Die völkische AfD

Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry hat in einem Welt-Interview gesagt, der Begriff „völkisch“ solle wieder positiv besetzt werden. Ihr missfällt, dass der Begriff „ständig nur in einem negativen Kontext benutzt wird“. Das, liebe Leser, schlägt dem Fass den Boden aus …

Ich bin weder leicht erregbar noch schnell aus der Fassung zu bringen. Aber als jemand, der sich im Studium intensiv mit völkischer Ideologie und ihren Auswirkungen beschäftigt hat, kann ich die jüngste Entgleisung der AfD-Politprominenz nicht unkommentiert lassen.

Wahrscheinlich ist es wieder nur die bekannte AfD-Taktik, die dem immer gleichen Muster folgt: ordentlich provozieren, einen medialen Shitstorm auslösen, viel Aufmerksamkeit bekommen, raunende Zustimmung vom rechten Rand, Empörung von allen anderen, dann Zurückrudern, so habe man das nicht gesagt, die Lügenpresse habe das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen, und so weiter.

Das sollten wir der AfD diesmal nicht durchgehen lassen. Wer den Begriff „völkisch“ wieder salonfähig machen möchte und sich zugleich als wählbare demokratische Alternative zu den etablierten Parteien präsentiert, ist ein Wolf im Schafspelz. Zu viel schwingt mit bei diesem Begriff, als dass wir Petrys Verbal-Entgleisung einmal mehr als PR-Taktik abtun könnten.

Völkisch bedeutet: rassenideologisch und antisemitisch

Um es kurz zu machen: Dem Nationalsozialismus lag nie eine konsistente Philosophie oder Theorie zu Grunde, vielmehr handelte es sich um ein „Konglomerat von Ideen und Mentalitäten, Vorstellungen und Wünschen“ (so Karl Dietrich Bracher in Die deutsche Diktatur – eines der besten Bücher zur Entstehung und Struktur des Nationalsozialismus, wenn ihr mich fragt.) Eine dieser Ideen war jene völkische Ideologie, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts ausbildete und im Kern eine Höherwertigkeit des deutschen Volkes gegenüber allen anderen Nationen postulierte. Damit einher ging konsequenterweise die Angst vor „Überfremdung“, die diese deutsche Besonderheit und Überlegenheit zu bedrohen schien.

Weitere Elemente völkischer Ideologie sind: ein starker Anti-Liberalismus, da der völkischen Gemeinschaft das Individuum untergeordnet wird; der Gedanke von der „Reinheit“ des deutschen Volkes, auf dem Rassenideologie und Antisemitismus des 19. und 20. Jahrhunderts aufbauen; und ein aggressiv-expansiver Gedanke, um dem deutschen Volk den verdienten Lebensraum zu verschaffen, der ihm seit dem Dreißigjährigen Krieg verwehrt wurde.

Mit anderen Worten: Von völkischem Gedankengut führt ein schnurgerader Weg zu Nationalsozialismus, Konzentrationslagern, Holocaust und Zweitem Weltkrieg. So einfach ist das.

Wer „völkisch“ salonfähig machen will, ist gefährlich

Das wird die dumpfen Idioten am rechten Rand, die bislang NPD gewählt haben und kaum die drei Fackeln zählen können, die sie sich gerne mal anzünden, nicht beeindrucken. Aber all die besorgten Bürger, die Gebildeten, die über den Euro-Skeptizismus zur AfD gefunden haben, all die Protestwähler, die mit etablierten Parteien fremdeln, alle, die noch einen Funken Verstand haben, können nach solchen Aussagen nicht mehr mit der AfD sympathisieren.

Wem es nicht gefällt, dass der Begriff „völkisch“ negativ besetzt ist, der ist entweder ungebildet und dumm oder gefährlich oder beides.

Petry hat daher mir ihrer Aussage für alle, die nicht komplett geschichtsvergessen sind, eine rote Linie überschritten. Die Partei einer Vorsitzenden, die den historischen Kontext von Rassenideologie, Antisemitismus und Genozid irgendwie ausblenden, semantisch uminterpretieren oder in welcher Weise auch immer relativieren will, ist nicht nur ein bisschen unsympathisch, sondern absolut unwählbar.

Update: Hier habe ich mich nochmal ausführlicher damit beschäftigt, was mit dem Begriff „völkisch“ eigentlich gemeint ist und warum er völlig zu Recht negativ besetzt ist.


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19 Gedanken zu “Die völkische AfD

  1. Hat dies auf Querdenkmal rebloggt und kommentierte:
    Wieder mal ist der Kollege Buggisch mir zuvorgekommen – warum auch nicht? Was er schreibt, stimmt!

    Vorweg könnte man noch ergänzen:
    Petry verteidigt „völkisch“ mit AfD-typischer Schein-Naivität auf grammatischer Ebene als bloßes Adjektiv zu „Volk“ („Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ braucht sie schon gar nicht mehr zu sagen.)
    Nun ist „Volk“ in der Tat konnotativ nicht so belastet wie „völkisch“ – nur: Auch dieser Begriff ist für nichts gut!
    Es gibt eine einzige präzise Definition von ‚Volk‘: das Staatsvolk, d.h. jeder, der einen Pass des betr. Staates hat. Das ist jedoch in der rechten Begriffswelt („“Reinheit des dt. Volkes“) ganz offensichtlich nicht gemeint, vgl. Gaulands Polemik zu Boateng.
    Alle anderen Deutungen von ‚Volk‘ sind ebenfalls nur rassistisch-nationalistisches Geschwurbel.

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  2. Diese Partei und diese Vorsitzende, die mit Angst an die Macht kommen will, haben es bei mir geschafft. Ich fuerchte mich jetzt auch und ziemlich heftig. Wenn auch aus ganz anderen Gruenden.

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    • Ja, es ist gruselig, dass manche aus der Geschichte nichts lernen.
      Nein, Angst sollte man trotzdem nicht haben, denn Geschichte wiederholt sich nicht. Ein wesentlicher Faktor für den Aufstieg der NSDAP war die Weltwirtschaftskrise. Die haben wir jetzt nicht – allenfalls ein kleine Talsohle im stetigen Auf und Ab.
      Allerdings muss man sich wohl damit abfinden, dass Deutschland von ca. 20% Bekloppten (Rassisten, Nationalisten und sonstigen Verschwörungstheoretikern) bewohnt wird. Trotzdem ist es ein Privileg, hier zu leben.

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      • Nein, Geschichte wiederholt sich nicht, und es war natürlich auch nicht zwangsläufig dass aus der damaligen völkischen Bewegung das Dritte Reich mit allen Folgen entstand. Bracher schreibt: „Noch gab es damals mächtige Gegenkräfte im liberalen, zum Teil auch im konservativen Lager, vor allem in der aufsteigenden sozialistischen Bewegung. Die deutsche Möglichkeit einer demokratischen Entwicklung blieb durchaus erhalten. Sie wurde erst durch spätere Verkettungen endgültig verdrängt: 1870, 1914, 1918 und 1933 sind die Weichenstellungen; sie verbieten es, von einer zwangsläufigen Entwicklung jener Tendenzen zu sprechen.“

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      • Genau, Geschichte wiederholt sich nicht. Es ist aber wichtig, dass man aus der Geschichte lernt zu verhindern, dass gewisse stets vorhandene Tendenzen die Überhand gewinnen.
        Das Blöde an Weichenstellungen ist, dass man sie erst dann als solche erkennt, wenn sie vorbei sind.

        Relativiert haben die liberalen und sozialistischen Kräfte auch noch im Februar 1933. Im April war es dann zu spät. Ab dann war es schlauer, den Mund zu halten und das Weite zu suchen.

        Vielleicht waren ja die Landtagswahlen in Meckenburg-Vorpommern eine solche Weichenstellung?
        (Und weltweit der 11. September, oder Edward Snowden, oder als Google begann alle Gespärche aufzuzeichnen, oder als Facebook Whatsapp kaufte? Wer weiß das schon so genau.)

        Man tut jedenfalls ganz gut daran in Betracht zu ziehen, dass alles, was die Repräsentanten der AFD von sich geben noch sehr viel schlimmer gemeint ist als es gesagt wird.

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      • Stimmt schon, Geschichte wiederholt sich nicht, jedenfalls nicht ganz genau. Es steht unabhängig vom Abschneiden der AfD sicher kein zweites 3. Reich ins Haus, aber das muss es auch nicht. Diese völkisch Beseelten können (und wollen, soweit ich das sehe), wenn sie gewählt werden, jede Menge Porzellan zerschlagen und erheblichen Schaden im Land anrichten. (Die nennen das natürlich anders und haben sicher auch wohlklingende Rationalisierungen dafür parat.)

        Mit genügend Wählerstimmen im Rücken werden sie das auch tun. Das muss ja nicht gleich wie die letzte völkisch motivierte Gewaltorgie 1933-45 hierzulande mit der flächendeckenden Zerstörung Deutschlands und weiter Teile Europas enden. Schlimm genug kann’s auch ohne Bomben und Tote kommen. Also Augen auf und wehret den Anfängen, denn die ganze Richtung ist bedenklich.

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      • Bitte nicht falsch verstehen: Ich meine nicht, dass die AfD harmlos ist. Ich meinte nur mit Bezug auf Go Westerholz‘ „Ich fuerchte mich jetzt auch und ziemlich heftig“, dass Angst, aus welchen Gründen auch immer, kein probates Mittel gegen solche Entwicklungen ist.

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  3. Schön, wenn möglichst viele erkennen, dass das Ganze alles andere als harmlos ist. Das sind tatsächlich Wölfe im Lammfell. Die würden auch noch ganz anderes tun, wenn sie es dürften. Oder wenn sie keiner mehr daran hindern würde.

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  4. Queerdenkmaler, ich bin ganz Ihrer Meinung, dass Angst kein probates Mittel ist. Und das Rezept der AfD und uebrigengs inzwischen praktisch wortgetreu der CSU, hat mich nicht beruehren koennen. Doch jetzt geht die Petry einen weiteren Weg ins rechte Nimmerland, das mich dann doch weitaus mehr, als nur beunruhigt.

    Da ist dan tatsaechlich Angst. Nicht vor dem, vor dem die AfD uns Furcht einjagen will. Vielmehr davor, dass sich Geschichte eben doch wiederholen kann. Mit kleinen Verschiebungen und Korrekturen vielleicht. Aber dennoch im aehnlichen Stil. Nimmt man die AfD plus CSU, sind wir schon auf einem ziemlich heftigen Prozentsatz von extremen Meinungen.

    Dass die Petry jetzt davon traeumt, das Unwort „voelkisch“ wieder salonfaehig zu machen, hat nach meinem Wissensstand ajuch keineswegs zu einem Sturm der Entruestung, zu einem Innehalten bei anderen Konservativen, gefuehrt. Ganz im Gegenteil beharrt die CSU auf ihren Forderungen, die so ganz die Linie der AfD bestaetigen.

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      • Also, auf den Character Maps der Fonts gibt es das Lang-s (Breitkopf: U+0050), aber wie man das online in den Text reinkriegt, weiß ich auch nicht. Du musst also den Font herunterladen und installieren. Dann kannst Du Deinen Text tippen und alle gewünschten Sonderzeichen von Hand einfügen, also statt s, c, h das Lang-s und die ch-Ligatur. Bei „völkisch“ musst Du dann noch die Unterschneidung zwischen s und ch etwas regulieren, die stehen zu weit auseinander.

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    • Was will mir/uns der Autor dieser Teil-Kopie meines Kommentares, inkl. des Tippfehlers beim „dann-dan“ damit sagen?

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