It’s the script, stupid!

Zwei Serien laufen zurzeit bei mir, eine auf DVD, eine auf Netflix. In direktem Wettbewerb um meine Aufmerksamkeit und mein Wohlwollen zeigen sie, worauf es bei einer guten Serie wirklich ankommt: aufs Drehbuch. Und auf nichts anderes …

Das macht mir vor allem The Following schmerzhaft bewusst. Von Folge zu Folge bekomme ich schlechtere Laune. Und ärgere mich – über das Drehbuch.

Dabei ist die Idee für den Plot sehr gut. Ein Serienmörder bricht nach zehn Jahren aus dem Gefängnis aus, um ein paar Rechnungen zu begleichen, die er noch offen hat: eine Frau zu töten, die damals davon gekommen ist; und vor allem dem Cop das Leben schwer zu machen, der ihm damals das Handwerk gelegt hat. Das macht er nicht alleine, vielmehr hat er im Laufe der Jahre Anhänger um sich geschart, Follower, die ihm sektenartig ergeben sind und deren kriminelle Energie der seinen kaum nachsteht.

Konstruiert und vorhersehbar

The FollowingDas Problem: Es ist alles so wahnsinnig konstruiert und vorhersehbar. Ein Cop fängt 15 Folgen lang einen Mörder und seine verrückte Gefolgschaft. Das bedeutet natürlich, dass er ihn 14 Folgen lang nicht erwischt. Er erwischt ihn 14 Folgen lang nur fast. Damit das funktioniert, passiert immer das Gleiche: Es gibt einen Hinweis. Der Cop folgt dem Hinweis. Er kommt dem Bösen nahe. Im entscheidenden Moment ist kein anderer Cop da, der ihm helfen könnte, daher muss er alleine ins Haus / in den Wald / in den finsteren Keller / Wohin auch immer, wo er den Bösen fast erwischt, der ihm aber im letzten Moment entkommt.

Dabei gibt es regelmäßig ein paar Kollateralschäden, hier ein paar Cops, dort ein paar Follower, die auf der Strecke bleiben. Alles nur Bauernopfer, die die Spannung nicht wirklich erhöhen. Natürlich ist nie die Kavallerie zur Stelle, wenn man sie braucht, obwohl FBI, CIA, NSA, DEA, zahlreiche SWAT-Teams und die verdammte halbe Polizei der USA hinter dem Schurken her sind. Aber nein, im entscheidenden Moment verknoten die Autoren das Drehbuch so lange, bis nur noch unser Cop vor Ort ist. Und wenn doch mal zwei, drei weitere Cops zur Unterstützung dabei sind, sagt mindestens einer den magischen Satz, die Klischee-Floskel aller einfallslosen Drehbuchschreiber: „Am besten wir trennen uns, dann finden wir ihn schneller!“

Es ist das Problem vieler Serien, bei denen irgendwer irgendwen jagt: Er bekommt ihn halt frühestens in der letzten Folge und bis dahin reiht sich Beinahe-Jagdglück an Beinahe-Jagdglück und Cliffhanger an Cliffhanger … bis zur maximalen Verzweiflung und Ermüdung des Zuschauers.

Wenn die Handlung lustvoll mäandert

Better Call SaulGanz anders meine aktuelle Netflix-Serie Better Call Saul, Staffel 2. Sie ist ein Genuss, wie schon Staffel 1. Ein Geflecht von Handlungssträngen, die sich immer mal wieder kreuzen und mit Sicherheit irgendwo hin führen, man weiß nur lange nicht wohin. Man kennt nur das Ende, und das ist das Ende von Breaking Bad, dessen Vorgeschichte Better Call Saul erzählt (na, jedenfalls Teile davon). Man weiß, was mit Anwalt Saul Goodman passieren wird, aber davon ist er zu Beginn von Better Call Saul so meilenweit entfernt, dass es eine Freude ist, zuzusehen, wie die Handlung lustvoll voran mäandert und die Figuren in Richtung Breaking Bad entwickelt.

Dabei wird auf Effekte und Spannungsmomente, auf die The Following jede Folge so mühsam hinkonstruiert und die durch die Dauerwiederholung immer schneller verpuffen, komplett verzichtet. Die Quelle des Vergnügens bei Better Call Saul sind Drehbuchautoren, die komplexe Charaktere auf eine unvorhersehbare Reise durchs Leben schicken.

Kurzum: It’s the script, stupid!

Oder? Gegenmeinungen? Weitere Beispiele?

Bildnachweis: amc, Warner Bros.

8 Gedanken zu “It’s the script, stupid!

  1. Better call Saul finde ich ehrlich gesagt nicht fesselnd. Die zweite Staffel haben wir angefangen, aber erinnerte mich mehr an eine Anwaltsserie, bei der man die ganze Zeit auf den Plot wartet.

    Ich bin derzeit ein großer Fan von The Americans. Und auch Bosch auf Amazon gefällt mir die zweite Staffel.

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  2. I ♡ better call Saul! Mit the following ging es mir genauso wie Dir, ich habe die erste Staffel dann zuende gebracht und nicht mehr weitergeguckt. Americans finde ich groß.
    Wenn Du netflix hast, schau unbedingt, ganz unbedingt sogar (!) „River“. Und Peaky Blinders ist gut und Ray Donovan gehört in den Serienolymp.

    Hallo, mein Name ist Astrid und ich bin seriensüchtig.

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    • Gute Tipps vielen Dank! Ich revanchiere mich mit Empfehlungen für Fargo und Bloodline. Darüber schreibe ich demnächst auch mal was … Und auf Amazon The Affair, Mozart in the Jungle und zurzeit The Night Manager :-)

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      • Nightmanager fertig, Fargo schon lange und Bloodine hat mich fast zu Tode gelangweilt :)
        Und ich bin natürlich auch Fan von Scandal und A good wife! :)
        Desweiteren befinde ich mich seit Jahren in einer West Wing-Dauerschleife…
        Heute Abend habe ich Tyrant Season I fertiggeschaut, das ist aber dann doch ein bisschen wie eine Mischung aus Groschenroman und aljazeera-Programm.

        Und kennst Du Veep? Sooooo witzig!

        Wenn Du magst, schau mal bei fb nach meiner Gruppe „Taxi, folgen Sie dem Affen!“, Wer das Zitat zuordnen kann, erhält Aufnahme :)

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  3. Storytelling ist verdammt wichtig. Bestes Beispiel (aus dem Marketing) ist ja auch der Edeka-Weihnachtsspot mit dem alten Opa. Er hat zu einer epischen Debatte über z.T. Wochen geführt, dabei war es „nur“ ein Werbespot für eine Lebensmittelkette.

    Genauso gefallen mir gut erzählte Geschichten; als bspw. Game of Thrones noch ohne Rückblenden auskam und einfach Geschichten erzählt hat. Genau das fesselt uns doch, oder?

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