Zitat am Freitag: Zynismus pur

Zeit für eine neue kleine Rubrik hier im Blog: Gelesen, interessant gefunden, für euch aufgeschrieben …

Also, auf geht’s mit dem ersten Zitat der Woche:

Die Zukunft der Frauenzeitschrift Brigitte ist eine Zukunft ohne Redakteure. Aus einem internen Papier der Brigitte-Gruppe im Verlagshaus Gruner + Jahr geht hervor, dass es betriebsbedingte Kündigungen geben wird, „um die Brigitte zukunftsfähig zu machen“. Die Publikationen Brigitte, Brigitte Woman und Brigitte Mom werden in Zukunft keine ausschließlich schreibenden Redakteue mehr beschäftigen. Die Texte werden zukünftig von freien Autoren geschrieben. In der Sprache des internen Papiers klingt das so: Die Brigitte hole durch diese Strukturveränderung „mehr Vielfalt und Potenzial von außen rein“. Die betroffenen Zeitschriften sollen „von einem agilen, kreativen und flexiblen Kompetenzteam aus gedacht und produziert“ werden. Die Brigitte-Gruppe stehe laut dem Papier weiterhin für „hohes journalistisches Niveau, genaue Recherche, hervorragende Texte“.

Sagt: Die Süddeutsche Zeitung. Eigentlich hätte ich das „interne Papier“ gerne selbst gelesen und direkt zitiert, doch das war leider nirgendwo im Web zu finden. Aber auch die SZ-Auszüge zeigen: So viel Zynismus muss man erst mal hinbekommen. Redakteure werden entlassen, Arbeit wird an billigere Freelancer verlagert, Qualität wird aus Kostengründen reduziert. Jeder weiß das, aber irgendwer glaubt, hier irgendwem in die Tasche lügen und mit Floskeln von „hervorragenden Texten“, einem „agilen Kompetenzteam“, „Potenzial“ und Zukunftsfähigkeit Bullshit-Bingo spielen zu müssen. Entlassen gehören nicht die Brigitte-Redakteure, sondern diejenigen im Hause Gruner + Jahr, die solche Texte produzieren statt das Rückgrat zu haben sich vor die Mitarbeiter zu stellen und ihnen reinen Wein einzuschenken.

Interessant auch, wie Gruner + Jahr extern reagiert, nachdem diese interne Argumentation dieser Schlag ins Gesicht der Mitarbeiter „geleakt“ wurde. Man reagiert: gar nicht. Die jüngsten Pressemeldungen berichten vielmehr, dass die Brigitte zu einer Spendenaktion für Flüchtlinge aufruft, dass man eine erfolgreiche Hörbuch-Edition fortsetzt und dass eine „Starköchin“ Rezepte für die Brigitte-Diät entwickelt. Business as usual also.

Macht aber nichts, das Thema wird natürlich trotzdem in Medien und Blogs einer Bewertung unterzogen. Zum Beispiel durch Thomas Koch auf Meedia: „So führt man keine Zeitschriften. Jedenfalls nicht mehr in die Ewigkeit. Sondern eher in den Abgrund.“ Oder Alf Frommer auf Siegstyle: „Ein Magazin ohne schreibende Redakteure ist wie eine Autowerkstatt ohne Mechaniker“.

Schönes Wochenende!

(Alle Freitags-Zitate zum Nachlesen)

4 Gedanken zu “Zitat am Freitag: Zynismus pur

  1. … die Implikationen des Wandels halt (wir hatten das Thema ja schon diskutiert). Nichts, worüber man sich also wundern oder aufregen sollte ;-)
    Du weißt ja, dass das eigentlich nicht meine Meinung ist – ich kann hier nur resignieren, aber ich glaube nicht, dass Verlage oder Zeitungen das aus Jux und Dollerei machen. Sicher kann man sich über die Art und Weise wundern oder aufregen. Aber so ist das halt. Irgendwann wird es eben diesen Berufsstand nicht mehr geben, und wir werden mit Müll aus der Masse versorgt. Offenbar wollen „wir“ es nicht anders. Schöne neue heile Internetwelt, in der ein Hype den anderen jagt. Es lebe das Mittelmaß!

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    • Nein, DASS es in Redaktionen Stellenabbau gibt und sich die Medienlandschaft ausdünnt, ist wirklich kein Aufreger. Aber wie das hier kommuniziert wird, fand ich schon bemerkenswert. (Und bei allem Massen-Müll bin ich schon optimistisch, dass es weiterhin ein paar journalistische Qualitätsinseln geben wird, die aus dieser Masse herausragen und dafür auch gut bezahlt werden …)

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      • Ich sehe es nicht so rosig. Der Preis für Qualität wird vermutlich wesentlich höher sein müssen, um mithalten zu können, und due Reichweite u. U. auch sehr gering. Kass uns abwarten – in 5 Jahren oder so wissen wir mehr.

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