Oftmals etwas mürrisch

Wir alle haben Sehnsucht nach ihm. Und er macht den Unterschied: guter Service. Was darunter zu verstehen ist, da gehen die Meinungen allerdings schnell auseinander …

Lustig auch, dass man beim Thema Service umgehend mit abgedroschenen Metaphern konfrontiert wird. „Der Kunde ist König“ nervt dabei mit seinem Bild einer vormodernen Ständegesellschaft, in der der Kunde huldvoll die unterwürfigen Dienstleistungen des Servicepersonals entgegennimmt, ebenso wie die „Servicewüste“, in der man sich in Deutschland angeblich befindet.

In dieses Spannungsfeld führt mich gedanklich nun ein Booklet der Lufthansa mit dem Titel „How to meet the germans“. Es wird wohl auf Flügen an Reisende verteilt, die im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft nach Deutschland kommen. Und damit sich die Welt, wenn sie zu Gast bei Freunden ist, nicht zu sehr über unsere Eigenarten wundert, gibt es im Booklet Tipps, die helfen sollen, uns besser zu verstehen und in unserem schönen Land besser zurecht zu kommen.

Beispiel: Unter der Überschrift „Nur Bares ist Wahres“ wird Folgendes ausgeführt: „Brötchen holen, Limo kaufen, Döner bestellen – ja, gerne, aber bitte nicht mit der Karte bezahlen. Die Deutschen haben ein inniges Verhältnis zu ihrem Bargeld. Und so ist man auch heute noch oft verloren, wenn keine Münzen in der Tasche klimpern.“

Das ist so knuffig wie falsch. Denn natürlich haben nicht „die Deutschen“ ein inniges Verhältnis zum Bargeld, sondern einige Deutsche. Andere halten Bargeld für eine seltsame Erfindung aus dem Präkambrium und führen selbstverständlich keines mit sich, finden es aber ganz normal, ein Parkticket per App zu bezahlen. Wieder andere – wechseln wir mal auf die Seite der Verkäufer – haben sich nach Jahren des Grübelns und Abwägens zur Anschaffung eines Girocard-Kartenlesers entschlossen, weigern sich aber Debitkarten zu akzeptieren, was regelmäßig zu kollektiver Ratlosigkeit beim Kunden führt, der natürlich keine Ahnung hat, ob er eine Girocard oder eine Debitkarte besitzt und was der Unterschied ist. 

Wenn wir also eine deutsche Besonderheit festhalten wollen, dann diese: dass wir uns ums Verrecken nicht auf einen Standard einigen können; dass wir zahllose Sonderlösungen hegen und pflegen (wie die Girocard, eine rein deutsche Erfindung) und dadurch alles unnötig kompliziert machen; und dass wir uns auch deshalb bei der Digitalisierung, die zwangsläufig Standardisierung voraussetzt, so schwer tun. 

Auf Verkäuferseite, um uns langsam mal wieder dem Thema Service zu nähern, wäre die Sache ja eigentlich ganz simpel: Wenn es keine Standards gibt und wenn viele Bezahlmöglichkeiten im Umlauf sind, wäre es natürlich total nahe liegend, einfach alle dieser Möglichkeiten zu akzeptieren. Schließlich ist es durchaus im Interesse des Verkäufers, dass Geld vom Kunden zu ihm wandert. Da könnte man auf die Idee kommen, diesen Transfer so friktionsarm wie möglich zu gestalten. Na ja. Könnte, könnte, Fahrradkette.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Eine Seite im Booklet trägt den Titel „Rauer Service“ und dort liest man erstaunt Folgendes: „Können Kund:innen sich irren? In Deutschland lautet die Antwort „Ja!“. Deutsche Servicekräfte wirken oftmals etwas mürrisch. Allerdings gilt: harte Schale, weicher Kern. Geben Sie nicht auf, bleiben Sie freundlich, und Sie werden sich ihren Respekt verdienen.“

Uff. Ist das die Realität im deutschen Service? Ist doch der Kellner König, bei dem der Gast um eine Audienz betteln darf, um sich dann, im Laufe eines Abendessens, dessen Anerkennung zu verdienen? Ist „etwas mürrisch“ wirklich die Standard-Konfiguration im deutschen Servicebetrieb, die der Kunde mit viel Dialog und Sozialarbeit in Richtung „leicht höflich“ verändern kann?

Ich weiß nicht. 

Aber dann las ich in diesem Internet Kommentare, die das Bild im Luthansa-Booklet durchaus bestätigen:

Respekt beruht auf Gegenseitigkeit. Servicepersonal sind keine Sklaven und bekommen auch keinen Bonus, weil sie den Kunden in den Popo kriechen. Wer dann also von oben herab regiert, bekommt auch mal Kontra. Finde ich richtig so. Das sind Menschen wie du und ich.

Vollkommen richtig. So wie man in den Wald hinein ruft, schallt es heraus.

Also wenn ein Kunde von Anfang an unhöflich ist, kann er nicht erwarten, dass ich höflich bin.

Nochmal uff. 

Die Kommentare ließen mir keine Ruhe, sodass ich eine kleine Umfrage in eben dieses Internet stellte, die überhaupt nicht repräsentativ ist, aber meine Sorgenfalten etwas glättete:

Das kommt meiner Service-Realität doch deutlich näher als die launige Booklet-Beschreibung und die Einzelstimmen. Bleiben wir beim Beispiel Gastronomie: Ich erlebe in der Regel professionellen, fokussierten und entspannten Service, der sich selbst nicht in den Mittelpunkt stellt und im besten Sinne „den Laden am Laufen“ hält. Der auskunftsfähig ist, auf Wünsche eingeht, bei Stress cool bleibt und für gute Stimmung sorgt. Guter Service ist sicher freundlich, sehr guter Service ist es auch dann, wenn der Gast aus welchen Gründen auch immer frostig unterwegs ist. Mir hat mal jemand erzählt, dass es sein Anspruch ist, den Gast glücklich zu machen. Klingt verrückt, ist es aber nicht. Das kann harte Arbeit sein, vielleicht weil der Gast einen schlechten Tag hatte, der aber durch Koch und Kellner zu einem guten Tag werden kann. Es kann aber auch ganz schnell gehen, so zuletzt auf Sizilien erlebt: Da wurden wir einmal derart entwaffnend herzlich zum Abendessen begrüßt, dass wir gar nicht anders konnten als sofort beste Laune zu haben (und alles großartig zu finden, was man uns auf den Tisch stellte; da kann Service sogar zur geheimen Zauberkraft werden).

„Deutsche Servicekräfte versuchen Sie glücklich zu machen.“ Gut, es ist vielleicht etwas zu früh, das in ein Booklet zu schreiben, mit dem wir Gäste begrüßen. Aber bis zur nächsten EM oder WM in unserem Land ist ja noch ein bisschen Zeit.


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4 Gedanken zu “Oftmals etwas mürrisch

  1. Bei den Bezahlen muss ich doch etwas kontra geben. Die Systeme dazu sind schon sehr lange aktiv und damit in gewisser Weise gewachsen. Das Beispiel „girocard ja, Kreditkarte nein“ ist ja auch zu kurz gedacht, denn es könnte genausogut Händler geben, die die VISA akzeptieren, aber keine Mastercard. Und dazu gibt es ja auch noch American Express und Diners Card als weitere Beispiele. Einfach mal schauen, wann die jeweils erfunden wurden und wie die Welt zu der Zeit aussah.

    Girocard ist auch nur ein Rebrand der EC-Karte, die es zum Bezahlen seit 1982 gibt. – Quelle Wikipedia, Eurocheque-Karte – Wikipedia

    Und warum Händler bestimmte Karten akzeptieren oder nicht akzeptieren liegt auch an den z.T. horrenden Gebühren der Karteninstitute zusammen. Die waren nicht immer so günstig wie aktuell.

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    • Ja, das ist mir schon klar. Allerdings gibt es halt viele Händler, die alle Zahlungsmöglichkeiten akzeptieren, und die gehen deshalb nicht sofort alle pleite. Also scheint es Mittel und Wege zu geben, mit den Kosten klar zu kommen. Indem man halt zum Beispiel seine Preise so kalkuliert, dass die Kosten abgedeckt sind. Sehr banal. PS: Eine der teuersten Zahlungsmöglichkeiten ist Bargeld. Braucht unglaubliche Logistik, Kassensysteme, Sicherheit, Wechselgeld vorhalten, Anlieferung, Abtransport, Transfer aufs Bankkonto etc. Komischerweise höre ich nicht von Händlern, dass sie auf Bargeld verzichten, weil das mit horrenden Gebühren/Kosten verbunden ist …

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  2. Also in Indien kann man bei jedem Bananen-Händler mit dem Handy bezahlen. Probier, dass mal hier beim Bäcker …

    Und von Service .. mal ganz zu schweigen

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  3. Neulich ganz im Norden des Landes (Deutschland, nicht Franken;-) )…
    Nach der Bestellung in einem kleinen Dorfgasthof: „Vielen Dank für die Bestellung. Ich kümmere mich darum“.

    Da muss das Essen doch schmecken!

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