Zitat am Freitag: Wein und Wissenschaft

Wir erleben ja zurzeit eine Renaissance des Handwerks. Craft Biere, Winzerweine … Das sind herrliche Produkte jenseits der industrialisierten Massenproduktion. Man darf nur nicht den Fehler machen, das allzu romantisch zu verklären, denn hinter guter Qualität steckt letztlich: Wissenschaft …

Und so ist das Bild vom „kleinen“ Winzer, der im Weinberg (Untergehende Sonne, Weichzeichner!) die Blätter fühlt und in den Boden lauscht, der in seinem Keller mit viel Liebe und Gespür einen guten Wein komponiert, nein: zaubert, ziemlicher Quatsch.

Was Wein in den letzten Jahrzehnten (und erst recht Jahrhunderten) wirklich auf eine neue Qualitätsstufe gehoben hat, ist Forschung und Erkenntnis. Darum drehen sich auch unsere heutigen Zitate aus dem Wissenschaftsteil der Süddeutschen Zeitung:

Es klingt ketzerisch. Doch es ist heute sehr leicht, guten Wein zu kleinen Preisen zu kaufen. Wie kann das sein, das widerspricht doch allem Getue und Gehabe, das rund um Wein veranstaltet wird? Das kann sein, weil die Wissenschaft so enorme Fortschritte erzielt hat, und Winzer dieses Wissen anwenden.

Das beginnt bei heute banal klingenden Hygiene-Maßnahmen, die gleichwohl einen gewaltigen Qualitäts-Schub für die Produktion von Wein bedeuteten:

„Die Hygiene ist in den vergangenen Jahrzehnten enorm verbessert worden“, sagt Monika Christmann, Leiterin des Instituts für Önologie in Geisenheim. Unerwünschte Mikroorganismen fühlten sich früher im Holz der Fässer wohl, in denen alle Weine vergoren wurden. Besonders die Einführung hochwertiger Edelstahltanks trug dazu bei, dass weniger Fehlaromen durch eingeschleppte Mikroorganismen den Wein verhunzten.

Auch im Weinberg bleibt kaum etwas dem Zufall überlassen. Hier geht es weniger um Sonnenuntergangsromantik als um Biochemie. Ein Beispiel:

Die weiße Rebsorte Sauvignon blanc reagiert zum Beispiel besonders gut auf Eingriffe im Weinberg. Nehmen die Winzer während der Reifung Blätter am Rebstock ab, sodass die Trauben viel Sonne abbekommen, bilden sich Carotinoide in den Früchten. „Diese dienen den Pflanzen als Sonnenschutz“, sagt der Önologe Ramón Mira de Orduña Heidinger von der Hochschule für Weinbau Changins im schweizerischen Nyon. Bei der Gärung bauen sich die Carotinoide unter anderem zu Thiolen ab, das sind aromarelevante Stoffe, die dem Wein frische, fruchtige Noten geben, die an exotische Früchte erinnern. In Neuseeland setzen Winzer darauf, dem Sauvignon blanc diesen Charakter zu verleihen, dafür sind ihre Weine bekannt. In Frankreich, wo die Rebsorte herstammt, streben Winzer nach einem anderen Ergebnis: Sauvignon blanc soll dort eher grasig schmecken, eher an grüne Paprika erinnern. Das lässt sich erreichen, wenn nicht zu viele Blätter entfernt werden und die Trauben beschattet reifen.

Die evidenzbasierte Vorgehensweise setzt sich im Keller fort, wo zum Beispiel sehr gezielt mit unterschiedlichen Hefen, aber auch mit Temperatursteuerung gearbeitet wird:

Die Fruchtigkeit eines Weins lässt sich auch über die Temperatur bei der Gärung steuern: Je kühler, desto langsamer arbeitet die Hefe und produziert regelrechte Fruchtbomben. „Das ist, als würden Sie den Kopf in einer Obstschale vergraben“, sagt Spitzenwinzer Philipp Kuhn aus dem pfälzischen Laumersheim. Bei höheren Temperaturen verflüchtigen sich viele dieser Aromastoffe mit dem Kohlendioxid aus dem Tank.

Und natürlich bedienen sich nicht nur Spitzenwinzer solcher Erkenntnisse zur Verbesserung der Qualität und zur gezielten Produktion bestimmter Weine, sondern auch die großen Produzenten von „Massenweinen“, die zwar heutzutage nicht unbedingt raffiniert, aber immerhin fehlerfrei und trinkbar sind – und das ist auch ein erheblicher Fortschritt im Vergleich zu den Weinen früherer Zeiten:

„Der Konsument bekommt heute fast nur noch ordentliche Weine“, sagt Randolf Knauer, Professor für Weinbau und Önologie an der Forschungsanstalt Geisenheim. „Wenn man bei den Discountern gelistet werden will, dann muss man einwandfreie Qualität in großen Mengen abliefern, sonst fliegt man sofort aus dem Sortiment.“ Wer heute zum Beispiel einen trockenen Weißburgunder oder Sauvignon blanc für 2,49 Euro beim Discounter kauft, erhält ein fehlerfreies Produkt. Der Wein begeistert wahrscheinlich kaum jemanden, aber er enttäuscht auch nicht.

Na dann: Prost und schönes Wochenende!

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