Ach, und übrigens … (5): Fool Generated Content, Hassobjekte und Politik im Web

Über die Kakophonie der bornierten Narren, Hass und Politik im Social Web …

***

Das eine oder andere Mal habe ich mich ja hier im Blog schon über die Social Media Meute ausgelassen, die gelegentlich in Gernot-Hassknecht-Manier über Prominente herfällt, nur dass die Meute das nicht satirisch meint. Das ist halt leider die finstere Seite von Social: User Generated Content ist auch Fool Generated Content. Jeder Depp sagt im Social Web seine Meinung und bei vielen Deppen steigert sich das schnell zur Kakophonie der bornierten Narren.

Nicht schön: Hasstiraden auf Facebook

Jüngst zu besichtigen auf der Facebook-Seite von Mario Götze, der als talentierter Fußballer das Normalste der Welt macht, nämlich von einem Verein (Dortmund) zum anderen (Bayern München) zu wechseln. Für manche BVB-Fans ist das vermutlich das allerschlimmste, was auf der großen weiten Welt jemals überhaupt passieren kann. Da einem beim Lesen der Nutzer-Narren-Kommentare schlecht werden kann, verzichte ich darauf, sie hier zu verlinken und zeige nur exemplarisch drei Beispiele.

Es ist schon beeindruckend, wie viel Hass dort zum Ausdruck gebracht wird. Allzu viel muss ich dazu aber nicht mehr schreiben, das hat dankenswerterweise vor ein paar Monaten Sascha Lobo getan: „Hass gab es natürlich schon immer. Aber zu den größten Problemen des Netzes gehört, dass die digitale Version des Hasses ausgerechnet um den Teil reduziert ist, der für den Hassenden anstrengend ist: die Konfrontation von Angesicht zu Angesicht. Ja, das ist ein Problem, und ja, das Internet macht es einfacher, Hass auszukübeln. Wer das leugnet, weil er das Internet zu verehren glaubt, der hat nicht nur das Netz nicht verstanden, sondern die Welt ebenfalls nicht. Außerhalb des Internets hat es einen hohen sozialen Preis, einer Person gegenüberzutreten und ihr Hass zu zeigen. Netzhass ist gratis.“

Ich würde am liebsten den ganzen Lobo-Artikel hier zitieren, aber dafür gibt es ja Links.

***

Zum Thema Weisheit Dummheit der Masse passt auch ganz gut ein lesenswerter Cicero-Beitrag, der sich mit der Causa Wulff beschäftigt. Wir erinnern uns: Vor einem Jahr regten sich die Wutbürgerlein ganz furchtbar über den Bundespräsidenten auf, der erst viel Mist baute und dann zurücktrat, nachdem die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelte. Nach allem, was man heute so liest, wird die Anklage in sich zusammenfallen. Wulffs Verhalten war dann sehr, sehr ungeschickt und moralisch fragwürdig, aber juristisch einwandfrei. Schon diese an sich doch recht einfache Unterscheidung überfordert viele. Was dem einen der Götze, ist dem anderen der Wulff: ein Hassobjekt. Notiz am Rande: Jemand, der mehr Geld verdient bekommt als der Durchschnitts-Deutsche, wird besonders gerne gehasst. 200.000 Euro Rente für den Bundespräsidenten a.D. macht ihn mindestens ebenso vogelfrei wie den Fußballer Götze, der für ein paar Millionen seine Seele an Bayern München verkauft.

Jedenfalls schreibt Christian Jakubetz im Cicero in diesem Zusammenhang: „In vielen Netzdebatten ist das vorweg genommen worden, was man heute der Staatsanwaltschaft vorwirft: dass sie sich verbissen und verrannt hat und jetzt verzweifelt an Bagatellen festhält, um ihr Vorgehen wenigstens irgendwie rechtfertigen zu können. Die wirklich neue Dimension an sozialen Netzwerken ist nicht, dass es blühenden Opportunismus und manchmal noch blühenderen Unsinn dort gibt. Das Neue ist das Tempo und der wachsende Druck, der Mehrheitsmeinung nachzugeben.“

***

Best Practice: Obama und die Verknüpfung von Politik und Emotion in sozialen Medien
Best Practice: Obama und die Verknüpfung von Politik und Emotion in sozialen Medien

Bei Politik und Social Media denke ich immer noch zuerst an Barack Obama, weil er in seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf dieses Thema einfach komplett neu definiert und dann jahrelang erfolgreich exerziert hat. Aber natürlich gibt es inzwischen auch zahlreiche deutsche Politiker, die mehr (etwa Peter Altmaier) oder weniger gekonnt (etwa Peer Steinbrück) die neuen Medien nutzen.

Der CDU-Politiker Peter Tauber hat jetzt jedenfalls einen „Social Media Leitfaden – Soziale Medien in der politischen Kommunikation“ veröffentlicht, den ich interessant und lesenswert finde. Darin zeigt er, dass auch für Politiker ein wenig Recherche am Anfang stehen sollte – so weiß er zum Beispiel, dass 43,7 Prozent der Einwohner seines Wahlkreises einen Facebook-Account haben, weshalb an dieser Plattform kein Weg für ihn vorbei führt. Vor allem aber gibt er seinen Politiker-Kollegen Tipps: Etwa dass soziale Medien „keine Verlautbarungs-Einbahnstraßen“ und „nicht der verlängerte Arm der Pressestelle“ sind und Pressemeldungen daher auf die Homepage gehören; und dass sich Botschaften verknüpft mit Bildern und Emotionen dagegen gut in sozialen Medien transportieren lassen. Am Schluss nennt er zwölf goldene Regeln, die für alte Social Media-Hasen zwar nichts Neues sind, was aber nichts an ihrer Gültigkeit ändert.

***

Ach, und übrigens: Das hier ist unser Versuch, ein bisschen mediterranes Spanien-Flair in den deutschen Frühling zu retten:

Zitronenbaum

In Ach, und übrigens (4) ging es übrigens um komische Suchanfragen, die brutale Idiotie werbender Sterneköche, das Ende der Blogroll und die Frage, ob ich schon mal das Internet genutzt habe …

2 Gedanken zu “Ach, und übrigens … (5): Fool Generated Content, Hassobjekte und Politik im Web

  1. Danke, schöner Beitrag. Noch eine Ergänzung: Ersetze im Ersten Abschnitt „Social Media“ durch „Stadion“ und es stimmt genau so. Das anonyme „Runterproleten“ von den Rängen ist kein deut anders als diese Kommentare auf Facebook.

    Like

Und jetzt sag deine Meinung:

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..