Zimt & Koriander

Wir müssen dringend über zwei Probleme in Küche und Gastronomie reden …

Und zugleich Regeln aufstellen. Ja, ich weiß: Beim Essen zählt Kreativität, künstlerische Freiheit, schöpferisches Chaos, was sollen da Regeln? Aber hey, ihr befolgt ja auch andere Regeln in der Küche, zum Beispiel dass ihr Risotto niemals ohne ein Glas Wein in der Hand kocht. Eben.

Zwei Zutaten belasten mich schon länger und schmälern mein Vergnügen, wenn es ums Essen geht. Und ich bin mit diesem Problem nicht allein. Diana Burkel, die wunderbare Köchin des wunderbaren Lieblings-Restaurants Würzhaus in Nürnberg sagte kürzlich in einem Podcast: „Es gibt nur zwei große Regeln, auf die man aufpassen muss: auf Weihnachten und Seife. Weihnachten ist dieses ganze Zimt-Gedöns, Seife ist Koriander. Mit diesen beiden Sachen kann man Gerichte versauen.“

Sie hat Recht. Arbeiten wir dieses Problemfeld systematisch ab und beginnen mit dem Einfacheren:

Koriander

Einfach deshalb, weil wir es hier mit reiner Biologie und Genetik zu tun haben. Ob euch Koriander schmeckt oder nicht, hat nichts mit schrecklichen oder genussvollen Kindheitserlebnissen zu tun. (Nebenbei bemerkt kann ich mich nicht erinnern, dass Koriander in meiner Kindheit, also vor 30 bis 40 Jahren irgendeine Rolle gespielt hat. Der Trend zu Asia-Fusion-Kitchen oder Levante-Kulinarik muss deutlich später Fahrt aufgenommen haben. Und mit ihm der Trend, über jedes zweite Gericht Koriander zu schnibbeln, wegen der schönen Farbe und der Frische und so.)

Die Biologie also: Wir alle haben wohl, wer wüsste es nicht, einen Geruchsrezeptor namens OR6A2, und den gibt es in zwei genetischen Varianten. Diese Varianten entscheiden darüber, ob wir Koriander bzw. die Aldehyde des Korianders als angenehm oder unangenehm empfinden. 

Die Studienlage dazu ist zwar dünn. Allerdings ist die anekdotische Evidenz meines persönlichen Erlebens derart beeindruckend und eindeutig, dass mir das in diesem Fall egal ist. Zwei Menschen gehen essen. Dem einen schmeckt es gut, weil irgendwie pfeffrig-aromatisch gewürzt. Dem anderen vergeht schnell der Appetit, da das schöne Essen nach Seife schmeckt. Der andere bin ich. 

Wir reden hier übrigens nur von den grünen Koriander-Blättern, nicht von den Samen. Letztere kann man für alles Mögliche verwenden, von Brot bis Schweinebraten, und das schmeckt (mir) wirklich gut. Der Vorteil bei den Blättern ist, dass viele Köche sie erst am Schluss über ihr Gericht streuen. Und da wirklich coole Köche in ihren Speisekarten darauf hinweisen, dass Koriander im Spiel ist, kann man rechtzeitig intervenieren und sich die Seife wegwünschen. Manche nutzen dann alternativ das Grün von Frühlingszwiebeln als Streugut. Nichts dagegen.

Zimt

Ein schwierigerer Kandidat, aus mehreren Gründen. Zimt schmeckt halt nach Zimt, da gibt es keine zwei Gene oder Meinungen. Ich habe auch nicht grundsätzlich etwas gegen Zimt, ich mag ihn 1) gelegentlich und 2) wohl dosiert. Und da sind wir bei den beiden großen Problemen.

Wohl dosiert bedeutet, dass Zimt sehr diskret angewendet einen schönen aromatischen Akzent setzen kann. Zum Beispiel im Apfelkuchen. Dann schmeckt der Apfelkuchen weiter nach Apfelkuchen. Leider kennen viele bei Zimt kein Maß und keine Mitte, sie überwürzen mit Zimt als gäbe es pro verwendetem Gramm einen extra Küchen-Orden. Dann schmeckt der Apfelkuchen halt nicht mehr nach Apfelkuchen, sondern nach Zimtkuchen. Schade drum. Nun gibt es Menschen, die das mögen, und ich gönne ihnen wirklich ihr Zimt-Erlebnis. Aber nennt das dann nicht Apfelkuchen, sondern Apfel-Zimt-Kuchen, dann weiß ich, dass ich die Finger davon lassen muss.

Und gelegentlich bedeutet, dass ich Zimt vor allem dann nicht mag, wenn er seuchenartig um sich greift. Wir haben es mit einer ausgewachsenen Zimt-Pandemie zu tun, und WHO, Dehoga und sämtliche Menschenrechtsorganisationen unterschätzen diese Gefahr. Diana Burkel hat es im Podcast schon angedeutet: Kaum geht es in Richtung Weihnachten, kommt überall Zimt rein, weil es ja irgendwie „schön weihnachtlich“ schmecken soll. Und Weihnachten reicht gefühlt von November bis Februar. Tiramisu im Winter? Schmeckt nach Zimt. Sauerbraten am Sonntag im Gasthaus? Da hat doch jemand Zimt in die Soße gekippt. Risotto? Heute mal mit einem Hauch Zimt. Kürbis aus dem Ofen? Verfeinert mit Zimt. Tomatensuppe? Mit ZIMT. Neulich gönne ich mir ein Brötchen mit Erdnussbutter, beiße rein und denke: Nein. Sag mir, dass das nicht wahr ist. Aber die Verpackung enthüllt als Zutat: Cinnamon Powder. Und nein, auch in Bircher Müsli gehört kein Zimt, liebe Hotels.

Bitte! Ich will das nicht!!

Tut Zimt gerne da rein, wo er reingehört. In Zimtsterne zum Beispiel. Esse ich ab und zu mit Vergnügen. Oder in Zimtschnecken. Sehe ich mir zumindest gerne an, wenn sie von Gene Takavic aka Jimmy McGill aka Saul Goodman in seiner Cinnabon-Filiale in Nebraska zubereitet werden.

9 Gedanken zu “Zimt & Koriander

  1. Schließe mich der Zimt-Meinung vollumfänglich an :)
    Möchte noch hinzufügen dass es sich bei Benutzung UNBEDINGT um den guten Cassia-Zimt handeln sollte.

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  2. Bin dabei.
    Wehren wir uns gegen die Zimtisierung unserer Leibspeisen.
    Lieber etwas Ingwer.
    Ach nee, das ist ja genauso furchtbar inflationär überall dran und drin.

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  3. Mir geht es weder mit Koriander noch mit Zimt wie Dir, aber ich kann das ganze sehr nachfühlen. Vanille ist auch so ein Ding, das überall reingekippt wird. Erdbeermarmelade mit Vanille, furchtbar.

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  4. Sehr schön, endlich mal ein Thema wo sich trefflich spalten lässt und die Menschen sich nicht gleich an die Gurgel gehen … oder haben sie etwa schon wieder ?

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