Zitat am Freitag: Die Raucher-Republik und das bayerische Paradies

Seit zehn Jahren gibt es einen brauchbaren Nichtraucherschutz in Deutschland. Zumindest in der Theorie …

Es ist für mich eine der größten Erfolgsstorys der letzten Jahre. Kaum ein anderes Gesetz hat mein persönliches Wohlbefinden derart gesteigert. Ja, das ist egoistisch und geht zu Lasten des Wohlbefindens von Rauchern. Ist mir aber egal.

Faszinierend am Thema Nichtraucherschutz finde ich, wie wahnsinnig schnell man sich an die komplett veränderten Bedingungen gewöhnt hat. 15 Jahre sind ja nun keine lange Zeit, aber damals war Deutschland in Qualm gehüllt. In der Kantine meines Arbeitgebers wurde geraucht. In jedem Restaurant wurde geraucht. Das Thema Essen gehen war untrennbar mit Tabak, Nikotin und Gestank verbunden. Damals hatten wir ein kleines Kind und ein Baby, und Restaurants oder Kneipen waren für uns karzinogene No go Areas.

Ganz anders heute: Normale Luft in den Räumen, das Essen schmeckt nach Essen und die Kleidung muss hinterher nicht drei Tage lang gelüftet werden. Die Raucher müssen oder dürfen draußen rauchen, das große Gastronomiesterben ist ausgeblieben, alles ist gut.

Dachte ich zumindest.

Aber ich lebe im Nichtraucher-Paradies Bayern. Bayern hat neben NRW und dem Saarland das strengste Nichtraucher-Schutzgesetz, und streng heißt dabei ganz einfach: Es gibt keine Ausnahmen. In der Süddeutschen Zeitung durfte ich nun lernen, dass weniger Klarheit vor allem Durcheinander bedeutet:

In allen anderen Bundesländern gibt es jede Menge Ausnahmen – wenn die Kneipe kleiner als 75 Quadratmeter groß ist, in Festzelten, in kleinen Gaststätten, die keine „aufwendigen“ Speisen zubereiten, in abgetrennten Nebenräumen von Bars und Diskotheken. In der Praxis führt das zu zahlreichen Konflikten und Verstößen.

Und je weniger klar eine Regelung ist, desto weniger hält man sich daran, logisch:

Pro Rauchfrei hat in mehreren Städten dokumentiert, dass vor allem jene Gesetze, die viele Ausnahmen zulassen, in der Praxis kaum eingehalten werden. Im niedersächsischen Braunschweig fanden die Prüfer bei 53 besuchten Kneipen keine einzige ohne Verstöße. In Karlsruhe notierten sie in drei Vierteln aller Lokale Verstöße gegen das Landesgesetz.

Und das hat natürlich Auswirkungen:

Da ist es kein Wunder, dass Deutschland bei der Tabakprävention derzeit den vorletzten Platz innerhalb Europas einnimmt, nur Österreich schneidet noch schlechter ab. Im Vergleich zu anderen Industrieländern ist die Zahl der Raucher in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Deutschland kaum gesunken. 110 000 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr an den Folgen des Rauchens, 300 pro Tag.

PS: 80 Prozent der Bevölkerung, so eine GfK-Umfrage, haben keine Lust auf Durcheinander und wünschen sich das Bayerische Modell mit einem strengen Nichtraucherschutz in der Gastronomie.

Schönes Wochenende!

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3 Gedanken zu “Zitat am Freitag: Die Raucher-Republik und das bayerische Paradies

  1. Ich kann mich noch „gut“ erinnern.
    Kurz nach dem Rauchverbot in der Bahn habe ich einen Nichtraucherplatz im IC reserviert (das waren diese Großraumwagen mit einer Glasscheibe drin, die den Raucher-und Nichtraucherbereich „abtrennten“.)
    Mein Platz war ein ehemaliger Raucherplatz (örks).

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  2. wir in österreich haben nun seit 9 jahren das durcheinander. noch immer schaffen wirs nicht, die klare lösung durchzusetzen. viele freundschaften sind dran zerbrochen und viele nutzlose investitionen wurden seitens ahnungs- und hilfloser wirte getätigt

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