Zehntausend Prozent

Endlich Frühling! Der März brachte Sonne, einen KI-Boom, Erkenntnisse zur Veränderungsbereitschaft der Deutschen, einen supertollen Kinofilm und allerhand Genuss …

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Es war der 24. März 2016. in Brüssel fahndete die Polizei nach den Attentätern, die einen Anschlag auf den Flughafen verübt hatten. Bundespräsident Gauck beendete seine China-Reise. Die niederländische Fußball-Legende Johan Cruyff starb im Alter von 68 Jahren. Und ich hatte die nicht ganz schlechte Idee, mir einige Nvidia-Aktien zum Preis von 7,57 € ins Depot zu legen (umgerechnet; es gab zwischendurch Aktiensplits, daher war der Preis damals ein anderer).

Depot? Ja, Depot. Zwar hörte ich 1986 Norbert Blüms Botschaft, die Rente sei sicher, allein mir fehlte der Glaube. (Ok, um der Wahrheit die Ehre zu geben: 1986 war ich 14 Jahre alt und Norbert Blüm und die Rente waren mir völlig wurscht; aber jahrelang wurde Blüm mit dieser Botschaft zitiert, und irgendwann später habe ich’s gehört und dann fehlte mir der Glaube.) Das ging aber vielen so in meiner Generation. Eigentlich wurde mir schon mit der Muttermilch eingebleut, dass es nur einen Weg gibt, um im Alter nicht zu verarmen: die private Altersvorsorge. Also habe ich, seit ich Student war und mir etwas dazuverdiente, immer etwas gespart und investiert, anfangs wenig, später mehr. Das Geld floss in Rentenfonds, fondsgebundene Lebensversicherungen, die Riester-Rente und andere Anlageformen, von denen ich heute aus Kostengründen die Finger lassen würde. Aber damals gab es halt noch keinen ETF-Sparplan auf den MSCI World, mit dem meine Kinder heute bei minimalen Kosten Geld anlegen.

Von Anfang an habe ich auch in Aktien investiert, weil es mir Spaß gemacht hat und weil klar war, dass langfristig keine Anlageform besser und rentabler ist. Zum Glück gab es damals noch keine Bitcoin-Influencer und Krypto-Bro’s, die mich dazu hätten verleiten können, mein Geld zum Fenster rauszuwerfen. Aber auch ohne die weiß ich, was Verluste sind: Ich habe Anfang der 2000er Jahre die Dotcom Blase durchlitten. 

Nvidia Aktienkurs seit 2015

Das hat mich aber nicht abgeschreckt, und da auch ein blindes Huhn mal ein Korn findet, kaufte ich also im März 2016 Nvidia-Aktien. Nvidia tat damals noch das, wofür jeder die Firma kannte: sehr gute Grafikkarten produzieren. Heute rechnen KI-Anwendungen mit Nvidia-Chips, was der Firma ein grandioses Wachstum beschert hat. Der Aktienkurs lag Anfang März bei über 800 Euro, was eine Steigerung seit Kauf um mehr als 10.000 Prozent bedeutet. Meine Investition hat sich also verhundertfacht. Das ist schön. Davon profitieren der Staat (25 Prozent Abgeltungssteuer), meine Kinder (deren Studium und Ausbildung zu finanzieren ist) und ich, weil meine Rente, ganz im Sinne Norbert Blüms, dadurch ein wenig sicherer ist.

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Gelernt

Alles, was man über die Veränderungsbereitschaft des Menschen wissen muss, kann man am Beispiel des Sicherheitsgurts im Auto lernen. Denn was uns heute nicht nur selbstverständlich vorkommt, sondern auch als schwer wegzudiskutierende, eindeutig segensreiche Erfindung gilt, war lange umstritten. Sehr lange, wie man im einer schönen SZ-Retrospektive (€) nachlesen kann:

Bis es auch beim Letzten „klick“ machte, dauerte es allerdings Jahrzehnte. Gurtmuffel und Wutbürger wehrten sich vor fünfzig Jahren vehement gegen die „Fesseln im Auto“. Die Gurtpflicht schien an den Freiheitsrechten der bewegten Menschen zu rütteln. Erst 1984 endete die Kontroverse mit einem simplen Trick. 

Die Diskussionen reichten von Gaga (man war zum Beispiel der Meinung, dass man sich zumindest bei leichten Unfällen mit der bloßen Hand abstützen könne) bis zu den ganz großen Fragen, die etwa der Spiegel 1975 stellte: „Soll und darf der liberale Staat die Auto-Bürger zum Überleben zwingen?“

Er darf, stellte das Bundesverfassungsgericht 1986 fest. Und der „Trick“ war einfach ein Bußgeld in Höhe von 40 Mark für Gurt-Verweigerer, das vor genau 40 Jahren eingeführt wurde. Danach war Schluss mit Diskussionen.

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Gesendet

Ich habe hier ja neulich ausführlich geschrieben, warum ich für die noch zu bauende Straßenbahn in meiner Heimatstadt Erlangen bin. Die Stadt-Umland-Bahn (StUB) ist ein krasses Zukunftsprojekt und hat es daher schwer, weil der Bürger lieber seine Ruhe haben will als von krassen Zukunftsprojekten gestört zu werden. Aber es gibt einfach sehr viel, das für diese Straßenbahn spricht, und ein Argument habe ich für die Initiative ProStUB in die Kamera gesprochen. Bond hat mich geduldig dabei unterstützt. Und nein, ihr Lästermäuler, nicht in 10 Minuten vom Münchener Hauptbahnhof zum Flughafen, sondern in 3 Minuten aus dem Erlanger Westen zum Bahnhof. Das ist was ganz anderes ;-) Könnt ihr auf Instagram oder auf YouTube anschauen.

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Gesehen

Dune Teil 2 im Kino. Das ist wahrlich großes Kino. Wie schon im ersten Teil vergehen die 2,5 Stunden wie im Flug, während man der Wüste beim Glitzern, den Sandwürmern beim Gleiten und Paul Atreides bei seiner Rebellion gegen den Imperator zusieht. Selten gab es so fantastisch faschistoide Bösewichte wie die Oberhäupter der degenerierten Familie Harkonnen. Und selten wurde man durch die Kombination aus Bildern, Sound, Figuren und Geschichte derart an den Kinosessel gefesselt. Übrigens ist das nicht nur ein betörend schöner, sondern auch ein immens politischer Film, denn es geht um Macht und Manipulation in diesem sandigen Weltraum-Epos. 

Mr & Mrs Smith auf Amazon Prime. Wer den Film mit Brad Pitt und Angelina Jolie aus dem Jahr 2005 einigermaßen furchtbar fand, kann getrost diese Serie anschauen. Denn hier wird wenig geballert und viel geredet. John und Jane reden und reden und arbeiten sich aneinander ab und lieben sich und entfremden sich und, ja, zwischendurch wird auch geschossen und gemordet, schließlich sind sie Agenten. Die Serie wird getragen durch die Hauptfiguren bzw. ihre Darsteller, bei denen ausnahmsweise mal wirklich die ausgeleierte Phrase gilt, dass „die Chemie zwischen ihnen stimmt“.

Peripherie auf Amazon Prime. Eine ziemlich gute, coole, clevere Science Fiction-Serie, bei der auch die Macher von Westworld ihre Finger im Spiel hatten, was man, finde ich, merkt. Die Handlung schwankt zwischen naher und ferner Zukunft und ist ein bisschen zu kompliziert, um sie hier wiederzugeben. Aber mir hat fast alles daran gefallen: die Optik, die Figuren, die Action.

Somebody Feed Phil, Staffel 7, auf Netflix. Das ist die ultimative Wohlfühl-Serie. Phil Rosenthal reist und futtert sich durch die Welt. Dabei schaut man ihm zu. Das Essen ist fast immer wunderbar (Essen inszenieren, das kann Netflix) und Phil ist ein reizender Mensch, der andere Menschen mag. Genuss und gute Laune, das Gegenteil dessen, was wir täglich in den Nachrichten geboten bekommen.

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Gelitten

20 Tage in Mariupol in der ARD Mediathek. Ich kann diese Dokumentation nicht einfach den obigen Filmen und Serien beimischen, dafür ist sie zu krass. Ein Filmteam begab sich kurz vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine nach Mariupol, weil man davon ausging, dass dort der Krieg aus nächster Nähe zu sehen und zu dokumentieren ist. Diese Annahme war richtig. 20 Tage später konnte man die Stadt mühsam verlassen. Dazwischen lag die Hölle des Krieges, den die Russen damals wie heute vor allem auch gegen die Zivilbevölkerung führen. Ein furchtbarer, herzzerreißender Film, den man ansehen muss, um nicht zu vergessen, warum unsere Solidarität mit der Ukraine und unser Bemühen, viel wehrhafter zu werden, nicht nachlassen darf.

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Gekocht und gebacken

Kichererbsen-Salat. Ich mag Kichererbsen, schon wegen des rührenden Namens. Hier werden sie sehr simpel zum sehr guten Salat verarbeitet, indem ihr eine große Dose davon (abgetropft) mit gewürfelter Gurke und Paprika mischt. Das Dressing besteht aus 1 Knoblauchzehe, 20 Gramm Petersilie, 10 Gramm Minze, 200 Gramm Jogurt, 25 Gramm Honig, 20 Gramm Olivenöl, 20 Gramm Zitronensaft, Salz und Pfeffer. Schön schreddern und mixen und rauf auf den Salat. Dann noch eine Handvoll Granatapfelkerne und ein bisschen Frühlingszwiebeln in Ringen darüberstreuen sowie zwei Teelöffel Sumach, ein Gewürz, das wir aber im Standard-Supermarkt nicht auftreiben konnten. Was der Sumach mit dem Salat macht, kann ich euch also nicht sagen, aber der Rest kickt schön: Die Minze und Granatapfelkerne geben dem Salat eine Frische, die ihn definitiv frühlings- und sommertauglich macht. Hier das Rezept (€).

Kartoffel-Käse-Hörnchen. Wir essen keine Salami, hatten aber aus Gründen, die hier nichts zur Sache tun, Salami im Kühlschrank. Also brauchte ich ein Salami-Verwertungs-Rezept, stieß auf dieses und befand es für gut. Für den Teig: 40 Gramm geriebene Mandeln, 35 Gramm weiche Butter, 180 Gramm Mehl, ½ Päckchen Backpulver, 125 Gramm gekochte, abgekühlte Kartoffeln, 1 Ei, ½ TL Salz, 1 Prise Pfeffer. Rühren, kneten, fertig. Für die Füllung: 125 Gramm geriebenen Emmentaler, 100 Gramm Salami in kleinen Stücken, 1 Ei. Den Teig rollt ihr auf einer bemehlten Arbeitsfläche kreisrund aus (38 Zentimeter Durchmesser), gebt die Füllung drauf, teilt das Ding in 12 „Tortenstücke“ und rollt die von außen nach innen auf. Nach 20 Minuten im auf 200 Grad vorgeheizten Backofen, könnt ihr es euch schmecken lassen. Hier das Rezept (€).

Pulled Pork Burger. Ein knappes Kilo Schweinenacken, liebevoll sechs Stunden bei 98 Grad in einer deftigen Sauce oder Brühe gegart, dann zerrupft und auf dem selbst gebackenen Bun serviert. Ein Traum. Hier das Rezept für Burger und Bun (beides €).


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4 Gedanken zu “Zehntausend Prozent

  1. Danke für die interessanten Filmtipps, Peripherie werde ich mir ansehen, denn Westworld hat mir gefallen (allein vom Intro haben sich offenbar viele andere Intro-Kreative inspirieren lassen, ebenso wie vom Intro von Dexter). Dune 2 könnte glatt ein Grund sein, wieder mal ins Kino zu gehen (ist lange her, Netflix etc. reichen mir meist).

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  2. Mein Vater war vor vielen, vielen Jahren unter den ersten, die sich in meiner ländlichen Heimat Sicherheitsgurte installieren ließen. Damals wurde er von so manchen Einheimischen spöttisch als Feigling beschimpft. Ein „echter Mann“ hätte so ein Teil nicht nötig, nur eine Memme würde beim Autofahren einen Gurt anlegen…

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