Die Visitenkarten der AfD-Politiker

Eine Weile habe ich überlegt, ob wir uns hier zusammen das AfD-Parteiprogramm anschauen sollen. Aber dann fiel mir auf, dass es viel kompaktere und direktere Statements aus erste Hand gibt: Das, was AfD-Politiker in ihr Twitter/X-Profil schreiben. Und das ist wirklich … interessant …

Denn in diesem Profil kann man nicht nur einen Namen, ein Foto, einen Standort und ähnliches hinterlegen, sondern auch einen Kurztext. Das entsprechende auszufüllende Feld heißt eigentlich „Biografie“, aber reinschreiben kann man, was man will. Bei mir steht dort zum Beispiel Folgendes (ich habe euch das mal diskret farblich hervorgehoben):

Die meisten Politiker schreiben etwas phantasielos ihre aktuelle Funktion hierhin, zum Beispiel der Parteichef der AfD:

Aber es gibt auch andere Beispiele. Politiker, die hier Statements abgeben. Und zwar so richtig schön auf den Punkt gebracht, man muss sich ja kurz fassen. Schauen wir uns diese kleinen Web-Visitenkarten einiger AfD-Politiker mal an …

Ok, Michael Laurisch, Vorstandsmitglied der AfD Frankfurt (Oder), mag es volksnah und geht gerne auf Tuchfühlung. Wo genau er „mit uns“ steht, weiß ich nicht, aber möglicherweise im Gefängnis oder auf einer Baumwoll-Plantage im Hinterland Brandenburgs, denn wo sonst könnten die deutschen Sklaven ihre Ketten sprengen müssen, um sich von ihren Unterdrückern zu befreien? Gewiss ♥️♥️♥️

Bei Reimond mit „ei“ ist die Welt noch in Ordnung. Kein diverser Schnickschnack, der das Leben verkompliziert. Keine Lebenspartnerschaft zwischen Mann und Mann oder Frau und Frau, schon gar keine eingetragene. Und keine Familie ohne Kind(er). Damit befindet sich Reimond zwar nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, aber wen wundert’s. Denn das Bundesverfassungsgericht hat in zahlreichen Urteilen klargestellt, dass es verfassungsrechtlich nicht begründbar ist, „aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind“. Und auch zur Familie haben die Verfassungshüter eine andere Auffasung als Reimond: „Leben eingetragene Lebenspartner mit dem leiblichen oder angenommenen Kind eines Lebenspartners in sozial-familiärer Gemeinschaft, bilden sie mit diesem eine durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie im Sinne des Grundgesetzes.“ Und ja, das gilt sogar in Baden-Württemberg.

EliThea heißt, wenn ich das richtig sehe, eigentlich Theresa Huhmann und ist Mitglied im Landesvorstand der Jungen Alternative in NRW, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Theresa ist entweder Botanikerin oder hat ihre Nase ein bisschen zu tief in völkische Literatur der Zwanziger- und Dreißigerjahre gesteckt, damals liebte man nämlich Blut- und Boden-Metaphern. Der stolze Baum stand natürlich fürs deutsche Volk, seine Wurzeln waren die echten deutschen Gene und Tugenden, und wie man damals mit fehlgeleiteten Verästelungen umzugehen gedachte, ist bekannt. Damals wie heute betont(e) man den „Unwert alles dessen, was mit Blut und Boden, Volksgemeinschaft und Stammestum nicht wurzelhaft verwachsen ist“ (damals: der völkische Publizist Walther Linden; heute: Theresa auf Twitter/X).

Strickexpertin Irmhild strickt nicht nur gerne warme Socken, sondern auch rechte Erzählungen von einem „menschengemachten Bevölkerungswandel“, den sie gerne stoppen möchte, und zwar durch „millionenfache Remigration“, wie man einer dpa-Meldung entnehmen kann. Damit benutzt sie Vokabular der „Identitären Bewegung“, deren Vorstellungen von Forschern als „Rassismus ohne Rassen“ beschrieben und dem Rechtsextremismus zugeordnet werden. Und dass sie Europas Mutter sei ist übrigens auch gelogen, das war, wie jeder in Mythologie bewanderte weiß, Telephassa, die Frau des phönizischen Königs Agenor.

Im heiligen Familienreigen der AfD bestehend aus Vater, Mutter für Europa und Kind(ern) sind wir mit Leon wieder bei Letzteren angekommen. Nur in jugendlichem Leichtsinn kann man sich in sozialen Netzwerken „Schinkentorte“ nennen. Wobei: So eine Torte ist ähnlich schwer verdaulich wie das, was Leon auf Twitter/X von sich gibt. Immerhin sind wir uns einig, dass wir „für ein freies und souveränes Deutschland sind“, nur habe ich den leisen Verdacht, dass Leon glaubt, diesen Zustand mit seiner Partei erreichen zu müssen, während ich mir sicher bin, dass wir diesen Zustand gegen seine Partei verteidigen müssen.

Arnold postet solche Sätze wie: „Ich bin rechts! Seid mutig! Steht zu eurer Gesinnung! Steht zu euch! Steht zur Heimat und eurem Vaterland! Deshalb sagt, wer ihr seid! Ich bin politisch rechts und will mein Vaterland vor politischem Irrsinn schützen!“ Sein Hashtag „AbschiebeArnold“ ist klug gewählt, ich plädiere bei seiner Vorliebe für Alliterationen und Satzzeichen aber eher für „AbschiebeArnoldAusrufezeichen“ … Damit auch jeder versteht, was er meint.

Die Lage: Hans-Joachim mag Rätsel. Welchen Krieg führt wer? Und was ist verloren, wenn wer wobei siegt? Man weiß es nicht.

Apropos Krieg: Für den Fall, dass das deutsche Volk im Krieg gegen sich selbst gewinnt und damit verloren ist, kreuzt Benjamin D. schon mal die Klingen und ist „bereit für die Schlacht“. Der stolze Kämpfer duelliert sich derweil verbal im Bayerischen Landtag und auf Twitter/X mit allen, die ihm zu links sind – also allen außerhalb der AfD.

Ja, Verena Maria passt nicht wirklich in diese Reihe, sie ist nicht AfD-Politikerin, sondern -Wählerin. Aber ihr Profiltext steht stellvertretend für den vieler weiterer, die sich als AfD-Wähler outen. Sie alle denken selbst, während wir links-woken Schlafschafe „denen da oben“ in den Untergang folgen. Sie liebt die Demokratie, aber nur wenn nicht Linke oder Grüne demokratisch an die Macht gewählt werden. Und sie verkleidet die alte „Ausländer raus“-Parole wie viele ihrer Gesinnungsgenossen mit der eleganteren „Remigrations“-Floskel. Ach ja, und natürlich ist sie ungeimpft und stolz darauf, denn ihr Header-Bild zeigt Bücher von Dr. med. Gerd Reuther, erst Medizinkritiker, dann irgendwann scharf rechts abgebogen und heute Corona-Leugner und Verschwörungs-Erzähler.

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PS: Mehr zum Familienbild der AfD, das Reimund so schön auf den Punkt gebracht hat, in diesem kurzen ZDF-Beitrag.


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10 Gedanken zu “Die Visitenkarten der AfD-Politiker

  1. Danke für die Zusammenfassung. Man kann schon den Eindruck gewinnen, dass die « Alternative » im Parteinamen der AfD eigentlich für « alternative Intelligenz » steht.

    Das Problem ist nicht die Stärke der AfD, sondern die Schwäche der anderen. Nach meiner Wahrnehmung sind mit dem gegenwärtige Kurs der deutschen Regierung viele Wähler nicht einverstanden, um einmal einen Euphemismus zu bemühen. Statt sich den Bedenken dieser Bevölkerungsgruppe aber ernsthaft zu widmen werden lieber Brandmauern gebaut und wird alles rechts der Mitte unter mediales Dauerfeuer genommen, mit dem Effekt einer zunehmenden Polarisierung.

    Anders als bei uns gibt es in Deutschland ja kein rechtes Parteienspektrum, sonder nur die besagten Rechtsaussen mit ihren unappetitlichen Personalien wie Höcke und Chrupalla. Erst langsam stossen in die Lücke zwischen AfD und den Erben des Merkel/Scholz’schen Einerleis Populisten wie Wagenknecht oder Maassen vor, mit den freien Wählern kommen wenigsten einige auf lokaler Ebene bereits erfahrene Akteure dazu. Bei den Wahlen 2025 wirds dann spannend werden: Entweder fallen wegen der Zersplitterung einige kleinere Parteien durch die Ritzen, die altbekannten Akteure werden sich als Sieger fühlen, weiter machen wie bisher und darüber klagen, dass aus der Polarisierung eine Radikalisierung wird. Oder der Bundestag wird noch diverser, eine Regierungsbildung noch schwieriger als zuletzt, und unter den Rangeleien der Koalitionspartner geht das eigentliche Ziel einer Regierung, nämlich zum Wohl des ganzen Volkes und nicht nur dem der eigenen Parteigänger beizutragen, verloren.

    Soll die AfD nicht weiter wachsen, dann muss man ihr den Nährboden entziehen, das hat die deutsche Politik offenbar noch nicht begriffen: Die Bemühungen von Faeser/Haldenwang, den Verfassungsschutz auf strafrechtlich irrelevante Tatbestände anzusetzen, sind Angriffe auf die Meinungsfreiheit. Das neue Wahlgesetz erschwert es den Wähler weiter, durch direkt gewählte Abgeordnete direkt, ohne Umweg über die allzu mächtigen Parteien, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Und das Demokratieförderungsgesetz fördert sehr einseitig regierungsnahe Organisationen.

    Die ganzen Massnahmen gegen die AfD kommen mir vor wie der Versuch, die eigene Legitimation durch die Delegitimation des Gegners zu erreichen. Das ist zuwenig und wird m.E. nicht auf Dauer funktionieren, ob ich richtig liege werden die Landtagswahlen im Herbst zeigen.

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  2. Das sind in der Tat einige sehr gruselige Beispiele. Ich bin mir allerdings sicher, dass es am entgegengesetzten Ende des Spektrums ebenfalls sehr gruselige Visitenkarten gibt. Mich erschüttert immer wieder, dass es da weitaus weniger Sensibilität gibt als gegen rechte Ansichten. Wie müssen sich die ehemaligen DDR-Bürger angesichts der Tatsache fühlen, dass die Nachfolger der SED weiter agieren können?
    Ansonsten hat Herr Reihle alles gesagt, was mir zu diesem Thema einfallen würde. Danke für diese treffende Zusammenfassung. Die AfD hätte keine Chance, wenn die etablierten Parteien sich nicht so weit von den Bürgern entfernt hätten.

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    • Sie sprechen mir aus der Seele. Inzwischen scheint in Deutschland links mit gut und rechts mit schlecht gleichgesetzt zu sein, dem entsprechend sind auch die Toleranzschwellen recht unterschiedlich. Die Berichterstattung über und um die Demonstrationen anlässlich des Gazakonfikts sind da ein schönes Beispiel, oder man schaue sich nochmals die Bilder vom G20-Gipfel in Hamburg an, als Olaf Scholz noch nicht glorreicher Bundeskanzler, sondern noch glorreicherer Oberbürgermeister der Hansestadt war.

      „Zu einer ruhigen, dauerhaften Regierung führt nur der Verzicht auf extreme Meinungen“ – ist, glaube ich, von Stresemann.

      Leider ist der Grusel inzwischen auch in der Mitte des politischen Spektrums zu Hause. Christian Buggisch hat sich dazu im Januar Vasili Franco vorgenommen, mein persönlicher Liebling ist Philipp Amthor, beide Vertreter einer Politikergeneration, die von der Lebensrealität bürgerlicher Berufe von Schreinern bis Personalsachbearbeitern auch nicht ansatzweise eine Ahnung haben (dass ausgerechnet der AfD-Vorsitzende – he, who must not be named – da eine Ausnahme macht, ist wirklich ein schlechter Treppenwitz der Geschichte…).

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