Xavier Naidoos rechtspopulistische Gewaltphantasien

Xavier Naidoo hat mit den Söhnen Mannheims ein neues Album vorgelegt, darauf zu finden das Lied „Marionetten“. Die Fanboys aus der Filterblase Zwei applaudieren kräftig …

Xavier Naidoo, der gefühlvolle Schunkel-Sänger und Fußball-WM-Vertoner, fiel schon in der Vergangenheit als reichsbürgernaher Verschwörungsfan auf, weshalb er nicht zu Unrecht „das Goldene Brett vorm Kopf“ verliehen bekam. „Xavier Naidoo wird zur Einstiegsdroge der Irrationalität, die mit pathetischer Musik beginnt und bei Chemtrails und Weltverschwörungs-Paranoia endet“, würdigte die Jury damals den Preisträger.

Lieblingsklischee der Rechtspopulisten

Konnte man das vielleicht noch als wirre Gedanken eines wirren Künstlers abtun oder ihn einfach trotz allem für einen netten Kerl halten, wird er im neuen Song deutlicher. Naidoo bedient darin ein Lieblingsklischee der Rechtspopulisten: die Ablehnung des politischen Establishments, das sich vom „Volk“ entfernt hat und von unbekannten Mächten gesteuert wird.

Wir erinnern uns: Rechtspopulismus definiert sich nicht durch ein zentrales, nur ihm eigenes Wertesystem, sondern vor allem in der Abgrenzung von Gegnern. Als ideologisches Minimum propagiert er ein unspezifisches „Volk“, das sich von mehreren Seiten bedroht sieht: etwa von Fremden, von Institutionen wie den „Systemmedien“ und eben von etablierten Politikern.

Volksvertreter und Volksverräter

In Naidoos Song klingt das so:

Wie lange noch wollt Ihr Marionetten sein
Seht Ihr nicht, Ihr seid nur Steigbügelhalter
Merkt Ihr nicht, Ihr steht bald ganz allein
Für Eure Puppenspieler seid Ihr nur Sachverwalter

Und um ja keinen Interpretationsspielraum zuzulassen, erklärt er, wer mit Marionetten gemeint ist:

Ihr seid blind für Nylon und Fäden an Eueren Gliedern und
Hat man Euch im Bundestag, Ihr zittert wie Euere Gliedmassen
Alles nur peinlich und so was nennt sich dann Volksvertreter
Teile Eures Volks- nennt man schon Hoch, beziehungsweise Volksverräter

Immer noch nicht verstanden? Also gut, nochmal deutlicher:

Eure Parlamente erinnern mich stark an Puppentheater
Ihr wandelt an Fäden wie Marionetten

Antidemokratisches Framing

Das ist Framing mit der Breitenwirkung eines Popsongs. Der Deutungsrahmen für die Wirklichkeit wird eingeengt auf eine diffuse Verschwörungstheorie, nach der alle Politiker korrupt und volksfern sind. Dieses in rechtslastigen Communitys allgegenwärtige Klischee ist natürlich zutiefst undemokratisch in einem Land, in dem die Volksvertreter tatsächlich in freien, gleichen und geheimen Wahlen vom Volk gewählt wurden. „Teile des Volks“, die mit dem Ergebnis dieser Wahlen nicht einverstanden sind, zum Opfer einer Verschwörung zu stilisieren, ist perfide und dumm, aber argumentativer Standard in rechtspopulistischen Kreisen.

Damit aber nicht genug. Naidoo droht – lyrisch verbrämt, was die Sache nicht besser macht – tatsächlich mit Gewalt:

Alles wird vergeben, wenn Ihr einsichtig seid
Sonst sorgt der wütende Bauer mit der Forke dafür, dass Ihr einsichtig seid

Revolutionsphantasie im Mainstream-Pop

Diese Anspielung auf den deutschen Bauernkrieg ab 1524 passt perfekt ins rechtspopulistische Weltbild, gelten doch die damaligen Auseinandersetzungen als „Revolution des gemeinen Mannes“ gegen Hochadel und Klerus. Doch der Vergleich der bundesrepublikanischen Demokratie mit der Feudalordnung des 16. Jahrhunderts ist selbstredend dermaßen gaga, dass man schon sehr tief in seiner Aluhut-gesicherten Filterblase versunken sein muss, um das ernst zu meinen.

Aber Naidoo meint es ernst. Und weil das Publikum die historische Anspielung vielleicht nicht versteht, gibt’s auch hierzu nochmal Klartext:

Bei nährer Betrachtung steigert sich doch das Ensetzen
Und wenn ich nur einen in die Finger bekomme
Dann zerreiss ich ihn in Fetzen
Und da hilft auch kein Verstecken hinter Paragraphen und Gesetzen

Das macht mich tatsächlich ein bisschen sprachlos. Denn dass der Hass und die Gewaltphantasien, die ich aus der Filterblase Zwei kenne, derart im Mainstream-Pop auf großer Bühne geträllert werden, kannte ich bislang nicht.

Die einen sind sprachlos, die anderen begeistert:

(Und so weiter und so fort.)

Mehr Infos über Xavier Naidoo bei Psiram.

14 Gedanken zu “Xavier Naidoos rechtspopulistische Gewaltphantasien

  1. Ich möchte da mal etwas relativieren: schon Reinhard Mey schlug in seinem Lied „sei wachsam“ ähnliche Töne an. Bloss weil jemand das System kritisiert und dazu auffordert von unseren Politikern in die Luft geblasene Phrasen mal zu hinterfragen, macht das noch keine Rechte Gesinnung aus. Kritik darf und muss erlaubt sein – grade dass macht eine Demokratie aus. Und das muss Sie eine Demokratie auch problemlos aushalten können..

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    • Ich glaube, unsere Demokratie hält einen wie Xavier Naidoo problemlos aus. „Kritik muss erlaubt sein“ – ja, klar, will jemand Naidoo-Texte verbieten? Übrigens auch ein rechtspopulistisches Klischee, dass die Kritiker von Politik und „Systemmedien“ mundtot gemacht würden. Und rechte Gesinnung: Er bedient klassische Muster rechtspopulistischer Frames. Ja, ich würde sagen, dahinter steckt eine bestimmte Gesinnung.

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      • Ich kann Ihre Schlussfolgerungen nicht so ganz nachvollziehen. Finden sich in der Vita von Herrn Naidoo weitere Hinweise auf eine rechte Gesinnung, die Ihre Schlussfolgerung untermauern ? Ich bin mit dem Verhalten von vielen Volksvertretern auch nicht glücklich – macht mich das jetzt automatisch zu einem Rechtspopulisten ? Beim Lesen der Blog Überschrift hatte ich mit eindeutigeren Belegen für eine rechte Gesinnung gerechnet, aber so erscheint mir der Zusammenhang etwas konstruiert – wie gesagt, ich habe mich noch nie mit Herrn Naidoos Vorgeschichte auseinandergesetzt, mag sein, dass sich darin Hinweise finden, die Ihre These stützen.

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      • Naidoo biedert sich in den letzten Jahren ziemlich offen bei Reichsbürgern und „Besorgten“ an und äußert einiges an verschwörungsideologischem Unsinn. Und das aktuelle Lied an die Marionetten ist nicht das erste Mal, dass er sich mit Gewaltphantasien aus dem Fenster lehnt. So lange er rechtspopulistische Positionen vertritt, muss man ihm eine rechte Gesinnung gar nicht nachweisen.

        Ansonsten: Fundierte Kritik an Regierung, Behörden, Politikern und meinetwegen auch dem Set-up der Bundesrepublik sind natürlich erlaubt und eigentlich auch wünschenswert. Das kann gern auch pointierter werden, aber bei Aufrufen zur Gewalt hört es auf, das muss auch keine stabile Demokratie einfach so schlucken. Zuallermindest darf man das kritisieren und als nicht akzeptabel zurückweisen. Sollte man sogar.

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  2. Hmmm. Es ist legitim … und nicht nur legal, die Abhängigkeit gewählter Parlamentarier von Dritten zu behaupten und zu beklagen. Den Bauern mit Forke anzukündigen oder anzudrehen, jemanden „in Fetzen zu reißen“ geht, denke ich, schon noch ein gutes Stück über die Texte eines Reinhard Mey hinaus.

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    • Da gebe ich ihnen Recht, aber die Frage ist, ob das automatisch mit einer rechten Gesinnung gleichzusetzen ist.

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  3. Ich mag Naidoo nicht. Aber die Aufregung hier scheint mir etwas übertrieben. Guck mal, wie kritisch Volker Pispers mit unserer Regierung und unseren Politikern umgeht. De fakto sagt der doch seit wohl zwei Jahrzehnten dass wir von der Regierung pausenlos nach Strich und Faden verarscht werden. Aber Pispers gilt als intellektueller politischer Kabarettist. Und die Mistgabel Referenz ist ein sehr gängiges Bild im angloamerikanischen Raum, „when the pitchforks come out“. Damit wird darauf hingewiesen, dass das dauerhafte ignorieren der Arbeiterklasse irgendwann zu einer gewaltsamen Revolution führen wird. In den USA haben die Leute davor teilweise ernsthaft Angst, und Trump war eventuell der letzte Schritt davor. Sieh mal z.B.: hier: http://www.politico.com/magazine/story/2014/06/the-pitchforks-are-coming-for-us-plutocrats-108014

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    • Ich bin doch gar nicht aufgeregt :-) Ich zeige nur, dass Naidoos Text nicht der eines besorgten regierungskritischen Bürgers ist, auch nicht der eines Politkabarettisten, sondern dass er den Traum der Rechtspopulisten träumt, die demokratisch gewählte Regierung abzulösen und durch irgendetwas zu ersetzen, dass eine wirre Minderheit für legitim hält. Nicht mehr, nicht weniger.

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      • Die üblichen Klischees des linken politischen Kabaretts: die bösen Amis, die böse Nato, die bösen etablierten konservativen Politiker, die böse Privatwirtschaft, der böse Kapitalismus, die bösen weniger linken Kabarettisten wie Dieter Nuhr … Und das immer mit dieser echt anstrengenden Klugscheißer-Attitüde des linken politischen Kabarettisten: Wie kann die Welt so blöd sein nicht zu erkennen, was ich längst erkannt habe … Nee, nix für mich.

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