Zitat an Weihnachten: Fastenbrechen und Fressgelage

Wie kommt es eigentlich, dass manche an Heiligabend schon den großen Festbraten auffahren und andere nur Würstchen mit Kartoffelsalat servieren, während der Braten erst am Feiertag dran ist? Alles eine Frage der Kulturgeschichte, habe ich gelernt …

Und zwar in einem Interview mit dem Kulturwissenschaftler Hans Ottomeyer in der Süddeutschen Zeitung (kostenpflichtig). Er berichtet, dass das eher schmale Heiligabend-Essen in einer alten Fasten-Tradition begründet ist:

Das weiß heute fast niemand mehr, aber es gab früher auch die Weihnachtsfastenzeit. Die Heilige Nacht war ein Fastenbrechen. Wie an Ostern begann das Fest mit einer Mitternachtsmesse Glockenschlag zwölf, um nur ja keine Stunde zu vergeuden. Und nach dem Gottesdienst fing man nach vier Wochen das erste Mal wieder richtig an zu essen. Da legten die Leute natürlich nicht um zwei Uhr morgens mit einem Braten los. Es gab einen Imbiss, den man in Ruhe hergerichtet hatte. (…) Das Fastenbrechen wurde im Laufe der Zeit vorverlegt. Aus der Mitternachtsmesse wurde ein Abendgottesdienst mit kleinem Essen und Bescherung. Das geschah aus Rücksicht auf die Kinder.

Aber auch die übervolle Weihnachtstafel mit Braten und (ein klein wenig) Alkohol hat kulturhistorische Wurzeln, die weit zurückreichen:

Um gemeinsames Essen ging es aber auch schon bei den heidnischen Mittwinter-Bräuchen zur Sonnwende nach dem 21. Dezember. Die römischen Saturnalien waren tagelange Gelage. Und die Julfeste im nordischen Raum waren Fressfeste, für die wochenlang geschlachtet, gebacken und gebraut wurde. Man hat vom 25. Dezember bis 6. Januar nur gegessen, getrunken, geschlafen. Die Kirche achtete seit dem dritten Jahrhundert säuberlich darauf, dass die Feier der Geburt Christi am 6. Januar vorverlegt wurde, um die Sonnwende nicht heidnischen Göttern zu überlassen. (…) Der Höhepunkt des Julfestes war ein üppiger Bratenschmaus, das entspricht unserem Weihnachtsbraten.

Mit anderen Worten: Unsere Essgewohnheiten an Weihnachten gehen auf heidnische Fressgelage und kirchliche Fastentraditionen zurück, die heute eine durchaus erfreuliche Mixtur ergeben.

Und jetzt jammert nicht, dass ihr euch an Weihnachten immer so voll futtert und dann wochenlang Sport machen müsst, um wieder in Form zu kommen. Essen ist in jeder Hinsicht wichtig, und zwar nicht nur um satt zu werden, wie der Kulturwissenschaftler betont:

Essen ist deshalb wichtig, weil es die einzige Strategie ist, die als Friedenstechnik soziale Gruppen zusammenhält. Der Soziologe Georg Simmel hat das am besten beschrieben: Wir haben ungefähr 20.000 Techniken, um uns zu bekriegen, uns auseinanderzusetzen. Aber wir haben kaum eine Technik, uns in Einvernehmen zu setzen – außer das gemeinsame Essen.

Na denn: guten Appetit :-)

2 Gedanken zu “Zitat an Weihnachten: Fastenbrechen und Fressgelage

  1. Danke für diese kulturgeschichtliche Betrachtung zur Festtafel. Auch bei unserem Weihnachtsabend kam die frühere adventliche Fastenzeit zur Sprache, die wohl 40 Tage von Sankt Martin bis Weihnachten umfasste. Dabei mag ein Hintergrund gewesen sein – zitiert aus dem SZ-Beitrag? -, dass es damals galt, die Lebensmittel über die Winterzeit gut einzuteilen.
    Das Simmel-Zitat stimmt ebenfalls nachdenklich.
    Mit Dank für die vielfältigen Beiträge im zurückliegenden Jahr wünsche ich weitere angenehme Feiertage und einen angenehmen Jahreswechsel.

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