Die schlimmsten Cover-Versionen aller Zeiten: Bohemian Rhapsody

Neulich habe ich ein wenig über Disturbed gelästert, die sich an Simon & Garfunkels Sound of Silence versucht hatten. Heute sind Pentatonix dran. Ich freue mich auf ähnlich hitzige Reaktionen …

Pentatonix, das ist eine jener A Cappella-Bands, die alles covern, was Erfolg verspricht und nicht bei Drei auf dem Baum ist. Ohne es zu wissen, würde ich eine Flasche guten Wein verwetten, dass sie über irgendeine Casting-Show in diese Welt gekommen sind. Denn konsequent castingshow-weichgespült ist alles, was die vier Bubis plus ein Mädchen so singen.

Die A Cappella-Interpretation bekannter Songs kann dabei durchaus interessant sein, weil man bekanntlich nur mit menschlichen Stimmen hinbekommen muss, wofür andere diverse Instrumente haben. Es kann aber auch grässlich schief gehen. Vor allem dann, wenn A Cappella-Bands mainstreamig erfolgreich sein wollen, weil sie dann alles ganz schlimm für die Zielgruppe der schmachtenden Teenager und romantisch gestimmten Best Ager zurechtbiegen. Ach, sind die süß, ruft die Zielgruppe begeistert, zündet ein Kerzlein an und schunkelt beglückt zur oberschnulzigen Hallelujah-Interpretation, die schon einen Eintrag in dieser Rubrik verdient gehabt hätte und die wahrscheinlich einer der Gründe war, warum Leonard Cohen sich dachte: Ach nö, Leute, macht mal schön ohne mich weiter, mir reicht’s.

Streng verboten für Castingshow-Absolventen

Während aber Leonard Cohens Hallelujah zugegebenermaßen ein gewisses Kitsch-Potenzial innewohnt, gibt es Songs, allein an die zu denken für Castingshow-Absolventen definitiv verboten sein müsste. Dazu gehört Bohemian Rhapsody von Queen, einer der großartigsten Songs aller Zeiten von einer der großartigsten Bands aller Zeiten.

Gerade hat sich ja Jan Böhmermann zu Recht über all die gnadenlos auf kommerziellen Erfolg hin getrimmten deutschen Popsongs lustig gemacht, die emotionale Tiefe vorgaukeln, aber letztlich nur billige Schlager aus dem „Wie schreibe ich einen Hit für den Massengeschmack“-Baukasten erfolgsgeiler Produzenten sind, denen Kunst und Musik komplett scheißegal sind. Suchte man nach einem Gegenentwurf zu diesem Mainstream-Mist, würde man irgendwann zwangsläufig bei Bohemian Rhapsody landen.

Bei diesem Song hat sich Queen wirklich größte Mühe gegeben, um einen Kassenflop zu produzieren und ihr Label EMI richtig nervös zu machen. Allein eine Rhapsodie zu schreiben, eine freie Musikform, die man vielleicht von Brahms, Liszt oder Gershwin kennt, aber nicht aus dem Rock- und Pop-Genre. Dann eine Opern-Partitur als Teil des Songs. Ein völlig rätselhafter Text. Eine irrsinnig aufwändige und teure Produktion, bei der allein das Einsingen und Abmischen des Wortes „Galileo“ auf zahllosen Tonspuren drei Wochen gedauert hat.

Durch den Mainstream-Fleischwolf gedreht

Unter heutigen Produktionsbedingungen wäre der Song mit Sicherheit nie erschienen. Damals, 1975, gab es Radiosender und DJs, die an solchen abgefahrenen Stücken einen Narren gefressen hatten und sie so lange auf und ab spielten, bis die Massen sich zu begeistern anfingen (oder auch nicht). Dass Bohemian Rhapsody zum ersten Nummer 1-Hit von Queen werden würde, war jedenfalls damals nicht absehbar. Es dürfte einer der erfolgreichsten Anti-Mainstream-Songs der Musikgeschichte sein.

Und der wurde jetzt von Pentatonix einmal durch den Mainstream-Fleischwolf gedreht, ordentlich auf Massengeschmack gestutzt und mit einem beängstigenden Musikvideo vermarktet. Da sitzen tatsächlich fünf aus dem Werbekatalog für Diversity entstiegene Menschen auf einem Sofa und schunkeln (!) zu den ersten Takten von Bohemian Rhapsody. Aus dem Original wird eine süßliche Popschnulze, während das Sofa aus unerfindlichen Gründen eine Straße entlangfährt. Aber es kommt noch schlimmer. Nebel beginnt zu wabern und einer der Bubis versucht mit Hilfe eines Megaphons Brian Mays Gitarrensolo nachzuahmen. Oh. Mein. Gott. Die rockigen Passagen sind peinlich, das Ende ist wieder klebrig süß.

Funktioniert natürlich. 6 Millionen Aufrufe nach drei Tagen. Bäh:

Ihr werdet mich wieder schimpfen, dass ich alter Mann nur den vermeintlich guten Zeiten hinterher trauere und nicht in der Lage bin, solche netten modernen Interpretationen zu würdigen. Mir doch egal. Ja, ich trauere. Hier ist das Original:

Und überhaupt gibt es nur eine Art und Weise, wie man diesen Song abfeiern kann:

Noch eine schlimmste Cover-Version aller Zeiten: The Sound of Silence von Disturbed.

5 Gedanken zu “Die schlimmsten Cover-Versionen aller Zeiten: Bohemian Rhapsody

  1. Hast du auch mal die richtig tollen Coverversionen betrachtet?
    Bohemian Rhapsodie von der Muppetshow, Banana boat song (ok, Harry Belafonte ist natürlich Orginal).

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  2. Wer nur halbwegs ernst nimmt und darüber nachdenkt, welche Inhalte er mit den Texten singt, wenn er sie schon covert, dem sollte es sich verbieten, aus der „Bohemian Rhapsody“ eine Popschnulze zu machen.
    Bei Pop-Schlagerb a la Celine Dion oder Neil Diamond ist das ja wurscht – aber solche Songs so zu covern, heißt, ihnen die Seele zu nehmen…

    Wir erinnern uns:

    Mama, just killed a man
    Put a gun against his head
    Pulled my trigger, now he’s dead
    Mama, life had just begun
    But now I’ve gone and thrown it all away
    Mama, ooh, didn’t mean to make you cry
    If I’m not back again this time tomorrow
    Carry on, carry on as if nothing really matters

    Bietet sich ja so richtig an für Schnulzen. Nicht.

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  3. boah. kannte ich bis eben nicht. stehe noch unter schock – und das, obwohl ich nicht über die „einer liegt allein auf dem sofa, die anderen schreiten umher“-stelle hinweg gekommen bin. ging nicht mehr.
    und das, obwohl mich mit queen nie wirklich was verbunden hat. okeeehhh… „under pressure“… aber das war wegen bowie :D
    kann man sowas nicht irgendwie verbieten?! mein erster richtig brutaler cover-schock war übrigens sandra mit „hiroshima“. das hatte einen ähnlichen effekt… da möchte man dem interpreten auf der stelle den mund mit seife auswaschen. und die seife dann versehentlich stecken lassen :D

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