Mit Helmut Schmidt durchs Jahr: Politik und Religion

Wie sollte das Verhältnis von Politik und Religion beschaffen sein? Was ist davon zu halten, wenn politisches Handeln religiös begründet oder motiviert ist? Über eine schwierige Frage und eine einfache Schlussfolgerung …

Helmut Schmidt hat sich oft zu den Themen Glaube und Religion geäußert. Er nannte sich selbst einen Christen, hatte aber ein durchaus schwieriges Verhältnis zur Kirche. Was ihn definitiv störte, war der Absolutheitsanspruch der Religionen – und der Versuch mancher Politiker, Religion zu instrumentalisieren:

Was mich bei der Herleitung des Gewissens von Gott immer wieder stört, ist die Tendenz zu Ausschließlichkeit, die wir zum Beispiel im Christentum oder im Islam antreffen: Du hast unrecht, ich aber bin erleuchtet; meine Meinungen, meine Ziele sind gottgefällig, deine sind es nicht. So schrieb Kardinal Ratzinger (noch bevor er Papst wurde): „Mit empirisch gestützter Gewissheit können wir sagen, wenn die sittliche Macht des christlichen Glaubens plötzlich aus der Menschheit weggerissen würde, dann bestünde höchste Gefahr für das Überleben der Menschheit.“ Solche selbstgerechten religiösen Gewissheiten haben im Laufe der Geschichte unermessliche Leiden verursacht. Ob Wilhelm II. sich als Monarch „von Gottes Gnaden“ inszenierte oder ob George W. Bush glaubte, als religiöser Überzeugungstäter im göttlichen Auftrag zu handeln, als er einen Angriffskrieg gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein führte: Solche Politiker glauben in religiöser christlicher Verantwortung zu stehen, aber zugleich instrumentalisieren sie die Religion zur Legitimation ihrer Politik. Gewiss gibt es dergleichen ebenso unter Muslimen und unter Juden.

Für mich selbst habe ich schon früh eine sehr einfache Schlussfolgerung gezogen: Misstraue jedem Politiker, jedem Regierungs- oder Staatschef, der seine Religion zum Instrument seines Machtstrebens macht, und halte Abstand von allen, die eine auf das Jenseits orientierte Religion mit sehr diesseitigen politischen Interessen zu verbinden suchen. Diese Ermahnung gilt im übrigen auch für die innere Politik, sie gilt ebenso gegenüber dem Bürger, der sich zur Durchsetzung seines Vorteils auf seine Religion beruft.

Abgesehen davon aber fordert Schmidt:

Von einem Politiker müssen wir Respekt und Toleranz gegenüber den Gläubigen anderer Religionen verlangen. Wer als politischer Führer dazu nicht fähig ist, stellt eine Gefahr für den Frieden da – für den Frieden im Inneren unseres Staates wie für den Frieden nach außen.

Helmut Schmidt: Außer Dienst. Eine Bilanz, München 2008, S. 300 f.

Mehr lesen? Bitteschön: Mit Helmut Schmidt durchs Jahr

Bildnachweis: Bundesarchiv, B 145 Bild-F066924-0017 / Wegmann, Ludwig / CC-BY-SA 3.0


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3 Gedanken zu “Mit Helmut Schmidt durchs Jahr: Politik und Religion

  1. … richtig gut ! Habe häufig Sehnsucht nach Helmut. Angela mit ihrer gnadenlosen parteiinternen Machterhaltspolitik, ihren 180-Grad-Wenden, ihrer Unfähigkeit überzeugende Reden zu halten und klare Gedanken zu formulieren, ihrem offensichtlichen Desinteresse an Bürgerkontakt und Sachpolitik, die als Physikerin nur plötzlich die Gefahr von AKWs erkennt und als Pastorentochter nur plötzlich humanitäre Ambitionen hat, ist alles andere als unschuldig am übrigens auch nicht alternativlosen AfD-Wachstum. Mit Helmut hätte die selbe Krisensituation nicht zum gleichen Ergebnis geführt. Es ist in dem Job deutlich von Vorteil „intellektuell mit Überzeugungskraft“ zu sein. Bei Helmut war das so und bei Angela wird das nie so sein.

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    • Dafür ist er mit seiner Gradlinigkeit ja auch relativ schnell wieder aus dem Amt geflogen (um uns dann als Elder Statesman zu beglücken), während Angie sich von Legislatur zu Legislatur durchmäandert und auch 2017 wieder Kanzlerin werden wird (Bierkasten-Wette, du erinnerst dich … ;-) )

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      • … ich versuche sie aktiv `runter zu schreiben, um an meinen Bierkasten zu kommen und nutze dafür den Blog meines Wett-Partners als Plattform ; -)
        Inhaltlich: Klar, „Angelas Ansatz“ hat ja auch nur das Ziel der Langfristigkeit im Machterhalt. Ein Ziel, was für Helmut überhaupt keine politische Kategorie war. Insofern ist leicht zu erklären, wer von beiden länger „an der Macht“ war (ich nehme ihr Ende im Herbst 2017 jetzt schon mal vorweg;-)

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