Dorf und Stadt 2.0 – Social Media in Kommunen

Was haben die meisten Menschen in Deutschland unter 30 Jahren gemeinsam? Sie sind Mitglied in einem sozialen Netzwerk. Und sie sind Bürger einer Kommune. Was liegt für Städte und Gemeinden also näher als die sozialen Medien für die Kommunikation mit ihren Bürgern zu nutzen?

Ganz einfach: Nichts liegt näher. Und doch gehen viele Kommunen mit Social Media noch vorsichtig und zögerlich um. Zum Beispiel meine Heimatstadt Erlangen … Sie ist zwar auf Facebook, Twitter und Google+ vertreten, weiß das aber gut vor ihren Bürgern geheim zu halten: Auf der Homepage der Stadt findet sich kein einziger Hinweis auf diese Kanäle. Folgerichtig hat die Facebook-Seite von Erlangen gerade mal 95 Fans; bei rund 100.000 Einwohnern ist das schon beeindruckend wenig.

Behörden im Internet? Wenig zufriedenstellend …

Was Bürger von der Verwaltung erwarten …

Diese subjektive Einschätzung wird bestätigt durch eine neue Studie mit dem Titel Soziale Netzwerke: Was Bürger von der Verwaltung erwarten. Danach sind nur 29 Prozent der Befragten mit den bestehenden Kontaktmöglichkeiten zu Ämtern und Behörden via Internet zufrieden. Und fast drei Viertel meinen, dass die Zufriedenheit mit der öffentlichen Verwaltung stiege, wenn es für die Bürgerinnen und Bürger mehr Möglichkeiten als heute gäbe, mit Behörden und Ämtern in Kontakt zu treten.

Aber muss das wirklich sein? Reicht nicht die „klassische“ Web-Präsenz, die für viele Kommunen sicher schon eine Revolution war? Schließlich hatte man lange Zeit nur in der Offline-Welt kommuniziert, was oft (zumindest in der Wahrnehmung vieler Bürger) gleichbedeutend war mit: Bürger musste zu festgelegten Öffnungszeiten „vorsprechen“ und dabei zum Teil beachtliche Wartezeiten in Kauf nehmen, um dann gegebenenfalls zu einer anderen Stelle geschickt zu werden, wo das Spiel von vorne begann … (Ihr merkt, ich bin immer noch traumatisiert durch frühere Erlebnisse in der KFZ-Zulassungsstelle der Stadt Erlangen.)

Zwei Gründe für die Kommune 2.0

Ja, es muss sein. Vor allem zwei Gründe sprechen dafür, dass sich Städte und Gemeinden intensiv Gedanken über ein Engagement in den sozialen Medien machen sollten. Zum einen gibt es immer mehr vor allem jüngere Bürger, die über klassische Medien bis hin zur eigenen Webseite nur noch schwer oder gar nicht mehr erreichbar sind. Neben der Google-Suche als Einstieg in die riesigen Weiten des WWW etablieren sich Plattformen wie Facebook, auf denen die Deutschen immer mehr Zeit verbringen und die sie zum Teil gar nicht mehr verlassen. Denn Facebook wird zunehmend zur zentralen Informationsdrehscheibe, in der alle interessanten Nachrichten und Meldungen von Freunden, aber auch von Unternehmen, Organisationen, Prominenten, Parteien, Interessensgruppen und Medien, mit denen man sich vernetzt hat, zusammenfließen.

Zum anderen bieten soziale Medien einzigartige Multiplikationseffekte, die es in vergleichbarer Form nur im „echten“ Leben gibt. Was ist wertvoller für einen Dienstleister als die persönliche Empfehlung eines zufriedenen Kunden? Was kann einem Besseres passieren, als dass man nicht selbst Werbung für die eigenen Leistungen machen muss, sondern andere diese Werbung übernehmen, weil sie mit der Leistung zufrieden waren und dies ihren Freunden und Bekannten weitersagen?

Hamburg und der Dreiklang: Interessent – Leser – Fan

Hamburg „gefällt“

Beispiel Hamburg: Über 550.000 Menschen „gefällt“ die Facebook-Seite der Stadt Hamburg – und das ist kein Zufall. Die Redaktion der Hamburger Facebook-Seite schafft es sehr geschickt, Information und Entertainment zu mischen Das Profilfoto der Facebook-Seite etwa wurde nicht vorgegeben, sondern in einem kleinen Wettbewerb von den Nutzern eingereicht, bewertet und ausgewählt – „user generated content“ at it’s best.

Mit solchen Aktionen und spannenden Inhalten gelingt Hamburg dreierlei: erstens den peripher Interessierten, vielleicht nur zufällig Vorbeischauenden zum Klick auf „Gefällt mir“ zu bewegen und damit zum potenziellen Leser zu machen; zweitens diesen enger an sich zu binden, ihn zum regelmäßigen Leser zu machen, der sich immer wieder über die Metropole und ihre Angebote informiert; und drittens ihn zum Fan zu machen, der anderen begeistert von „seiner“ Stadt berichtet, wie das auf der Hamburg-Pinnwand erstaunlich oft zu beobachten ist und wodurch jene „viralen“ Prozesse in Gang gesetzt werden, von denen oben die Rede war.

Size doesn’t matter

Oberstaufen: Perfekte Social Media Integration

Doch man muss keine Millionenmetropole wie Hamburg sein, um erfolgreich Social Media zu nutzen. Die Gemeinde Oberstaufen im Oberallgäu etwa hat nur rund 7.000 Einwohner und inszeniert sich sehr erfolgreich in zahlreichen sozialen Medien. Mehr als 7.000 Fans auf Facebook sind der Lohn dafür. Selbst die eigene Homepage wurde inzwischen vollständig „sozialisiert“, indem die Nachrichten rund um Oberstaufen aus sozialen Netzwerken zum zentralen Bestandteil der Webseite gemacht wurden.

Das Geheimnis des Erfolgs liegt auch hier in guten, weil interessanten Inhalten. Ob man Google StreetView öffentlichkeitswirksam herzlich willkommen heißt oder die Mitarbeiter des kommunalen Bauhofs von einem Fotografen in Szene setzen lässt – Oberstaufen beherzigt stets die goldene Regel, die da lautet: Man kann mit seinen Lesern alles machen – außer sie langweilen!

Social Media: Nicht nur für den Tourismus gut

Hamburg und Oberstaufen sind Beispiele, die insbesondere im Bereich Touristik ihre Social Media-Karten perfekt ausspielen. Aber es sind viele weitere Ansatzpunkte für Kommunen im Social Web denkbar.

Wenn Social Media den schnellen und direkten Dialog ermöglichen, warum diese Medien dann nicht dafür nutzen, die Fragen von Bürgern zu beantworten? Gerade häufig gestellte Fragen kann man wieder und wieder am Telefon beantworten – oder einmal in einem sozialen Netzwerk, wo gleich die gesamte Community die Antwort zu lesen bekommt, wodurch sich möglicherweise viele Anrufe erübrigen – ein echter Mehrwert für den Bürger und eine Entlastung der kommunalen Mitarbeiter. Ohnehin sollte sich manche Kommune fragen, warum sie heute noch einem Fax-Gerät, das kommunikationstechnisch betrachtet aus der Steinzeit stammt, den Vorzug vor digitalen und sozialen Medien gibt, obwohl man doch wie bereits erwähnt mit Letzteren einen erheblichen Teil seiner Bürger erreichen könnte.

Social Media und E-Government?

Behördengang im Wohnzimmer – der neue Personalausweis macht’s möglich

Spätestens hier kommen wir bei einer spannenden Frage an: Hat Social Media eigentlich etwas mit dem Thema E-Government zu tun? Bislang wurden die Themen, soweit ich das beobachtet habe, immer getrennt diskutiert (aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren!). Natürlich ist für zahlreiche E-Government-Themen und -Prozesse eine andere Infrastruktur nötig als die sozialen Medien sie bieten können (und wollen). Virtuelle Behördengänge werden natürlich nie auf einer Plattform wie Facebook abgewickelt werden; unvorstellbar, dass sensible Daten hier ausgetauscht und auf Servern in den USA zwischengelagert werden – unter bekanntlich fragwürdigen Datenschutz-Umständen und bei unsicherer Verfügbarkeit.

Doch E-Government umfasst ja nicht nur solche Transaktions-Themen, bei denen es um die Abwicklung von Prozessen und den Austausch sensibler Informationen geht, sondern auch generell die digitale Kommunikation zwischen Behörden und Bürgern. Und spätestens wenn wir von nicht-vertraulichen Informationen, also öffentlicher Kommunikation im Sinne der oben geschilderten Marketing- und Service-Beispiele reden, können, nein: müssen die sozialen Medien meiner Meinung nach ihren Beitrag zu E-Governement leisten. Ich bin gespannt, ob hierzu in naher Zukunft Beiträge geben wird (und wie gesagt: falls es sie schon gibt und ich sie übersehen habe, bin ich für Hinweise dankbar!).

Noch mehr Infos zum Thema

Wer sich intensiver mit dem Thema Kommunen und Social Media beschäftigen möchte, dem sei folgender Artikel empfohlen, den ich zusammen mit meinem Kollegen Tobias Wagner, Leiter Consulting im Geschäftsfeld Public Sector bei DATEV, für die Online-Plattform Publicus geschrieben habe und in dem einige der hier angerissenen Gedanken vertieft werden: Facebook & Co für Kommunen? Wie die öffentliche Verwaltung soziale Netzwerke sinnvoll nutzen kann (PDF).

Ebenfalls lesenswert: zahlreiche Artikel zum Thema Bürgerbeteiligung 2.0 im Heft 4 der Zeitschrift Forum Wohnen und Stadtentwicklung.

Bildnachweis: Gerd Altmann / pixelio.de; SAS Deutschland; hamburg.de; Oberstaufen Tourismus

5 Gedanken zu “Dorf und Stadt 2.0 – Social Media in Kommunen

  1. Und dann kommen noch die Gemeinden (Politiker) hinzu, die sich nicht einmal die guten Seiten von Facebook & Co anhören möchten. Erlebe es gerade selbst in unserer Gemeinde. „Facebook — uuuhh — Hölle — Teufelszeug. Bloß weg damit. Wir schreiben Pressemitteilungen an die örtlichen Medien. Das haben wir immer schon so gemacht.“
    Ja, die ältere Generation liest dann auch die örtliche Zeitung und läßt sich entsprechend manipulieren. Bei den Jüngeren sieht es anders aus. Sie vermissen Informationen aus der Gemeinde, über die sie dann auch diskutieren möchten. In unserer Gemeinde habe ich schon oft versucht, die Überzeugungen zu überdenken. Bisher ohne sichtlichen Erfolg. Wird wahrscheinlich erst etwas, wenn die jetzige Politkergeneration den Stab an die nachfolgende Generation übergeben wird / muss. Bin auf die Entwicklung sehr gespannt. Wahrscheinlich heißt es dann: „Ja hätten wir das doch schon früher gemacht.“

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  2. Sehr interessante Gedanken und Aussagen – sehr lesenswert! Für uns auch wichtig, wie die Aussenwahrnehmung der Social Media Aktivitäten der Stadt Erlangen eingeschätzt werden. Vielleicht sollte aber auch mal darüber nachgedacht werden, dass gerade in fb Problemfelder mit der Namensgebung bestehen – was evtl. auch zu den wenigen „Fans“ führt. Und bitte: Wir verstecken uns doch nicht – auf http://www.erlangen.de/socialmedia gibts die Übersicht wer und wo man tätig ist. Sehr gerne würden wir in den Dialog treten, um als Stadt noch mehr die Nutzer zu erreichen. Einfach mal melden :-) webredaktion@stadt.erlangen.de

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    • Die Seite muss man halt kennen, sonst findet man sie nicht ;-) Aber jetzt habt ihr die Angebote ja auch auf der Startseite verlinkt – sehr gut! Und das Gesprächsangebot nehme ich gerne an – ich melde mich …

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