Zitat am Freitag: Harry Rowohlt

Wieder einer von den Guten gestorben. Traurig und schade …

Aber wir würdigen ihn mit folgendem Zitat, das ihn, wie ich finde, sehr schön charakterisiert:

Wenn man Harry Rowohlt in seiner Parterrewohnung in Hamburg-Eppendorf besuchte, konnte es vorkommen, dass man zunächst vor der offenen Tür stand, ohne gleich vom Hausherrn empfangen zu werden. Dann ging man eben einfach rein in diese Bücherhöhle, in der es nach Tee und Gauloises roch, und irgendwann stand er dann vor einem: klein, seltsam zart im quer gestreiften T-Shirt, ein kluger alter Maulwurf, der gerade im Stollen eines dicken irischen oder schottischen Romans unterwegs war und jetzt aufgestört seinen Besucher durch die angetönte kleine Brille anblinzelt: „Ich hatte eine Scheißangst, dass Sie auch noch einen Fotografen mitbringen würden.“

Schreibt: Hilmar Klute in der Süddeutschen Zeitung. Seinen Nachruf könnt ihr mal lesen.

Ich hätte natürlich Harry Rowohlt auch selbst zu Wort kommen lassen können, zum Beispiel mit einigen seiner Antworten auf dem berühmten FAZ-Fragebogen 1992:

Wo möchten Sie leben? Im Erdgeschoß.
Ihre Lieblingstugend? Sagen, was man denkt. Und vorher was gedacht haben.
Ihr größter Fehler? Neue Matjes mit Zwiebeln essen und dann fragen: „Willstn Kuß?“
Was verabscheuen Sie am meisten? Erst drängeln und dann trödeln.

Den ganzen Fragebogen gibt’s hier zum Nachlesen.

 

Die grüne WolkeWas mir erst jetzt klar geworden ist, beim Lesen zahlreicher Nachrufe: Harry Rowohlt war der Held meiner Kindheit. Nein, nicht mit seiner phantastischen Übersetzung von Pu der Bär – das habe ich als Kind nie gelesen oder vorgelesen bekommen oder kann mich zumindest nicht mehr daran erinnern. Sondern mit seiner phantastischen Übersetzung von Die Grüne Wolke von A.S. Neill, jenem schrulligen Lehrer der Internatsschule Summerhill. Das Buch galt erstens als politisch unkorrekt (Rezensenten auf Amazon rügen zum Beispiel die für ein Kinderbuch „exorbitanten Gewaltdarstellungen“) und zweitens als völlig unübersetzbar. Genau das Richtige also für Harry Rowohlt. Allerdings wusste ich damals nicht, wer Harry Rowohlt war, und habe deshalb dem Namen des Übersetzers keine Beachtung geschenkt.

Ich habe dieses Buch geliebt und vermutlich zweihundert Mal gelesen. Ich fand es wahnsinnig komisch und rührend zugleich. Keine Ahnung, ob das rein jugendliche Begeisterung war oder ob man dem Buch auch heute noch etwas abgewinnen kann. Mein altes Exemplar ist längst abhanden gekommen. Aber hey, wozu gibt es Buchhandlungen? Ich freue mich auf die neue alte Lektüre nach 30 Jahren …

Schönes Wochenende!

(Alle Freitags-Zitate zum Nachlesen)

Bildnachweis: Wikipedia

Ein Gedanke zu “Zitat am Freitag: Harry Rowohlt

  1. Das ist dann eine Gelegenheit, noch mal A. S. Neill zu lesen und zugleich Harry Rowohlt. Wobei ich nur „Das Prinzip Summerhill“ kannte, von kennen zu sprechen, wäre wohl vermessen, wenn man das Buch in den siebziger Jahren gelesen hat.

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