Mit Helmut Schmidt durchs Jahr: Terrorismus

In den letzten Tagen habe ich wieder viel über und manches von Helmut Schmidt gelesen. Und dachte mir: Es lohnt. Erstaunlich, wie relevant vieles noch ist, was er zum Teil vor Jahrzehnten gesagt und geschrieben hat. Mal sehen, vielleicht zitiere ich den Altkanzler in den nächsten Monaten regelmäßig hier im Blog, wenn es mir passend erscheint …

Heute jedenfalls erscheint sehr passend, was er in einer Regierungserklärung am 20. Oktober 1977 im Deutschen Bundestag gesagt hat:

Die ganze Welt erfährt in diesen Jahren in vielen Ländern das Wiederaufleben zerstörerischer Gewalt, von der doch die Menschheit glaubte, dass sie durch geschichtliche Erfahrung und durch menschliche Moral überwunden sei. Es gibt kein politisches Prinzip, mit welchem der Rückfall von der Menschlichkeit in die Barbarei sittlich gerechtfertigt werden könnte. (…)

Indem die demokratische Verfassung von der Würde des Menschen ausgeht und nicht nur dem Staat, sondern auch dem Einzelnen verbietet, mit der Existenz und der Würde des Menschen nach Belieben und Willkür zu verfahren, schreibt sie uns allen die Grenzen unseres Handelns vor. Diese Verpflichtung dem Ganzen gegenüber umfasst auch, den Schwachen zu helfen, Minderheiten nicht auszuschließen und gegenüber Andersdenkenden Respekt zu bewahren!

Der Kontext dieser Rede dürfte bekannt sein: Deutschland litt unter dem RAF-Terrorismus, Schmidt weigerte sich, inhaftierte RAF-Mitglieder gegen den entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer auszutauschen, wenig später ließ er die entführte Lufthansa-Maschine „Landshut“ in Mogadischu von der GSG9 stürmen. Diese kompromisslose Haltung zog die Ermordung Schleyers am 18. Oktober 1977 nach sich – zwei Tage später hielt Schmidt diese Rede im Bundestag.

Das öffentliche Wohl ist das höchste Gesetz

Jahrzehnte später erhielt Helmut Schmidt den Preis der Hanns Martin Schleyer-Stiftung, was ihn sehr rührte. In seiner Rede anlässlich der Verleihung ging er erneut aufs Thema Terrorismus ein:

Heute sind Menschen auf allen Kontinenten von links-extremen und rechts-extremen Terroristen bedroht. Aber heute wie damals können die Regierenden und die Gesetzgebenden ihr Handeln und dessen Folgen nur dann im eigenen Gewissen verantworten, wenn sie zuvor ihre Vernunft auf das Äußerste angestrengt haben. Gegenüber den Terroristen finden wir uns alle in der gleichen Lage: Überall ist Vernunft geboten, überall ist Gehorsam gegenüber dem Völkerrecht geboten, überall ist internationale Zusammenarbeit notwendig. (…)

Schlagworte wie „Staatsräson“ und „Deutscher Herbst“ sind dabei wenig hilfreich. Entscheidend ist der 2000 Jahre alte Grundsatz salus publica suprema lex. Auch dann, wenn immer noch und immer wieder die terroristischen Mörder im Vordergrund des öffentlichen Interesses stehen, so bleibt es gleichwohl unsere gemeinsame Verantwortung, dass die Opfer mit ihren Anverwandten unsere Sympathie, unser Mitgefühl und unsere Fürsorge erhalten.

Zum Nachlesen:

Mehr lesen? Bitteschön: Mit Helmut Schmidt durchs Jahr

Bildnachweis: Bundesarchiv, B 145 Bild-F048808-0033 / Wienke, Ulrich / CC-BY-SA 3.0

2 Gedanken zu “Mit Helmut Schmidt durchs Jahr: Terrorismus

  1. Helmut Schmidt war für mich immer ein Politiker, der seine Überzeugungen und humanistischen Werte auch gelebt hat – eine Eigenschaft, die man heutzutage, insbesondere in der Politik, leider oft vergebens sucht. Sein wacher Intellekt, der ihm bis ins hohe Alter vergönnt war, hat mich immer sehr beeindruckt – ich werde seine klugen und oftmals scharfzüngigen Kommentare vermissen.

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  2. Dürfen wir (ich frage erst jetzt, da ich gerade diese Serie entdeckt und zu lesen begonnen habe) auf eine kritische Würdigung Helmut Schmidts und der durch den RAF-Terrorismus stark veränderten deutschen Gesetzgebung hoffen?
    Nur ein Beispiel: Viele der damals erlassenen Gesetze und Verordnungen (z.B. mehrere Angeklagte dürfen sich in einem Strafprozess die Anwälte nicht teilen) sind bis heute gültig.

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