Streetside: Und ewig grüßt das Murmeltier …

Nach Google Street View nun also Microsoft Bing Streetside: die gleichen Diskussionen laufen an,  die übliche naiv-uniformierte Aufgeregtheitsspirale beginnt sich wieder zu drehen. Die Datenschützer schäumen und der bayerische Innenminister will Streetside gleich ganz verbieten. Und ich bin langsam am Verzweifeln …

Ganz ehrlich: Ich komme mir vor wie Bill Murray im Film Und ewig grüßt das Murmeltier. So wie er albtraumhaft im verschlafenen Nest Punxsutawney in Pennsylvania gefangen ist und immer wieder denselben Tag durchleben muss, so leide ich unter den immergleichen mantra-artig vorgetragenen Politiker-Parolen, die durch ständige Wiederholung nicht richtiger werden und sich vor allem durch a) Unkenntnis und b) vermeintlichen Populismus auszeichnen.

I got you, Babe …

Während Bill Murrays grausame Zeitschleife immer morgens mit I got you, Babe von Sonny and Cher beginnt, fängt meine regelmäßig mit den Buzzwords „Datenschutz“ und „nicht hinnehmbar“ an: Vor kaum einem halben Jahr hat der böse Google-Konzern einfach so (= in nicht hinnehmbarer Art und Weise) Straßen und Plätze in deutschen Großstädten fotografiert und in diesem Internet-Dings veröffentlicht. Und nun hat der böse Microsoft-Konzern ungefähr dasselbe vor. Wie Google will Microsoft dem deutschen Bürger die Möglichkeit zur Zensur zum Widerspruch einräumen, indem er seine Hausfassade verpixeln, also unkenntlich machen kann. Aber, o Schreck, diese Möglichkeit soll es erst geben, nachdem die Bilder online gestellt wurden. Dieser Plan ruft natürlich die Aigners der Republik auf den Plan, an vorderster Front diesmal der bayerische Innenminister, wie Heise berichtet:

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kritisiert die geplanten Aufnahmefahrten für Microsofts Kartendienst Bing Maps Streetside: „Es ist nicht hinnehmbar, dass es gegen die Aufnahmen kein vorheriges Widerspruchsrecht gibt. Das ist mit einem wirksamen Datenschutz unvereinbar“, sagte Herrmann am Mittwoch gegenüber dpa. Der Innenminister droht, Microsoft die Veröffentlichung der Aufnahmen zu untersagen. Sollte sich der Konzern weigern, Vorab-Widersprüche zuzulassen, bleibe den Behörden keine andere Möglichkeit, um das Persönlichkeitsrecht von Mietern und Hauseigentümern zu schützen.

Das Recht der Hausfassade am eigenen Bild

Warum schreibe ich von Unkenntnis? Weil jeder in Deutschland das Recht hat, öffentliche Straßen und Plätze zu fotografieren und diese Bilder zu veröffentlichen, Herrgott nochmal. Das haben wir doch am Beispiel Street View alles schon durchgekaut. Es ist ja ok, Gesichter und Autokennzeichen zu verpixeln, aber Häuser genießen keinen besonderen Datenschutz! Oder nochmal für alle Politiker zum mit- und hinter die Ohren schreiben: ES GIBT KEIN INFORMATIONELLES SELBSTBESTIMMUNGSRECHT VON HAUSFASSADEN!!! Ist das denn so schwer zu verstehen?

Ich bedaure zutiefst, dass Google und Microsoft den deutschen Bedenkenträgern überhaupt die Möglichkeit einräumen, ihre Fassaden zu verpixeln. Denn der öffentliche Raum und seine Darstellung im Web gehört allen: mir, euch, allen – und nicht dem Hausbesitzer allein. Apropos Hausbesitzer: Auch gegen dessen Willen kann eine Fassade bekanntlich verpixelt werden, der Widerspruch eines Mieters genügt. Dass vielleicht zehn andere Mieter und der Besitzer für eine Abbildung des Hauses sind, spielt dabei keine Rolle. Verrückte Welt!

Populismus am Volk vorbei

Und warum schreibe ich von vermeintlichem Populismus? Ich vermute, der bayerische Innenminister glaubt, als Verbraucherschützer punkten zu können, indem er den bösen Konzernen mal zeigt, wo der Hammer hängt. Aber Populismus würde bedeuten, dass man sich vor den Wagen einer nennenswerten Mehrheit spannen lässt. Und die ist im Zusammenhang mit Street View, Streetside und den angeblichen, „nicht hinnehmbaren“ Datenschutz-Verletzungen weit und breit nirgendwo zu entdecken. Weniger als drei Prozent der betroffenen Haushalte haben gegen Street View Widerspruch eingelegt und in Folge dessen ihre Fassaden verpixeln lassen. Umgekehrt bedeutet das: 97 Prozent der Bürger ist es wurscht, dass Fotos des öffentlichen Raums im Web zu sehen sind – oder sie begrüßen es sogar. Ein professioneller Populist hätte sich also für Streetside stark machen müssen, das hätte mehr Erfolg versprochen.

Irgendwann ist es Bill Murray bekanntlich gelungen, die Zeitschleife zu verlassen, der Film hatte ein Happy End zu bieten. Na ja, das echte Leben ist halt kein Hollywood-Streifen …

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