Eine so genannte Buchhandlung – Reloaded

Vorweihnachtszeit, ein Tag Urlaub, Spaziergang durch die Stadt. Die größte Buchhandlung Erlangens. Reingehen. Rauf in die Kinderbuch-Abteilung. Sich verwundert die Augen reiben …

Vor eineinhalb Jahren habe ich schon mal von einem meiner seltenen Besuche bei Thalia in Erlangen berichtet. Es ist ein großes Haus, ein Buch-Kaufhaus. Oder genauer gesagt: ein Kaufhaus, in dem der Anteil an Büchern geringer, der Anteil an Nippes, Krusch und Kram dagegen größer wird. „Gemischtwarenladen des Grauens“ habe ich das im Sommer 2013 genannt und Zweifel geäußert, ob das die richtige Strategie ist, um dem immer stärker werdenden Internet-Buchhandel Paroli zu bieten.

Nippes, Krusch, Kram und Spielwaren

Diesmal führte mich mein Weg in die Kinderbuch-Abteilung, und hier sind die Veränderungen dramatisch: Ja, es gibt noch Bücher, aber gefühlt auf höchstens der Hälfte der zur Verfügung stehenden Fläche. Die andere Hälfte beanspruchen Nippes, Krusch, Kram und Spielwaren für sich. Die Kinderbuch-Abteilung von Thalia ist keine Kinderbuch-Abteilung, sondern ein Spielwarenladen mit Buchregalen. Ich belege das mal eben mit einigen Fotos (klicken zum Vergrößern):

Woran liegt das? Warum ändert einer der größten deutschen Buchhändler seine Strategie und bietet einen Gemischtwarenladen statt einer gut sortierten Kinderbuch-Abteilung an?

Die Jugend von heute? Ist nicht das Problem!

Meine erste These war: Kinder lesen keine Bücher mehr! Sie zocken nur noch an der Playstation, daddeln auf Smartphones rum und sind von jedem Satz, der die Länge einer typischen WhatsApp-Nachricht überschreitet (ROFL! HDGDL!), überfordert. O tempora, o mores! Sic transit gloria mundi! Früher war alles besser! Ihr wisst schon.

Aber weit gefehlt. Der Anteil der Sparte Kinder- und Jugendbuch an den Gesamtumsätzen im Buchhandel in Deutschland ist zuletzt deutlich gestiegen, von 15,6 % (2012) auf 17,4 % (2013). Vor zehn Jahren lag der Anteil sogar nur bei 12,6 %. Auch die Zahl der Käufer steigt: 14,3 Millionen Kunden kauften 2012 Kinder- und Jugendbücher, 2010 waren es nur 13,4 Millionen. Und natürlich gäbe es reichlich Platzbedarf für Kinderbücher: Jede zehnte Neuerscheinung ist ein Kinder- und Jugendbuch. 2012 kamen 7.857 neue Titel für die junge Leserschaft in Erstauflage auf den Markt. Diese Unmenge an neuen Titeln, die jedes Jahr auf den Markt geworfen wird, kann man durchaus kritisieren. Aber die Reduktion von Regalflächen in so genannten Buchhandlungen lässt sich damit sicher nicht erklären.

Die Digitalisierung? Ist auch nicht das Problem!

These Nummer zwei: Also gut, die Kinder und Jugendlichen lesen heute nicht weniger als früher. Aber sie lesen bestimmt keine Papier-Bücher, sondern E-Books. Alles digital. Kein Sinn mehr für schöne Bücher, für Haptik, für etwas, das man ins Regal stellen kann. O tempora … und so weiter.

Doch auch hier: Falsch gedacht! Nur 1 % der Käufe im Kinder- und Jugendbuchmarkt entfielen im Jahr 2012 auf E-Book-Titel. Im Gesamtmarkt sieht es nicht deutlich anders aus: 2013 haben E-Books nur 3,9 % zum Buchumsatz des Publikumsmarktes beigetragen. Der Anteil wächst zwar rasant, aber noch handelt es sich um eine kleine Nische.

Es gibt übrigens noch jede Menge weitere interessante Zahlen, die belegen, dass die Bedeutung von Büchern für Kinder eher zugenommen hat. Zum Beispiel lesen 82 % der Väter heutzutage ihren Kindern mindestens einmal pro Woche ein Buch vor, wie die Stiftung Lesen herausgefunden hat; vor sechs Jahren waren es nur 69 %.

Und Amazon? Auch nicht!

Viele Gründe also für den stationären Buchhandel, die große Nachfrage mit einem entsprechenden Angebot zu bedienen. Seltsamerweise ist das Gegenteil der Fall, zumindest bei Thalia in Erlangen. Die Kinderbuch-Abteilung ist kaum noch von einer Toys „R“ Us-Filiale zu unterscheiden.

Keine Ahnung, ob die Thalia-Strategie aufgeht, aus ihren Buch-Kaufhäusern Kaufhäuser zu machen. Der Umsatz von Thalia sinkt jedenfalls seit 2010, Filialen werden geschlossen. Nur eines weiß ich sicher: Wenn man auf die Suche nach Schuldigen geht, wird man garantiert bei Amazon, dem großen Dämon aus Amerika fündig werden. Oder beim Kunden, von dem man sich auch gerne wünscht, dass er umdenkt. Die Gefahr, dass man die Schuld bei sich selbst sucht und die Probleme vor Ort zu lösen versucht, ist dagegen wie der Anteil an Kinderbüchern in der so genannten Buchhandlung: gering.

Mehr Buchhandels-Beiträge hier im Blog:

Ein Gedanke zu “Eine so genannte Buchhandlung – Reloaded

  1. Bin selbst Erlanger und schon lange Zeit nicht mehr in dieser Buchhandlung. Für mich der Hauptgrund Parkplatz. Früher habe ich sehr viel bei der Vorgängerbuchhandlung Palm & Emke
    gekauft. Aber mit der Zeit war es mir zu teuer Buchpreis + Protokoll. At eiber das beschwerde ichmich mal, per Mail, auf Grund der Antwort, bin ich dann zur Konkurrenz gewechselt Merkel, aber da ist jetzt ein Fahrradgeschäft.

    Kaufe jetzt meistens im Internet, nicht unbedingt bei Amazon.

    Gruß
    G. Ruf

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