Ach, und übrigens … (35): Hysterie, Erika Steinbach, die AfD, Spannung in Sachsen und Entspannung in Brandenburg

Über mediale Hysterie, die Hintergründe eines Erika-Steinbach-Tweets, meine Meinung zum Parteiprogramm der AfD, den Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Bloggern und Wellness in Brandenburg …

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Die Welt ist hysterisch geworden, und daran sind (soziale) Medien nicht unschuldig. Gefühlt ist alles ganz schrecklich (Flüchtlinge! Terror!), in Wahrheit aber leben wir „in einer der friedlichsten und sichersten Perioden seitdem der Mensch die Höhle verlassen hat“, schreibt Gerald Hensel in diesem lesenswerten Beitrag. Die Kernbotschaft: Das Problem ist nicht die Wirklichkeit, sondern die medial vermittelte Wirklichkeit. Und nur eine von vielen Denkwürdigkeiten dabei ist, dass Attentate inzwischen ein „Branding“ haben und „nach einem Anschlag fast schon ein Wettlauf von jungen Designern stattfindet, wer denn nun das definierende Logo erschafft …“ (Nach dem Germanwings-Absturz hatte ich übrigens mal in eine ähnliche Kerbe gehauen und über Medienwahlfreiheit gebloggt.)

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Polarisieren und hysterische Schnappatmung bei besorgten Bürgern auslösen – das schaffen auch manche Politiker ganz gut. Zum Beispiel die völlig indiskutable Erika Steinbach, ehemals Präsidentin des Bundes der Vertriebenen und aktuell – festhalten! – Sprecherin für Menschenrechte der Unions-Bundestagsfraktion. Sie hatte ein Foto getwittert, auf dem ein kleines blondes Kind von vielen Dunkelhäutigen umringt wird, Bildüberschrift: „Deutschland 2030“. Wahnsinnig originell. Außerdem eine Urheberrechtsverletzung und eine zynische Umkehrung der eigentlichen Botschaft, wie der NDR recherchiert hat. Das Bild wurde in Indien anlässlich einer Spendenübergabe für ein Kinderheim gemacht, wie der Fotograf und Vater des blonden Jungen sagt: „Das Foto entstand in einem sehr schönen Moment voller Liebe und Freude. Er zeigt das Miteinander verschiedener Kulturen und von Menschen, die verschiedene Sprachen sprechen. Das auf eine negative Weise zu verwenden, unterstützen wir auf gar keinen Fall.“ (via wirres.net)

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In Wahrheit sind natürlich die armen blonden Deutschen eher selten von den bösen Ausländern bedroht, wie die Steinbach-Propaganda unterstellt. Als Ausländer, Migrant, Flüchtling oder was auch immer kann man sich von Deutschen hingegen schon bedroht fühlen. Zum Beispiel in Sachsen, wie Christian Gesellmann für die Krautreporter ausführlich aufgeschrieben hat.

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Wenn sich Erika Steinbach nochmal entscheiden könnte, würde sie sicher AfD- statt CDU-Mitglied werden. Wer will, kann inzwischen den Entwurf eines Parteiprogramms der AfD lesen und sich jenseits von kalkuliert Hysterie schürenden Aussagen einzelner Politiker mit den Positionen dieser Partei auseinandersetzen. Dabei stelle ich beruhigt fest: Ich bin bei fast allen Punkten komplett anderer Meinung als die AfD: Sie findet Sicherheit wichtiger als Freiheit (ich nicht), will eine radikal neoliberale Wirtschaftspolitik (ich nicht), betrachtet die „traditionelle“ Familie als einzig wahres Modell (ich nicht), findet Homosexualität irgendwie komisch (ich nicht), hält den anthropogenen Klimawandel für einen Computerfehler (ich nicht), will die Wehrpflicht wieder einführen (ich nicht) und findet, Bürger sollten sich leichter bewaffnen dürfen (ich nicht, meine Güte, haben die eigentlich noch alle Tassen im Schrank?).

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Dass Twitter trotz Erika Steinbach total nett sein kann und auch seine großen Momente hatte, zeigt ein Rückblick von Dennis Horn auf 10 Jahre Twitter in 10 Tweets. Vom ersten Hashtag über die Notlandung eines Flugzeugs im Hudson River bis zum „Four more years“-Tweet von Obama.

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Nochmal zurück zum Thema Hysterie in sozialen Medien: Johnny Haeusler hat sich für Wired mal den kulturellen Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Bloggern angeschaut: „Während es in deutschsprachigen Blog-Artikeln gerne um die persönliche Befindlichkeit mit mäßiger Breitenwirkung geht („Warum ich in der Prenzlauer Allee keinen Chai Latte mit Sojamilch mehr trinken werde“), machen es die Amis nicht unter Weltherrschaft, ganz besonders im geschäftlichen und finanziellen Bereich („So leiten Sie drei Startups mit nur vier Stunden Arbeit pro Woche“).“ Hihi.

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Ganz unhysterisch entspannt dafür der Kiezneurotiker in Brandenburg und erlebt die Vorhölle eines Wellness-Hotels: „Irrenanstalt ist gar kein Ausdruck. Ich sitze in einer 100 Grad-Sauna gemeinsam mit drei Frauen, die zehn Minuten darüber debattieren, dass diese Sauna nun wirklich unerträglich heiß ist, aber die nicht auf den Gedanken kommen, in eine der vier anderen (nicht so heißen) Saunen zu gehen, womit sie mich in Frieden alleine zurücklassen würden.“

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Frohe Ostern :-)

Weitere Fundstücke und Kleinigkeiten hier im Blog.


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