score gedruckt, diesen Farbcode von grün bis rot und A bis E, der irgendwie plakativ anzeigen soll, ob das gesund ist, was man da isst, oder nicht.
Diese runden Nicht-Salzstangen haben einen Nutri-Score von D, also nicht so doll, wen wundert‘s. Interessant fand ich erstens, dass der Hersteller ihn dennoch auf die Verpackung druckt, denn das ist keine Pflicht in Deutschland, sondern geschieht freiwillig. Und zweitens, dass er die Rückseite nutzt, um ausführlich zu erklären, warum der Nutri-Score dieser liebevoll zubereiteten runden Dinger in Richtung „mangelhaft“ tendiert:
Du hast es vorne vielleicht schon entdeckt: Unser Wunsch ist es, dir genau zu zeigen, was in unseren Produkten drinsteckt. Wie du wahrscheinlich weißt, ist eine unserer wichtigsten Zutaten Salz. Das macht unser Produkt so lecker. Führt aber auch mit dazu, dass unser Nutri-Score bei D liegt.
Ja, nun. Abgesehen davon, dass allen, die das kaufen, der Nutri-Score wahrscheinlich herzlich wurscht ist, frage ich mich, was diese kleine Exegese soll. In 100 Gramm von dem Zeug steckt halt fast die empfohlene Tagesration Salz, und ich kann euch sagen: 100 Gramm davon hat man echt schnell weggefuttert. Es ist also einfach nicht so irre gesund. Die ganze Erklärung klingt aber nach: Ey, ist doch nur Salz. Alles gut, mein Freund! Haribo müsste dann auf seine Tüten schreiben: Du hast es vielleicht schon entdeckt: Unsere wichtigste Zutat ist Zucker, das macht unser Produkt so lecker, versenkt aber leider den Nutri-Score. Und Chio Chips: Bla bla bla, unsere wichtigste Zutat ist Fett, das macht unser Produkt so lecker, bla bla.
Und das Lustige ist: Alle hätten Recht.
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Wie kriege ich jetzt geschickt den Themenwechsel hin? Gar nicht. Also cut. Thema Machtmissbrauch: Wenn man mal verstehen will, wie das funktioniert, könnte man den Podcast „Boys Club – Macht & Missbrauch bei Axel Springer“ anhören, den es exklusiv bei Spotify gibt. Die erste Folge habe ich gehört, sieben weitere folgen. Leser dieses Blogs kennen meine Meinung zur BILD Zeitung, zu Döpfner und zu Springer. Lassen wir das mal beiseite. Wirklich interessant und bedrückend im Podcast sind die Worte einer jungen Journalistin, die vom Ex-Chefredakteuer Julian Reichelt gleichermaßen gefördert wurde wie sie unter ihm gelitten hat. Denn er war – ihren Aussagen im Podcast zufolge – erst ihr Bekannter, dann derjenige, der ihre Ausbildung in der Springer Akademie möglich gemacht hat, dann ihr Chef. Und das alles, während er eine Beziehung zu ihr hatte. Das Problem ist offensichtlich: Bei allem Erfolg war sie sich nie sicher, ob er ihrer Leistung oder ihrer Beziehung geschuldet war. Bei allen Gedanken an persönliche Distanzierung musste sie befürchten, beruflich ausgebremst zu werden oder den Job zu verlieren. Besonders absurd, aber auch typisch für so ein missbrauchtes Machtgefälle: Sie gibt sich die Schuld, dass sie da reingeraten ist, dass sie nicht reinen Tisch macht, dass sie Angst hat. Und sie braucht viel Zeit, bis es ihr gelingt, sich aus dieser Situation zu befreien und offen zu reden.
Die Unternehmenskultur bei Springer hat das offenbar möglich gemacht und gefördert. So etwas funktioniert meines Erachtens grundsätzlich nur mit Duldung des Systems. Ein entsprechendes System zieht Typen wie Reichelt an, gibt ihnen den Raum für Machtmissbrauch und deckt sie. Ein solches System ist nicht an Aufklärung und Veränderung interessiert, sondern verstößt vermeintliche Störer und schließt die Reihen, wenn es von außen bedroht wird. Dass es sehr schwer war für den Podcast Menschen zu finden, die offen über das System reden wollen, erinnert an die Omertà, das Gesetz des Schweigens, mit dem sich kriminelle Organisationen wie die Mafia abschotten. Dem System sind Menschen und Schicksale egal. Was für ein Zufall, dass dieses System Tag für Tag die BILD-Zeitung produziert.
Mit Kind und stets überquellenden Rucksäcken, Wickeltaschen und sonstigen Transportutensilien kann ich zumindest den Mehrwert dieser gelben Bananenformen erklären, da wir jüngst eine Box angeschafft haben: Spätestens nach dem zweiten Mal Bananen-Matsch aus dem Rucksack holen, vertraut man der (ausschließen) Naturverpackung nicht mehr und schützt zusätzlich.
Schönes verlängertes Wochenende ;-)
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Ja,, Machtmißbrauch funktioniert immer mit Duldung des Systems – und es sind Männerbünde, egal ob Springer, Omerta oder die katholische Kirche. Und wenn Insider reinen Tisch machen, dann werden sie als Nestbeschmutzer gemobbt oder Schlimmeres …
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Ja, Christian,
ich mag Bananen und freue mich mich, wenn sie bio und oder öko angeboten werden. Sie haben schöne Schalen, die ich gegebenfalls in einer Vesperstüte aus Papier im Restmüll oder Biomüll entsorge. Auf so eine Variante mit „dubber“ wäre ich nie gekommen …
Und Bild ist sowieso Banane …
Schönen Maifeiertag
Bernd
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Keine der bei Aldi & Co gekauften Boxen hat auch nur annähernd eine solche Qualität aufgewiesen wie die Tuppersachen. In meinem Haushalt gibt es Behälter, die 30 Jahre alt sind und tadellos. Und ich benutze sie alle. DAS ist nachhaltig. Ich werde Tupper vermissen.
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Meine Frau hat mir inzwischen erklärt, warum die Tupperware-Bananen-Boxen die beste Erfindung überhaupt waren: Weil Bananen ohne Tupper-Ummantelung in den Schulranzen der Kinder zwangsläufig unter den schweren Schulbüchern zermatscht werden. Ich gebe zu: Punkt für sie. Man verdrängt ja vieles aus der Vergangenheit, aber eines habe ich nicht vergessen: dass diese Schulranzen wirklich immer höllisch schwer waren und dass die Kids in diesem sehr analogen Schulbetrieb wirklich jede Menge Bücher hin und her geschleppt haben. Und klar, dass es im Game „Bananen gegen Bücher“ nur einen Gewinner geben konnte. Im Übrigen bestätigt sie: Nichts war so haltbar wie Tupperware. Die ganzen Billig-Imitate haben das unerreichte Original, den Verpackungs-Champion gekillt. (Oder es gab irgendwelche anderen Gründe für die Pleite, mieses Management zum Beispiel, müsste ich nochmal nachlesen.)
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[…] weil der Podcast unter anderem einen Blick hinter die Kulissen der BILD wirft. Danke an Christian Buggisch für den Tipp, den Podcast empfinde ich wirklich als […]
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Gibt’s für Verlagshäuser eigentlich auch einen Nutri-Score? Das wäre doch mal was.
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